4. 9 Millimeter

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Ein Knall riss mich aus meiner Welt zurück auf den harten Boden der Realität. Ich war schon wieder voll auf Droge. Ich war gerade dabei fremd zu gehen. Und jetzt war es passiert. Mike hatte es doch getan. Ich sprang auf. Nina kam nicht ganz mit, taumelte und landete wieder auf dem Boden. Ich starrte sie unverwand an. Ich war wütend auf mich, auf sie, auf Mike, auf alles. Ich hätte nicht gehen dürfen. Ich wollte aufhören mit Chemie. Alle meine Vorsätze... egal. Ich musste zu Mike, sicherlich machten die Bahnhof-Hänger jetzt Stress. Ich griff nach meiner Jacke und wollte losrennen als ich Ninas Stimme hinter mir hörte. Sie saß, noch immer halbnackt, mit verführerischem Blick im Laub. Ich weiß nicht was sie sagte, das sanfte Pochen und Rauschen des Blutes in meinen Kopf war zu einem lächerlich Lauten Dröhnen herangewachsen. Ich drehte mich um, ihr Blick fiel auf mein verzerrtes Gesicht, wütende Tränen schimmerten im kalten Mondlicht, ungeschickt machte ich einen Schritt in ihre Richtung und trat zu. All meine Wut, mein unendlicher Hass, auf sie, auf mich, manifestierten sich in der Wucht dahinter. Ich hatte keine Kontrolle mehr. Mein Fuß traf sie an der Schläfe, ihr Kopf klappte nach hinten und sie sackte zusammen und landete im Dreck. Ich wartete keine Sekunde mehr, ich rannte. Immer der Musik entgegen, die fröhlichen Stimmen die ich noch vor ein paar Sekunden aus Richtung der Feier vernommen hatte waren verstummt. Ersetzt durch seltsam unwirkliche Stille, nur gebrochen von einer undefinierbaren Musik im Hintergrund. Ich rannte weiter. Immer zur Musik. Sie wurde lauter. Als ich auf der Lichtung ankam, mein Gesicht zerkratzt von Zweigen und Ästen, standen sie alle da. Sechzig, vielleicht Siebzig reglose Menschen. Ungläubig starrten sie auf eine freie Fläche in der nähe. Zwei Schemen standen dort, die Münder unter Sturmmasken verborgen, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Zwischen ihnen lag zusammengesunken ein Dritter auf dem Boden, es war zu dunkel um ihn zu erkennen, aber ich wusste onehin wer es war. Ich suchte in der Menge nach Mike, keiner beachtete mich. Er hatte doch nicht selber geschossen ? Ich kämpfte mich nach vorne um freien Blick auf die maskierten zu bekommen. In diesem Moment brach eine Stimme durch den Lärm meiner Gedanken: "... einem von uns was androht." Androht ? Ich schaute mich um, wer hatte das gesagt ? Ich kannte die Stimme. Jetzt sah ich ihn, einige Meter Links von mir, einige Handylichter leuchteten in seine Richtung. Die Worte kamen von Alim. Hinter ihm stand Sergan, die Schultern zusammengefallen, den Blick auf den Boden gerichtet. Sergan ? Es schien als würde alles um mich herum in tiefer schwärze versinken als ich mich umdrehte. Was blieb war der am Boden liegende Junge, und eine maskierte Gestalt, so groß wie ich, eine Waffe in der herunterbaumelnden Hand, den Blick auf Alim gerichtet. Langsam, aus Angst vor dem was ich sehen würde senkte ich meinen Blick. Einige Handylichter waren jetzt auch auf den Schatten am Boden gerichtet. Das schmerzerfüllte stöhnen hallte tausendmal durch meinen Kopf als ich ihn erkannte. Mike lag am Boden. Die Hände auf eine klaffende Wunde am Bauch gepresst. Blut färbte das Gras unter ihm Rot. Die letzten dünnen Fäden die mich vom Zusammenbruch abgehalten hatten rissen unter der Belastung, ich sah nichts mehr, hörte nichts mehr, meine Beine gehorchten nur sich selbst als ich mich mit aller Kraft auf den maskierten Jungen stürzte. Er wurde von der Wucht des Zusammenpralls zu Boden gerissen, die Waffe landete neben mir im Gras. Ich kniete mich auf die Brust des maskierten, wie besessen schlug ich auf sein Gesicht ein. Meine Fäuste trafen harte Knochen. Immer wieder schlug ich zu. Ich fühlte Blut an meinen Händen, warm spritzte es auf mein weißes Shirt. Ich schlug weiter zu. Jetzt färbte es auch meine Hände rot. Ich warf dem Schützen Worte an den Kopf, brüllte sie ihm in seine reglose Fresse. Immer wieder. “Bastard, Hurensohn.“ Ich weiß nicht wie lange es so ging, doch ich spürte wie die Nase und der Kiefer unter der Maske knackend nachgaben. Erst jetzt lies ich ab, sah mich wieder um. Mike war umgeben von Freunden die ihm nach bestem Willen halfen, irgend jemand hatte sogar die Kugel aus der Wunde geholt. Ein paar andere hatten den zweiten Maskierten Bastard umringt. Die Waffe lag noch immer neben mir auf dem Boden, ich griff danach... es fühlte sich gut an, schwerer als man glaubt, und doch so leicht für die Kraft Menschen zu töten.  Nur ein Fingerzucken... meine Zunge wanderte über meine trockenen Lippen, ich schmeckte Blut, ob es meins war, oder dass des maskierten, weiß ich nicht. Ich richtete mich auf, drehte mich um und schaute zu Alim und Sergan. Sie waren näher gekommen, doch einige von Mikes Leuten hatten ihnen den Weg verperrt und hielten sie fest. Langsam, die Blicke auf mir genießend, wissend um das was alle hier dachten, um die Angst, Abscheu und den Respekt den alle hier in diesem Moment hatten, setzte ich einen Fuß vor den anderen, bis ich nur einen letzten von den beiden entfernt war. “Das passiert“, ich deutete auf den maskierten der Reglos am Boden lag, “wenn man sich an Mike vergreift“ gab ich Alim mit heißerer Stimme zu verstehen. Sein Arm schnellte nach vorne, doch einer der Jungs die ihn festhielten fing den Schlag ab und sofort bereute Alim seinen Versuch, als die anderen ihn auf den Boden ringten und von allen Seiten auf ihn eintraten bis er sich nicht mehr wehrte.  Ich drehte mich zu Sergan, er schaute immernoch auf den Boden. Langsam hob ich die Waffe, richtete sie auf sein Knie. Sergan zitterte, doch er machte keine anstalten abzuhauen. “Und das, wenn man...“, Mike, der immernoch hinter mir lag unterbrach mich: “Lass gut sein.“ Seine Stimme klang schwach und schmerzerfüllt, aber sein Ton war noch immer entschlossen. Ich nickte, aber drehte mich nicht um. Noch eine ganze Weile starrte ich auf Sergan, hoffte vielleicht würde er einfach umfallen, dann drängte sich ein Gedanke zurück in meinen Kopf. Der erste der nicht vor Wut und Hass, voller Rachelust und Gewalt triefte. Und dieser Gedanke traf mich erneut mitten in mein Herz, er zeriss erneut die schwache Struktur die mich getade wieder stabilisiert hatte. Die Waffe rutschte mir aus der Hand. Nina. Ich sprintete zurück in den Wald. Niemand folgte mir, vielleicht interessierte sich niemand dafür was ich tat, vielleicht schafften sie es nicht mitzuhalten, vielleicht hatten sie Angst.
Ich brauchte eine gefühlt Ewigkeit die kleine Lichtung zu finden. Nina war noch dort, aber sie war nicht bewusstlos wie ich erwartet hatte. Als sie mich sah zuckte sie Zurück. Ich konnte mich kaum errinern was ich getan hatte, ich wusste das ich sie getreten hatte, aber warum ? Langsam fiel es mir wieder ein, die Teile, der Weg, wir waren kurz davor gewesen.... ich schüttelte den Gedanken ab. Ich konnte ihre Klamotten nirgends sehen, nichtmal ihren BH. Scheiße was hab ich getan ?  Ich zog meine Jacke aus und gab sie ihr. Sie blickte mich aus leeren, roten Augen an. Sie hatte geweint. Schluchzend und mit mehreren Anläufen brachte sie ein einziges zittriges Wort heraus: “Warum ?“ Ich wollte ihr antworten, um jeden Preis, ich wollte ihr sagen warum. Wollte es klären, aber ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts... “Ich weiß es nicht, Nina“, antwortete ich mit leiser Stimme. “Ich hatte mir vorgenommen keine Chemie mehr zu nehmen, und... ich bin fremdgegangen... ich war wütend auf mich selbst, habe die Kontrolle verloren...“ führte ich schließlich fort. Plötzlich wurde mir übel, ich erinnerte mich. -Ritalin, Gras- Mein Magen begann zu krampfen. -Wodka, Pep- Ich fiel auf meine Knie und stützte mich auf meine Hände. -Extasy-  Ich übergab mich. Mir wurde schwarz vor Augen, ich spürte noch wie Nina mich auffing und auf die Seite drehte bevor ich mein Bewusstsein endgültig verlor.

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