Kapitel 9

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Kapitel 9

„Du siehst bezaubernd aus", schwärmt Maria als ich aus dem Zimmer komme. Ich hingegen fühle mich nicht sonderlich wohl. Zum hundertsten Mal zupfe ich an dem Kleid herum, zu dem Jona mich überredet hat.

Wenigstens auf flache Schuhe habe ich bestanden. Auch wenn Jona ganz und gar nicht von den weißen Sneakers begeistert war. Sie meinte, die passen nicht zum Kleid, aber ich finde schon.

Schwarz und weiß harmonieren schließlich und ganz wollte ich meinen Stil auch nicht aufgeben. „Aus dir ist so eine hübsche junge Frau geworden, Elien. Ich weiß noch wie klein du warst, als ich dich aufgenommen habe."

In ihren Augen schimmern Tränen. Oh nein, werd ja nicht rührselig. Ich habe nicht vor auch anzufangen zu weinen, immerhin habe ich ne halbe Stunde für mein Make-up gebraucht.

„Danke, aber ich sollte wirklich zu Nilson. Ich bin schon spät dran", ersticke ich also die Chance auf weitere Erinnerungen im Keim. Ein letztes Mal betrachte ich mich im Spiegel.

Auch wenn ich nicht so der Kleidertyp bin, muss ich sagen, Jona hat wirklich eines ausgewählt das mir steht und nicht ganz von meinem Stil abweicht.

Das Kleid ist vollkommen schlicht, hat einen geraden Ausschnitt, der die Schultern frei lässt. Vorne ist es ein wenig kürzer als hinten. Oben liegt es eng an und ab der Taille abwärts fällt der Stoff locker.

„Habt Spaß heute Abend", wünscht Maria mir und nimmt mich noch einmal in den Arm. Ich bedanke mich bei ihr und verlasse dann unser Apartment.

Nilsons Mutter öffnet die Tür. „Oh Elien, du siehst wunderschön aus", sagt sie zur Begrüßung. Ich trete ein und bedanke mich bei ihr für das Kompliment.

„Nilson, Elien ist da", ruft sie und schon kommt Nilson aus seinem Zimmer. Er ist mit seiner Fliege beschäftigt und scheint es nicht wirklich hinzubekommen, diese zu binden.

Seine Mutter hilft ihm und dann schaut er auf. Ein Grinsen macht sich auf seinen Lippen breit. „Was?", frage ich und ziehe die Augenbraue hoch.

„Ich hätte nie gedacht, dich einmal in einem Kleid zu sehen", antwortet er und steckt die Hände in die Hosentasche.

„Gewöhn dich nicht dran, das hier ist eine einmalige Ausnahme", lache ich und boxe ihm gegen die Schulter.

„Das ist schade. Du siehst nämlich wirklich hübsch aus." Ich merke keine Anzeichen von Ironie. Nilson hat mir noch nie ein vollkommen ernstes Kompliment über mein Aussehen gemacht. Ich erröte ein wenig und schaue verlegen zu Boden.

„Danke", antworte ich und sehe ihn wieder an. Gerade will er etwas sagen, da stürmt seine Mutter ins Zimmer mit einer Kamera.

„Und jetzt ein Bild von meinem Nilson mit seinem bezaubernden Date." Date? das ist doch kein Date, oder? Denkt Nilson das etwa? Panisch sehe ich ihn an, doch sein Blick ist auf die Kamera gerichtet.

Das bildet sich seine Mutter sicher nur ein, sie denkt ja auch wir sind ein Paar, beruhige ich mich selber. Nilson und ich sind doch nur beste Freunde.

Ich entspanne mich und lächle ebenfalls in die Kamera. Nilson legt einen Arm um mich und schon blitzt es. Seine Mutter macht noch unzählige weitere Fotos.

„Wie wärs mit einem Kuss? Das wäre ein so süßes Foto", schlägt seine Mutter vor. Hilfesuchend sehe ich nach Nilson, der auch ein wenig überrumpelt wirkt.

„Es ist schon recht spät, wir sollte los. Vielleicht ein anderes Mal", redet er sich raus. Dann nimmt er meine Hand und stürmisch verlassen wir das Apartment. „Viel Spaß", ruft seine Mutter uns noch hinterher.

„Gut, dass ich mich für die flachen Schuhe entschieden habe", lache ich, als wir anhalten. Auf Absätzen rennen, wäre mein Untergang gewesen.

„Tut mir echt leid. Aber du weißt ja was meine Mutter von uns denkt", entschuldigt er sich, doch ich winke ab.

Zusammen betreten wir den Trainingsraum, in dem die Feier stattfindet. Er sieht so anders aus als sonst. Nicht so steril und schlicht. Im Gegenteil, alles ist hübsch geschmückt und das Licht ist gedimmt. Eigentlich wirkt es sogar ganz gemütlich.

„Elien, du siehst unglaublich auch", höre ich Jona. Tatsächlich kommt sie mit einem Typen im Schlepptau auf uns zu.

„Danke, aber du übertrumpfst wie immer alle", erwidere ich das Kompliment. Ihr Blick gleitet von mir zu Nilson. „Du siehst auch so gut aus."

Nilson grinst verlegen und fährt sich durchs Haar. „Ihr seid wirklich süß zusammen." Ich verdrehe die Augen, doch Jona grinst nur.

„Naja, wir gehen tanzen", sagt sie und schon sind die beiden wieder verschwunden. Das hier ist genau ihr Ding. Alle sind hübsch angezogen, sie hat ein Date und kann tanzen.

„Willst du auch tanzen?", fragt Nilson. Perplex sehe ich ihn an. Sofort bricht er ein Gelächter aus. „Du hättest deinen Gesichtsausdruck sehen sollen. Du müsstest doch wissen, dass ich dich gut genug kenne um zu wissen, dass du nicht tanzt."

Erleichtert beginne ich auch zu lachen. „Wer weiß, vielleicht kommst du ja auf komische Ideen. immerhin trage ich auch ein Kleid." Nilson grinst mich an.

Und so verbringen wir den Rest des Abends damit am Rand zu sitzen, etwas zu trinken und uns über die Outfits und Verhaltensweisen anderer lustig zu machen.

Die Zeit vergeht wie im Fluge und nach und nach leert sich der Raum. „Ich glaube ich geh auch. Immerhin muss ich morgen früh raus."

Ich stehe auf. „Ich komm mit. Ohne dich ist es eh langweilig hier." Nilson folgt mir nach draußen und zusammen gehen wir zu meinem Apartment.

„Danke, dass du mich da nicht alleine aufkreuzen lassen hast", sage ich, als wir vor meiner Tür stehen. Doch er zuckt nur mit den Schultern, die Hände in den Hosentaschen vergraben.

„Gute Nacht, Nilson"; verabschiede ich mich und öffne die Tür. „Elien, warte", hält er mich auf. Abwartend sehe ich ihn. Er kommt auf mich zu und küsst mich.

Vollkommen überrascht, bin ich unfähig irgendwas zu machen. Als der Kuss endet, sehen Nilson und ich uns in Schweigen an. Keiner von uns weiß, was er sagen soll.

„Ich sollte reingehen", unterbreche ich letztendlich die Stille. Nilson nickt und ich verschwinde im Apartment.

Verwirrt lehne ich mich gegen die Tür, sinke langsam auf meine Knie. Warum hat er das getan? Lag es an der Situation? Fragen über Fragen schwirren durch meinen Kopf, doch ich habe keine Antworten.

Nur die eine Tatsache, brennt sich in meine Gedanken. Nilson hat mich geküsst.

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