Kapitel 1: Neue Wege I

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Die Südlichen Höhen, Königreich Prelon - 1060 n.G.


Die goldene Scheibe senkte sich bereits am Horizont, als Jerdan endlich in das kleine Wäldchen zurückkehrte. Der Schwarzmagier zügelte sein Pferd, als er einen Mann auf der Lichtung erblickte, der einen dunkelbraunen Lederwams trug. Der Mann hielt sein Schwert in der Hand und beäugte den Ankömmling skeptisch. Erst als er ihn erkannte, entspannte er sich und ließ seine Waffe wieder in der Scheide verschwinden.

»Ihr wart lange fort«, sagte Brengar und kam auf ihn zu.

»Es war schwieriger als gedacht das alles zu besorgen«, rief Jerdan und nickte über seine Schulter.

Erstaunt blickte der Yidaki an ihm vorbei und beäugte die zwei vollbeladenen Packpferde, die der Schwarzmagier mit sich führte, interessiert. »Wo habt Ihr das alles her?«

»Das wollt Ihr nicht wissen«, entgegnete Jerdan knapp, während er sich vom Pferd schwang. »Genaugenommen würdet Ihr mir nur wieder irgendeinen Vortrag halten und wir wissen ja beide, wie das endet.« Er überreichte dem Yidaki die Zügel seines Pferdes und löste ein großes Stoffbündel von einem der Tiere, während er weiterredete. »Ihr würdet mir sagen, dass Stehlen und Morden Unrecht sei und ich würde Euch sagen, dass wir anders nicht überleben können.« Er blickte den Yidaki an und grinste wissend. »Dann würdet Ihr einen langen Monolog darüber halten, dass der Tod jeden von uns heimsucht und das ganze durch Eure blumigen Worte schönreden, bevor Ihr versucht meine Taten durch Euren Kodex zu rechtfertigen. Vermutlich, um Euer Gewissen zu beruhigen, während Ihr dann doch widerstrebend all die schönen Dinge verwendet, die ich mitgebracht habe.« Jerdan warf Brengar das Bündel zu und löste ein weiteres vom Rücken des Pferdes. »Also, können wir das etwas abkürzen?«

Brengar seufzte und rollte mit den Augen, bevor er langsam den Kopf schüttelte. »Habt Ihr hierfür gemordet?«, wollte er mit einem knappen Blick auf das Bündel wissen, das er in seinen Händen hielt.

»Nicht direkt«, gab Jerdan unbeeindruckt wider, während er die Packpferde an einem Baum festband. »Aber, wenn es Euch beruhigt. Die Bauernfamilie, die mir diese Dinge überlassen hat, lebt noch.« Der Schwarzmagier drehte sich zu Brengar um und schaute ihn entschlossen an. »Aber ich würde nicht zögern, jemanden zu töten, wenn dies unserem Überleben dienlich ist«, fügte er hinzu.

»Das würde ich auch nicht«, begann Brengar und ging entschlossen einen Schritt auf ihn zu. »Aber es kommt auch drauf an, wofür man mordet, oder wen. Die Menschen, die hier leben, sind unschuldig.«

Jerdan zog eine Augenbraue hoch und blickte ihn verwundert an. »Sind sie das? Die meisten von Ihnen huldigen dem nächstbesten Haus, das sich auf den Thron Prelons erhebt und vergessen, wem sie eigentlich die Treue geschworen hatten. Würde Valygar mit seinen Männern durch dieses Dorf reiten, würde sich vermutlich ein Großteil von ihnen voller Ehrfurcht auf den Boden werfen.«

»Sie sind nicht stark genug, für sich selbst zu kämpfen. Ihre Unterwürfigkeit schützt sie. Ihr solltet Selbstschutz nicht mit Treue verwechseln und vor allem solltet Ihr die Menschen der südlichen Höhen nicht unterschätzen. Dieses Gebiet hat seit mehr als fünfundzwanzig Jahren dem Haus Trechia gedient.«

Jerdan rollte mit den Augen. Der Yidaki ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er seine Einstellung überhaupt nicht teilte. Doch obgleich er seinen Standpunkt deutlich machte, wirkte Brengar äußerlich vollkommen ruhig und gelassen. Überraschend war das nicht, immerhin war er einst Berater sowohl von Torlan als auch von Xarven gewesen. So unterschiedlich die beiden Könige auch gewesen sein mögen, eines hatten sie gemeinsam. Beide waren in ihrer Dickköpfigkeit kaum zu überbieten. Sie hätten keinem Berater zugehört, der mit Vehemenz und Druck seine Meinung dargestellt hätte. Er hatte Brengar als besonnenen und ehrenhaften Mann kennengelernt, der allerdings gewisse Prinzipien hatte. Prinzipien, die Jerdan äußerst nervig fand, weil sie alles komplizierter machten.

DwMIIWhere stories live. Discover now