Kapitel 4

152 15 11
                                    

Kapitel 4

„Elien? Was willst du hier?", faucht Jona als sie mich sieht. Ihre Augen sind rot und geschwollen, sie hat geweint. Es schmerzt sie so zu sehen, doch bin ich nicht die einzige die Fehler gemacht hat.

„Ich will mit dir reden, Jona", antworte ich und sehe sie flehend an. „Es gibt's nichts zu bereden." Kühl sieht sie mich an. Ihre Augen schimmern durch die Tränen und auch ich spüre Tränen in meinen Augen.

„Grün", flüstere ich kurz bevor sie die Tür komplett geschlossen hat. Sie zögert, öffnet sie wieder einen Spalt. Fragend sieht sie mich an.

„Deine Lieblingsfarbe. Sie ist grün. Aber nicht einfach grün, eher ein blaugrün. So eines wie das des Ozeanes in deinem Buch. Du würdest gerne mal ein Meer sehen, deswegen magst du die Farbe so sehr.

Dich fasziniert das Wasser, die Lebewesen darin. Als Kinder haben wir deshalb immer diese alten Videos aus der Bibliothek mitgehen lassen, du wolltest alles darüber wissen. Auch wenn es längst nicht mehr relevant ist."

Eine Träne bahnt sich den Weg über ihre Wange. Sie öffnet die Tür wieder und bedeutet mir einzutreten.

Ich folge ihrem Angebot und setze mich auf das weiße Sofa. Jona nimmt auf dem Sessel gegenüber Platz und sieht mich erwartungsvoll an.

Richtig, ich war ja die, die reden wollte. „Es tut mir leid", beginne ich. Verdammt, was soll ich nur sagen? Ich hatte Glück, dass mir ihre Lieblingsfarbe noch eingefallen war. Aber auch nur, weil ich damit einige unserer schönsten Erinnerungen verband.

„Ich weiß, dass ich dich vernachlässigt habe und das hätte ich nicht tun sollen. Doch du weißt ebenso gut wie wichtig das Ganze für mich ist. Ich hatte einfach mit ein wenig mehr Verständnis gerechnet."

Klang das zu sehr nach Vorwurf? Ich will sie ja nicht noch wütender machen. „Natürlich weiß ich wie wichtig dir das ist", seufzt sie und rauft sich die Haare.

„Aber als ich dich da mit Nilson gesehen habe, ich habe mich so außen vor gefühlt. Wie lange ist es her, dass wir so gelacht haben? Oder dieser Antrag, warum hast du mir nicht erzählt, dass ihr zusammen seid.

Ich habe immer gedacht, ich sei deine beste Freundin. Aber du erzählst mir scheinbar ja doch nicht alles. Ich hatte das Gefühl, dass du unsere Freundschaft einfach nicht mehr so ernst nimmst", gibt sie zu und sieht zu Boden.

Sie versucht ihre Tränen zu verbergen, ich kenne sie gut genug um das zu wissen. „Jona, das war doch nur Spaß. Ich bin nicht mit Nilson zusammen, wir haben nur rumgealbert. Und um ehrlich zu sein, war ich nur bei Nilson, weil Maria es gesagt hat", erkläre ich.

„Und vielleicht auch, weil ich ein wenig Eifersüchtig war auf Cassy, weil du mich versetzt hast", füge ich noch leise hinzu.

„Du musst doch nicht wegen Cassy eifersüchtig sein", lacht Jona und sieht jetzt wieder zu mir. Augenblicklich komme ich mir doof vor. Wie hatte ich nur daran denken können, Cassy könnte mich ersetzen?

„Also ist jetzt alles wieder gut?", frage ich hoffnungsvoll. Jona nickt und ich falle ihr in die Arme. Was ein Glück, ich brauche sie wirklich.

„Wer hat dir eigentlich meine Lieblingsfarbe verraten?", will sie wissen, als wir uns aus der Umarmung lösen.

„Niemand. Vorhin war ich am Grab meiner Eltern und habe darüber nachgedacht wie wichtig du mir bist. Ich habe ein wenig über all die schönen Erinnerungen mit dir nachgedacht und da ist mir deine Besessenheit gegenüber dem Ozean eingefallen.

Und mir ist auch wieder eingefallen, dass du die Farbe geliebt hast. Ich bin vielleicht nicht gut darin mir Fakten so zu merken, aber ich erinnere mich an so gut wie jedes Erlebnis aus unserer Kindheit."

Jona schenkt mir ein Lächeln. Es ist schön sie wieder als Freundin zu haben. „Wen hattest du im Sinn als du gefragt hast, wer sie mir verraten hat?", hake ich nach, da mir keiner einfällt, den ich hätte fragen können.

„Maria natürlich. Glaubst du ich weiß nicht, dass sie immer meine Geburtstagsgeschenke kauft? Und aufgrund der Tatsache, dass die meisten Kleidungsstücke, die ich von dir erhalte in meiner Lieblingsfarbe sind, gehe ich davon aus, dass sie sie kennt."

Sofort erröte ich und fühle mich ertappt. Verdammt, woher weiß sie das nur? Ich meine, ich mache es ja nur zu ihrem besten. Ich bin immerhin miserabel im Geschenke kaufen. Als Jona meinen Gesichtsausdruck sieht, beginnt sie zu lachen.

„Mach dir nichts draus, damit habe ich mich längst abgefunden. Vielleicht bin ich sogar ganz froh darüber, nachdem ich mit dir ein Geschenk für Nilson kaufen war"; lacht sie. Beleidigt sehe ich sie an.

„Hey, die Bandagen fürs Boxen waren super, er benutzt sie immer noch"; verteidige ich mein Geschenk. Doch Jona lacht nur noch lauter.

„Sicher, sie waren nützlich und er benutzt sie um deine Gefühle nicht zu verletzten. Geschenke sollen Freude machen und persönlich sein und nicht unbedingt nützlich. Sie sollten etwas sein, dass man sich vielleicht selber nicht holen würde."

Das ist ihre Meinung. Ich bleibe dabei, dass die Bandagen ein super Geschenk waren. Nilson hat sich auch noch nie über sie beschwert, er lobt sie nur immer.

Andererseits würde er sie auch nie vor mir kritisieren. Aber ich weiß, dass sie gut sind, immerhin habe ich dieselben.

„Ist aber ja auch egal. Was hälst du davon, wenn wir ein wenig shoppen gehen?", schlägt Jona vor. Um ehrlich zu sein, würde ich lieber trainieren, aber ich möchte ungern einen neuen Streit beginnen, also stimme ich zu.

Außerdem gleicht Shoppen mit Jona einem sechsstündigen Ausdauertraining. Vielleicht ist das Shoppen sogar noch härter.

Frozen FutureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt