22.12.2009

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Es war eine ungewöhnlich stille Nacht. Weit und breit gab es keine Menschen zu sehen. Es schien fast so, als wären alle vom Erdboden verschluckt worden.

Die einzigen Lichtquellen, die die finsteren Gassen, auch wenn nur ganz schwach, illuminierten, waren etwas ältere Straßenlaternen, die jeweils einen großen Abstand voneinander hatten. Das schwache Licht, welches, von einer der genannten Laternen, ärmlich hinabfiel, prallte an einer dunklen Gestalt ab und der Schatten eines Mannes fiel zu Boden.

Das Träufeln der Regentropfen, welche von den Fensterbänken und den Dächern der naheliegenden Gebäuden, auf den nahezu mit Nässe durchdrängten Boden fiel, waren, neben den gelegentlichen Plätschern beim Eintreten in Regenpfützen, die einzigen Geräusche, die die Ohren des Mannes füllten.

Mit gesenktem Kopf und den Händen tief in den Taschen seines nassen Mantels eingegraben, lief der Mann widerstrebend durch die Gassen. Hin und wieder stahl er kurze Blicke von seiner Umgebung. An jedem Hause, an den er vorbeilief, waren keine Lichter zu erkennen. Waren die Bewohner etwa schon am Schlafen? Eher unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass es erst kurz vor Mitternacht war. Kopfschüttelnd brachte er sich dazu, sich keine großen Gedanken darüber zu machen. Je länger er durch die enigmatische Gasse ging, umso stiller wurde es. So kam es ihm jedenfalls vor. Vielleicht war er auch nur etwas paranoid im Moment.

Dauernd griff er nach den zwei Gegenständen, die sich in den jeweiligen Taschen seines Mantels befanden, um zu bestätigen, dass er auch ja keines dieser verlor. Beide Objekte hatten unterschiedliche Werte, doch beide konnten zugleich etwas günstiges vermögen.

Seinen Blick hatte er nach vorne gerichtet. Augen zusammendrückend erkannte er schließlich einen kleinen, einsamen Lichtfleck; nur wenige Straßen weiter. Er wusste sofort, dass es keine einfache Straßenlaterne war, sondern sein Zielort. Langsam aber sicher beschleunigte er seinen Gang, doch nicht zu schnell, aus Sorge, zu laut auf eine Pfütze zu stampfen. Obgleich er dem Licht immer näherkam, hatte er das Gefühl, sich nicht vom Fleck zu bewegen.

Ein kalter Windzug flog an ihm vorbei und sein Körper fing an zu zittern. Erst jetzt bekam er die Last auf seinen Schultern zu spüren. Abgesehen von der mentalen Last, die er leidvoll und betrübt mit sich schleppte, spürte er auch noch die physische Last auf seinem Körper. Seine durchnässte Kleidung, welche logischerweise durch die Nässe schwerer wurde, klebte an seinem Leibe wie eine zweite Haut. Der vorige Regen dominierte seine angeblich regenfesten Schuhe, was seine Füße nass, kalt und bestimmt verschrumpelt ließ. Offensichtlich wurde auch die untere Hälfte seines Körpers nicht verschont, denn auch die Hose war pitschnass und hing an seinen Beinen.

Für einen kurzen Moment wandte er seinen Blick vom Lichtfleck ab und warf ihn zu Boden. Da, wo eigentlich sein desolater Schatten auffallen sollte, sah er, zu seinem Schrecken, einen weiteren.

Vielleicht war es nur ein einfacher Passant. Jemand, der ihn einfach vermeidet, oder jemand, der ihm eventuell helfen könnte. Vielleicht aber auch nicht. Letztendlich würde es keiner wissen, denn bevor irgendjemand handeln konnte, haute der Mann, wie ein Verbrecher, der von Polizisten gejagt wird, ab; Richtung Zielort.

Schnaufend rannte er los, Hände, mit festen Griff, in seinen Taschen. Augen weit aufgerissen und auf den Lichtfleck fokussiert, machte er geschickt große Schritte, die ihn durch die Gassen führten. Ihm war es jetzt egal, ob er zu laut war, denn in seinem Kopf gab es schon einen Aufstand. Wie ein Irrer, der von einer Anstalt entflohen ist, so kam ihm die Position vor. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, doch ehe er sich versah, war er auch schon angekommen.

Da stand er nun. Keuchend drehte er sich zum ersten Mal um, um sicher zu gehen, dass ihn niemand gefolgt, oder gesehen hatte. Als er nichts Ungewöhnliches sah, packte er sich zusammen und machte sich auf den Weg, in die Universität.

Die Türen waren unverschlossen und das Licht, vom Eingang, an. Der Mann wusste genau, dass eine Person noch da war. Um präzise zu sein, hatte diese ihn dorthin verlangt. Langsam leiteten seine Füße ihn durch die Gänge des Gebäudes, bis zu einer Tür, die ihn zu einen kleinen Hof führte. Im nächsten Moment war er auch schon wieder von der Dunkelheit umwickelt worden. Er ergriff die Finsternis nonchalant und ließ sich nichts an seiner Mimik entnehmen. Schnurstracks stürzt er sich auf das einsame, marode Gartenhaus zu. Es wäre nicht einfach, sich in der Dunkelheit zurecht zu finden, doch das Mondlicht, was vom klaren Himmel abstrahlte, half ihm dezent.

Sein Pulsschlag wurde schneller, als er versuchte zu antizipieren, was auf ihn wartete. Mit zittrigen Beinen machte er ungleichmäßige Schritte, bis er schließlich vor der Tür des Gartenhauses stand. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ein letztes Mal drückte er die zwei Objekte in seinen Händen, bevor er, mit seinem rechten Fuß, die Tür aufdrückte. Zögernd trat er in das dunkele Häuschen ein. Als er, da seine Augen sich schon an die Dunkelheit gewöhnt hatten, einen Lichtschalter sah, knipste er, mit seinem linken Ellenbogen, diesen an, da er nicht mal daran denken wollte, die Gegenstände in seinen Manteltaschen, los zu lassen.

Da er nun eine bessere Sicht hatte, schaute er sich erneut um. Dieses Mal erkannte er mehr als nur die Umrisse des Raumes. Er lief etwas tiefer in den Raum hinein, hielt dabei Ausschau nach einer Person, als er plötzlich hörte, wie die Tür zugeschlagen wurde und der Schlüssel in das Schloss fiel. Click. Sofort drehte er sich um und da standen drei strikt aussehende Männer.

Die Augenbrauen des Mannes knitterten sich zusammen, er runzelte die Stirn und sein Griff, an den zwei Objekten, würde fester.

Einer der neu aufgetauchten Männern streckte, ohne eine Miene zu verziehen, seine Hand aus. Mit dieser Geste verstand sich die ganze Situation. Nur ungern wagte der Mann sich nach vorne. Langsam ragte er seine rechte Hand raus. Mit gesenktem Kopf öffnete er sie und der Gegenstand kam zum Vorschein. Als der Gegenüberstehende den Gegenstand zu sich nahm, nahm der nasse Mann zum ersten Mal vorsichtig seine linke Hand aus der Tasche. Nur um sicher zu gehen, dass auch niemand diesen Gegenstand sah. Bevor auch nur ein Wort gesprochen wurde, tauschten die Männer Blicke aus. Plötzlich rammte einer von denen seine Faust gegen den Lichtschalter, was nicht nur dazu führte, dass das Licht aus ging, sondern auch dafür, dass es in der Zukunft nicht mehr funktionstüchtig war. Keiner hatte sich vom Fleck bewegt. Sie wussten alle, zu was eine hektische Bewegung führen würde. Der Typ in der Mitte fuchtelte mit etwas rum und ehe er sich versah, war auch ein kleines Streichhölzchen angezündet.

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.

Ab dann ging alles viel zu schnell. Das Letzte was er sah, bevor alles schwarz wurde, war wie einer ein Seil auspackte und die anderen auf ihn zu kamen.

Er war nicht mal überrascht, denn er wusste genau, was auf ihn zukommen würde. Er hoffte nur, dass jemand den Gegenstand in seiner linken Manteltasche finden würde.

Der Tote im AtelierraumWhere stories live. Discover now