Part 10

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Da ich an diesem Wochenende viel über Wes nachgedacht hatte, hatte ich die Gruppenarbeit mit Jake und Gina schon wieder ganz vergessen, als ich das Schulgebäude am Montagmorgen mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen betrat. Meine Eltern hatten ein Riesentheater gemacht, als sie von meinem wöchenendlichen Ausflug erfahren hatten. Wie ich denn so dumm sein könnte, den Schlüssel zu vergessen und dass ich ihnen nicht Bescheid gegeben hatte. Wes Mutter bekam einen dicken Blumenstrauß und ich musste mich vor den Augen meiner Eltern aufrichtig dafür entschuldigen, dass ich ihnen so große Umstände gemacht hatte. Ich glaube es war der bisher peinlichste Moment meines Lebens und ich musste an die Serie „meine peinlichen Eltern" auf KiKa denken, bei der ich vor ein paare Jahren mitgefiebert und keine Folge verpasst hatte. Für mich sprang am Ende dabei heraus, dass meine Eltern nicht mehr am Wochenende wegfahren und mich alleine lassen würden, wenn ich auf einer Party eingeladen war. Eine nicht allzu schlimme Strafe wie ich fand, da mich ja sowieso niemand einlud. Aber das mussten meine Eltern ja nicht unbedingt erfahren. Also ließ ich sie in dem Glauben, ich wäre stinksauer auf sie und stampfte türenknallend in mein Zimmer, nachdem sie mir in einem ernsten Gespräch meine Strafe verkündet hatten. Kurz darauf hatte mein Handy vibriert und ich hatte eine Nachricht von Cindy empfangen. Wir beide hatten an diesem Wochenende viel Zeit miteinander verbracht, und irgendwie hatten wir uns angefreundet. Sie war richtig nett. Ein ziemlich gut aussehender braungebrannter Typ starrte mich von meinem Handydisplay aus an. Ich scrollte die Nachrichten etwas herunter und las, was Cindy mir geschrieben hatte:

Von Cindy zu mir:

Ist der nicht süüüüüüß??? Stell dir vor, wir schreiben schon seit einer Weile und eben hat er mich nach einem Date gefragt. Und er ist schon achtzehn. Das heißt, er kommt mich mit seinem eigenen Auto abholen. Wie in diesen kitschigen Hollywoodfilmen! Wünsch mir Glück! Ich bin soooo happy! Hab dich lieb!

Von Wes hatte ich erfahren, dass Cindy in letzter Zeit mit ziemlich vielen Typen ausgegangen war, die sie erst als richtig toll und später als die schlimmsten Typen, die sie je getroffen hatte, beschrieben hatte. Deshalb hielt sich meine Euphorie etwas in Grenzen, als ich mein Handy wieder in meine Hosentasche steckte und mich ans Klavier setzte, um auf andere Gedanken zu kommen.

Das Lächeln auf den Lippen hatte ich deshalb, da Cindys Schwarm, der wie ich soeben erfahren hatte, Hugo hieß, was schon alleine für sich zum Lachen war, Cindy gestern verkündet hatte, sie sei das hübscheste Mädchen auf der ganzen Welt und sie gleich nach einem zweiten Date gefragt hatte. Das hatte sie mir grade geschrieben, als ich über die Schwelle der Schule trat und einen Blick auf meinen Stundenplan warf, um nachzusehen, welches Fach ich jetzt hatte. Ein kurzer Blick verriet mir, dass es Pädagogik war und sofort bekam ich ein flaues Gefühl im Magen, als mir die gemeinsame Arbeit mit Jake und Gina wieder einfiel. Deprimiert machte ich mich auf den Weg zum Klassenraum und dachte dabei an Cindy, die als ich ihr von Gina erzählt hatte nur meinte, von so einer dummen Kuh sollte ich mich nicht unterkriegen lassen, das wäre sie nicht wert. Danach habe ich ihr ein Foto von Gina auf Facebook gezeigt, woraufhin sie in dem Versuch Gina zu imitieren eine so komische Grimasse gezogen hatte, das ich vor Lachen auf dem Boden lag. Mit dieser Vorstellung versuchte ich mich aufzuheitern, doch als ich in die Klasse trat und sah, dass meine beiden Partner sich schon in der hintersten Ecke niedergelassen hatten und angeregt miteinander tuschelten, wurde ich unsanft wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Ich würde Gina niemals ignorieren, geschweige denn mich gegen sie wehren können. Mich für meine Unsicherheit innerlich verfluchend, nahm ich einen Stuhl und setzte mich zu ihnen, was sie nicht mit einem Wimpernschlag beachteten. Na toll, dachte ich. Fünf Minuten später, als unsere Lehrerin endlich kam, dachte ich, dass ich noch nie so glücklich war, die schon etwas ergraute, aber immer noch nervend top motivierte Frau zu sehen.

„Ihr wisst, was zu tun ist, Kinder. Geht in eure Gruppen zusammen und plant heute schon einmal, wie ihr die Arbeit aufteilen wollt, wann oder ob ihr euch trefft, und wer welches Material beschaffen soll. Ich halte mich im Hintergrund, ihr könnt mich aber gerne bei Fragen hinzuziehen." Erstens: Ich hasste es, wenn sie uns als Kinder bezeichnete. Zweitens: Ich wusste ganz und gar nicht, was zu tun war. Nur halt in einer anderen Hinsicht. Mit dem Arbeitsauftrag war ich vertraut. Es war schließlich nicht mein erster Schultag. Jedoch hatte ich einfach keine Ahnung, wie ich ein Gespräch mit Jake und Gina ins Rollen bringen sollte. Die beiden machten nämlich keine Anstalten, mich in ihre Unterhaltung über das anscheinend ziemlich tolle letzte Wochenende einzubeziehen, geschweige denn mit der Aufgabe zu beginnen. So saß ich gefühlte zehn Minuten auf meinem Stuhl den beiden gegenüber und tat so, als würde ich mich prächtig dabei amüsieren, den Nagellack von meinen Fingern zu kratzen. Es war (wieder einmal) Jake, der mir zur Hilfe kam. Er machte einen plötzlichen Schnitt in sein Gespräch mit Gina und sah mich an.

„So, Leute, ich denke mal, wir sollten langsam anfangen, sonst müssen wir den Mist noch zu Hause machen." Da ich wusste, dass Gina schon wieder eine bissige Bemerkung auf der Zunge lag, versuchte ich ihr zuvorzukommen.

„Ja, finde ich auch. Könnte jemand von euch denn nächste Stunde mal einen Laptop mitbringen? Meiner funktioniert nicht richtig." Und so ging die Stunde weiter, bis die Klingel mich endlich erlöste. Ich hatte meine erste Stunde mit den beiden überlebt. Jetzt hatte ich ja nur noch (die Betonung liegt auf nur) zwei Monate vor mir. Mein Laptop war nicht wirklich kaputt. Es war mir nur nicht ganz angenehm bei dem Gedanken, Gina würde ihn womöglich, während ich kurz auf Toilette, oder in einem Gespräch mit unserer Lehrerin war, durchforsten. Irgendwie bekam ich das Bild von ihr, wie sie auf einen meiner selbstgeschriebenen Liedtexte stieß, nicht aus dem Kopf. 

Looking For MyselfWhere stories live. Discover now