Kapitel 1

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„Da dachte ich, ich hätte einmal Glück im Leben gehabt. Und dann das!", sagte ich verärgert zu mir selbst, als ich mich auf dem Heimweg vom Theater nachhause befand. „Mein Job dort war schon gesichert und dann schließt das Theater einfach. Das kann doch nicht..." Ich unterbrach mein Selbstgespräch als ich fühlte, wie mein rechter Schuh sich mit Nässe vollsog. Ich blickte an mir herunter und stellte fest, dass ich mit meinen nigelnagelneuen, weißen Chucks in eine tiefe Pfütze getreten war. „... wahr sein." Ich seufzte. „Heute ist einfach nicht mein Tag." Schweigend führte ich meinen Weg fort, diesmal darauf bedacht Pfützen auszuweichen, bis ich letztendlich bei der Eingangstür des Hochhauses ankam, in dem ich wohnte. Mit nassen Schuhe schlurfte ich zum Fahrstuhl und kassierte dafür einen unfreundlichen Blick des Hausmeisters, der gerade frisch gewischt hatte und den Mopp noch in der Hand hielt. Ich wartete, bis der Aufzug im Erdgeschoss hielt, ich einsteigen und den Knopf für meine Etage drücken konnte.

Oben angekommen begegnete mir meine Nachbarin Frau Kim, die mir just eine Topfpflanze entgegenstreckte. Während ich versuchte, das Grünzeug von meinem Gesicht fernzuhalten, begann Frau Kim mit ihrem typischen Redeschwall. „Hey Schätzchen, schön, dass ich dich hier treffe. Ich wollte fragen, ob du nächste Woche auf meinen Bonsaibaum aufpassen könntest. Mein Mann und ich wollen uns mal wieder eine Auszeit gönnen und ich kann meine geliebte Chinafeige nicht unbeaufsichtigt lassen." Ich nahm ihr den unhandlichen Topf ab, entgegnete ein knappes „Ja klar, mach ich" und näherte mich Schritt für Schritt meiner Wohnungstür, ohne ihr meinen Rücken zuzudrehen. Als ich diese erreichte hatte, griff eine Hand nach der Türklinke, drückte sie herunter und bevor Frau Kim noch ein weiteres Wort an mich richten konnte, war ich bereits in meiner Wohnung verschwunden. Erschöpft und mit der Topfpflanze im Arm ließ ich mich an der Tür heruntergleiten, bis ich auf dem blanken Parkett saß. „Und vergiss nicht, dass du den Bonsai sehr oft gießen solltest. Und dass er genug Sonnenlicht bekommt!", hörte ich die gedämpfte Stimme meiner Nachbarin durch die Tür. Sie schien noch eine Antwort zu erwarten, gab sich jedoch dann damit zufrieden, mir die Anweisungen erteilt zu haben und entfernte sich hörbar von meiner Wohnung. Ich war unglaublich erleichtert, zog mir meine nassen Schuhe aus und kickte sie mit meinem Fuß in irgendeine Ecke. Den Bonsaibaum stellte ich neben mir ab, als ich ein aufdringliches Klopfen an der Wohnungstür vernahm. Ich verdrehte genervt die Augen und richtete mich auf. Was wollte Frau Kim denn nun schon wieder von mir? Wütend riss ich die Tür auf und erblickte statt dem Gesicht von Frau Kim das meines Vermieters. Ich schluckte, als ich seine finstere Miene sah und ahnte, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Nicht an diesem Tag. Mein Vermieter räusperte sich. „Frau Shin, es tut mir leid, Sie darauf aufmerksam machen zu müssen, aber da Sie bereits 2 Monate keine Miete mehr gezahlt haben, ist es mir erlaubt unseren Mietvertrag fristlos zu kündigen." Ich sah ihn fassungslos an. Hatte ich mich gerade etwa verhört? Doch Herr Lees Tonfall klang keinesfalls so, als würde er sich einen Scherz erlauben. „Das Vermietungspfandrecht tritt hiermit ebenfalls in Kraft, das heißt, wenn Sie in 3 Tagen die Wohnung verlassen, dürfen Sie nur das mitnehmen, was in Ihrem Besitz steht." Mir klappte die Kinnlade herunter. „Aber, d-das, das können Sie doch nicht machen!", rief ich empört und verzweifelt zugleich. „Ich wiederhole, es tut mir leid, aber ich kann daran nichts ändern, da ein neuer Mieter schon in Sicht ist." Herr Lee zuckte halb entschuldigend, halb gleichgültig mit den Schultern, drehte auf dem Absatz um und ließ mich verdattert im Türrahmen stehen.

                                                        * 3 Tage später *

Da stand ich nun, alleine, einzig mit meinem Koffer in der Hand und schaute wehmütig ein letztes Mal zum Fenster meines alten Apartments hoch. Es war meine erste eigene Wohnung gewesen und ich bewohnte sie, seit ich anfing zu studieren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie stolz ich war, nicht mehr von meinen Eltern abhängig zu sein. Sie sagten zwar, ich könne immer zu ihnen kommen, wenn ich zum Beispiel finanzielle Probleme habe, doch ich lehnte es strikt ab. Ich wollte ihnen beweisen, wie selbständig ihr „kleines Mädchen" mittlerweile war. Darum ließ es mein Stolz selbst in dieser Situation nicht zu, direkt zu meinen Eltern zu rennen. „Kopf hoch, Nayeon", sprach ich mir selbst Mut zu während ich den Griff um meinen Koffer verstärkte. Ich spürte, wie mir Tränen aufkamen und versuchte sie zu unterdrücken. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Erstmal musste ich den Kopf freibekommen. Und der einzig erdenkliche Ort dazu war mein Lieblingsplatz. Ohne darüber nachzudenken, lief ich los in Richtung Park.

Dort angekommen ließ ich mich auf einer Bank am See nieder. Der Baum hinter mir spendete mir glücklicherweise Schatten, was mir bei dieser Hitze sehr willkommen war. Meinen Koffer stellte ich neben die Bank und aus meinem Rucksack kramte ich mein Notizbuch und einen Stift heraus. Ich kam oft hierher um zu schreiben: Gedichte, kurze Geschichten oder einfach nur Gedanken, die mir durch den Kopf schossen. Schon bald war ich in meinem Element und bekam nichts mehr von der Außenwelt mit. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie einige Jungs am Seeufer entlangliefen, herumalberten und lachten. Ich beachtete sie nicht weiter und beugte mich tief über mein Notizbuch und mein Gedicht, dem ich mich momentan widmete. Plötzlich zeriss ein lautes „CUT!" die Idylle und ich schreckte hoch. Ein Mann kam im Eiltempo auf mich zugerannt, blieb vor mir stehen und fuhr mich an. „So geht das nicht, so kann ich nicht arbeiten!" Er starrte mich wutentbrannt an. Verwirrt sah ich mich um, um sicherzugehen, dass er mich meinte. Ich deutete leicht mit dem Finger auf mich, woraufhin er nickte. „Ja, du! Was machst du hier?", fragte er, ohne mich zu Wort kommen zu lassen, „Das Gelände müsste abgesperrt sein!" Er fuchtelte wild mit den Armen, schrie diesmal aber nicht mich an, sondern schaute direkt an mir vorbei. Ich drehte mich auf der Bank um und blickte in die Linse einer großen Kamera. Nach ein paar Sekunden realisierte ich, dass es sich hier um ein ganzes Kamerateam handelte, mit Tongeräten und allem Drum und Dran. Hinter einer der Kameras hörte ich eine zarte Stimme fragen: „Ist das nicht die Schauspielerin, von der sie ein Close-up wollten?" Der Mann schüttelte entschieden den Kopf, während jemand anderes entgegnete: „Die Schauspielerin hat doch in der letzten Minute abgesagt."

Die Jungs von vorhin hatten mittlerweile auch etwas von dem Tumult mitbekommen und näherten sich uns nun. „Was gibt es für ein Problem?" Der Mann, der anscheinend der Regisseur an diesem Drehort war, versuchte die Jungs zu beruhigen. „Es gibt kein Problem, es befindet sich hier nur eins eurer Fangirls, das sich an den Drehort geschlichen hat, JB." „Fangirl?", fragte ich leise, aber hörbar und musterte die Gruppe vor mir. Mit Erschrecken stellte ich fest, dass es sich hier um meine Bias Group handelte: Got7. Eins war mir sicher: Wenn ich aus dieser Sache wieder heil rauskommen wollte, durfte ich auf keinen Fall zugeben, dass ich diese Personen auch nur annähernd kannte, geschweige denn jedes Album von ihnen hatte. „Ja, Fangirl!", wiederholte der Regisseur pampig. Die Jungs wechselten einen kurzen Blick und kamen auf mich zu. „Okay, wir machen jetzt ein Foto und dann gehst du bitte", meinte Youngjae lächelnd. „Wo ist dein Handy?", fragte Mark. „Aber ich bin doch gar kein Fan!", widersprach ich überzeugt. „Das sagen sie doch alle", murmelte der Regisseur. „Jetzt macht endlich das Foto damit sie geht und wir weiterdrehen können." „Wartet", sagte Jaebum. „Ich glaube ihr." „Warum???", fragten alle im Chor. Jaebum zuckte mit den Schultern. Ich traute mich nun doch, die Sache aufzuklären. „Ich bin nicht wegen den Dreharbeiten vorbeigekommen, ich wusste nicht mal etwas davon. Das hier ist mein Lieblingsplatz und ich habe momentan auch keinen anderen Ort, wo ich hinkann." „Das würde auch den Koffer erklären", überlegte Jinyoung nachdenklich. „Genau!", pflichtete ich ihm bei. „Das gibt dir trotzdem nicht die Erlaubnis, hier zu sein", knurrte der Regisseur, jedoch nun etwas leiser. Ich beschloss, dass jetzt der richtige Moment für mich war zu gehen und erhob mich. „Na dann, war nett euch kennenzulernen", verabschiedete ich mich beiläufig, schnappte meinen Koffer und Rucksack und machte Anstalten zu gehen. Doch ich wurde davon abgehalten, als mich einer der Jungs am Arm packte.

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