29. Kapitel📚

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Bei der Satariburg angekommen wartet dort schon Samyr am Tor. Tyran setzt mich ab und Samyr fragt ihn: „Und, habt ihr ihn erwischt? Ist er tot, dieser Abschaum?"

Blanke Wut flammt in mir auf und ich hätte ihm am liebsten den Kopf abgerissen, wenn ich nicht in Tyrans festem Griff gewesen wäre.

„Nein Samyr", erwidert Tyran tonlos, „wir haben die beiden auf dem heiligen Friedhof überrascht. Wir konnten ihm dort nichts tun, ohne uns alle in Gefahr zu bringen."

Samyr schnaubt verächtlich. Dann sieht er mir voller Abscheu ins Gesicht und sagt: „Du bist wirklich eine Schande für unser Volk!"

Ich ignoriere ihn und Tyran zieht mich weiter.

„Wo bringst du mich hin?", will ich von ihm wissen.

„Bis König Achytos dich anhört, sperren wir dich in deinem Zimmer ein. Und es wird immer jemand mit dir im Raum sein, also denk gar nicht erst daran, noch einmal wegzulaufen", fügt er drohend hinzu und straft mich mit einem vernichtenden Blick.

In meinem Zimmer auf dem Bett sitzt Mylan. Er sieht ziemlich fertig aus. Wieder beschleicht mich ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen Brüdern solche Sorgen bereite.

„Kann ich mich darauf verlassen, dass sie dir nicht entwischt, Mylan?", fragt Tyran aufgebracht.

Mylan nickt wortlos. Er ist es sich nicht gewohnt, von seinem jüngeren Bruder in einem solchen Ton angesprochen zu werden.

„Gut", sagt Tyran mehr zu sich selbst als zu jemand anderem. „Dann werde ich jetzt bei König Achytos um eine Anhörung bitten."

Damit verlässt er das Zimmer und die Türe fällt laut hinter ihm ins Schloss. Danach herrscht eine quälende Stille im Raum.

Als ich es nicht mehr aushalten kann, breche ich als Erste das Schweigen.

„Es tut mir leid, Mylan", beginne ich kleinlaut. „Ich habe das alles nicht gewollt. Es war nie meine Absicht, euch zu hintergehen. Aber anders war es mir nicht möglich, mich mit Eliya zu treffen. Und ich musste ihn sehen, denn ich liebe ihn. Auch wenn ihr nicht verstehen könnt, wie ich mich in einen Vulpari verlieben konnte, so müsst ihr doch wenigstens verstehen, welche Sehnsucht die Liebe in einem auslöst. Gerade du! Stell dir vor, man würde dir sagen, du dürftest Kyra nie mehr wiedersehen. Würdest du dich an ein solches Verbot halten?"

Mylan sieht mich unglücklich an. „Wenn es dem Wohl und Schutz meiner Familie dient, ja, dann würde ich das."

Ich kann es nicht glauben. „Findest du nicht, dass deine Familie, wenn du ihr wirklich wichtig bist, hinter dir und deiner Liebe stehen sollte? Würdest du dir nicht wünschen, dass sie dich unterstützen?"

„Natürlich würde ich das, Ayla! Was für eine blöde Frage! Aber das Leben ist nun einmal nicht immer so, wie man es gerne hätte. Es gibt unüberwindbare Hindernisse und Regeln, die man nicht brechen darf."

„Wenn der Wille stark genug ist, dann kann man jedes Hindernis dieser Welt überwinden! Aber man darf nicht aufgeben. Von Anfang an wusste ich, dass meine Gefühle für Eliya zu Schwierigkeiten führen würden, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Und als ich das eingesehen habe, habe ich mich dazu entschieden, für meine Liebe zu kämpfen. Und ich werde bis zu meinem Tod dafür weiterkämpfen!"

Mylan sieht mich aus müden Augen an. „Ich flehe dich an, das nicht zu tun, kleine Schwester. Weil dein Tod könnte in diesem Fall früher eintreten, als dir lieb ist ..."

Eine Stunde später kommt Tyran zurück. Draußen setzt gerade die Abenddämmerung ein. Obwohl Tyran versucht, sich nichts anmerken zu lassen, spüre ich hinter seiner dicken Mauer aus Gleichgültigkeit einen leisen Unmut.

„Der König empfängt dich heute Abend im großen Saal. Jeder Satari wird der Anhörung beiwohnen. Ich glaube, er möchte an dir ein Exempel statuieren."

Ein Exempel statuieren?

„Tyran ...", frage ich ängstlich, „du glaubst doch nicht ... Ich meine, der König wird mich doch nicht ... Hat er jemals jemanden zum Tode verurteilt?"

Tyran räuspert sich geräuschvoll. „Nun ja ... Es ist lange her, aber damals nach der großen Spaltung gab es ein paar Satari, die Kontakt zu ihren ehemaligen Freunden oder Familienmitgliedern hatten, die inzwischen Vulpari geworden waren. Das war natürlich schon damals strengstens untersagt. Einige von ihnen konnte man davon überzeugen, sich um des Friedens willen endgültig von ihren Freunden und Verwandten zu verabschieden. Es gab aber auch ein paar Uneinsichtige. Somit hatten sie dem König keine andere Wahl gelassen."

Seine Worte erschüttern mich und ich spüre einen dicken Kloß im Hals.

„Mach dir keine Sorgen, Schwesterchen. Wenn du während der Anhörung das sagst, was Achytos hören will und ihm versicherst, dass du diesen Vulpari nie mehr freiwillig aufsuchen wirst, dann sollte dir nichts passieren. Und das wirst du doch wohl, ihm diese Zusicherung geben, oder?"

Ich sehe meinen Bruder zögernd an. Werde ich das? Werde ich vor dem König schwören, Eliya nie mehr wiederzusehen?

Als Tyran meine Unsicherheit sieht, beginnt er eindringlich auf mich einzureden.

„Ayla hör zu, das ist kein Spiel! Es geht nicht mehr darum, deinen Brüdern zu entwischen, um irgendeiner Schwärmerei hinterherzurennen. Es geht hier um dein Leben! Denk doch bitte auch einmal an uns." Ich nicke kaum merklich.

Den Rest des Tages sind meine Brüder auffallend fürsorglich. Am Nachmittag steckt Kyle seinen Kopf zur Tür herein.

„Lasst ihr uns einen Moment allein?", wendet er sich an Mylan und Tyran, die immer noch bei mir im Zimmer sind.

Sie verlassen den Raum und Kyle drückt mich an sich. Auch er sieht aus, als hätte er seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen und seine Augen sind verdächtig gerötet.

„Meine süße kleine Ayla ...", seufzt er traurig. „Was machst du nur für Sachen. Ich mache mir wirklich ernsthaft Sorgen um dich. Weißt du eigentlich, wie ernst deine Lage ist? Bitte versprich mir, dass du keine Dummheit machst. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustößt. Wenn unsere ..."

Er bricht ab und beginnt dann noch einmal von Neuem. „Wenn unsere Mutter noch leben würde, wüsste sie jetzt, was sie in dieser Situation zu dir sagen müsste. Wenn das Herz einer Frau sich erst einmal an einen Mann geheftet hat, gibt es nicht viel, was sie noch umstimmen kann, so viel weiß ich. Aber sie hätte von uns allen wohl noch die beste Chance gehabt, dich vor einem großen Fehler zu bewahren. Darum bitte ich dich: Wenn du es schon nicht für uns tust, dann tu es bitte wenigstens als Andenken an unsere verstorbene Mutter."

Kyle hat seit dem Tod unserer Eltern fast nie über sie gesprochen und dementsprechend tief treffen mich seine Worte. Dennoch bin ich mir nicht sicher, wie ich mich entscheide, falls ich überhaupt eine Wahl habe...

 Dennoch bin ich mir nicht sicher, wie ich mich entscheide, falls ich überhaupt eine Wahl habe

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Ayla - Unsterbliche Liebe |abgeschlossen 📓 (Leseprobe)Where stories live. Discover now