~1~ Schlag

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Ein Jahr bin ich nun seine persönliche Wache und in diesem einen Jahr ist noch nichts spannendes geschehen.
Klar, ich wollte diese Stellung als Wache und es macht mir auch Spaß, aber dennoch würde ich öfter mal gerne meine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Schon Jahre vor Beginn der Ausbildung habe ich begonnen zu trainieren und ich bin eine der Besten geworden. Doch das alles nützt nichts, wenn ich die ganze Zeit bloß neben Thranduil stehe, der so wie so nie etwas macht.
Na egal, nicht meckern, sondern konzentrieren.

Aufgeregt kommt Legolas zu seinen Vater gerannt. Was er wohl hat?
,,Vater, die Spinnen haben schon wieder angegriffen. Einer unsere Wachen ist gefallen. Wir müssen etwas dagegen unternehmen." meldet der Prinz. Doch der König guckt ihn nur ausdruckslos an. ,,Sind die Spinnen aus meinem Wald?" ,,Ja. Aber wir müssen..." Legolas wird von einer Elbin unterbrochen, die weinend zu uns rennt. ,,Mein Herr Thranduil. Verzeiht die Störung, aber ihr müsst etwas gegen die Spinnen unternehmen. Mein Mann ist heute ums Leben gekommen und ich kann es nicht mit an..." ,,Sei still!" herrscht er sie an. ,,Vater..." will Legolas seinen Vater beruhigen, doch der macht eine argwöhnische Handbewegung. ,,Die Spinnen sind nicht unser Problem, solange sie nicht meinen Wald betreten." ,,Verstehe... Dann verlasse ich den Düsterwald und schließe mich Herrn Elrond an. Ich kann nicht mit ansehen, wie andere ihr Leben lassen für nichts und wieder nichts." sagt die Elbin ruhig, erhebt sich und geht von dannen. ,,Vater. Sie hat Recht. Wir müssen etwas unternehmen." beharrt der Prinz. ,,Nein! Wenn sie nicht im Königreich sind, sind sie nicht mein Problem. Und jetzt geh mir aus den Augen!" Ein letzter Blick zu dem König und dann geht er.
,,Ich muss hier raus." murmelt Thranduil und geht ebenfalls. Ich ihm natürlich hinterher. Leibwache halt.
Der Weg führt ihn in den Königsgarten. Wie der Name schon sagt, hat nur die königliche Familie und ihre Wachen dort Zugang. So auch ich.

Ich bleibe etwas abseits stehen und beobachte meinem König dabei, wie er aufgeregt auf und ab geht.
,,Wie kann eine meiner Elben es wagen, mein Königreich zu verlassen?! Ich habe ihr Jahre lang Unterkunft gewährt und so dankt sie es mir?!" regt er sich auf. Schon oft habe ich ihn wütend erlebt. Aber so wütend, wie er es jetzt ist, noch nie.
Er kann ganz schön unheimlich sein, wenn er so ist.
,,Und erst mein Sohn! Stellt sich gegen mich! Unerhört!" Plötzlich rast eine Faust auf mich zu und bevor ich reagieren kann, trifft sie mich hart ins Gesicht.
Perplex schaue ich meinen König an.
Hat, hat er das gerade ernsthaft gemacht?!
Ich merke, wie Blut an meinen Hals hinab läuft. Sein Ring hat eine Wunde an meiner Wange hinterlassen.
Kein Wort bekomme ich hervor, auch, wenn ich so wie so nicht reden dürfte.
Ich schaue ihn einfach nur geschockt an. Thranduils ganzer Körper steht unter Anspannung. Doch langsam beruhigt er sich wieder. ,,Das hier ist gerade nicht geschehen. Es war ein Versehen. Verstanden?"
fragt er ganz ruhig. ,,Natürlich, Herr."
Er geht wieder rein, ich ihm wieder hinterher.
Warum hat er das getan? Hat er ernsthaft seine Wut an mir ausgelassen? Ich hoffe sehr, es war wirklich nur ein 'Versehen'.

,,Meldyth! Was ist denn mit dir geschehen?!" ruft Veldar, mein bester Freund, entsetzt. Ich stehe vor meiner Zimmertür und will sie eigentlich öffnen, als er zu mir kommt. ,,Nichts." winke ich ab. ,,Das sieht aber nicht nach nichts aus. Sag, was ist passiert?"
Veldar wusste immer, wenn ich lüge oder etwas geheimhalte. ,,Ist schon in Ordnung. Im Königsgarten steht eine Neue Skulptur. Ich habe sie übersehen." lüge ich ihn an. ,,Naja, wenn du meinst. Was anderes, bist du ernsthaft glücklich mit deinem Posten als Leibwache?" ,,Ach Veldar, das hatten wir doch schon tausend mal. Ja, ich bin glücklich damit. Mein Posten erlaubt mir zwar nur eine Pause zwischen dem Zenit des Mondes und Sonnenaufgang, aber das reicht." versichere ich ihm um ein Neues. ,,Na gut. Wenn was ist, ich wohne nur eine Tür weiter." grinst er mich an und geht.
In meinen Zimmer wische ich mir das Blut weg und versorge meine Wunde.

Ich drehe mich im Bett um und gucke auf mein Schwert und das Mithrilhemd, die ich von meinen Eltern geerbt habe. Sie sind im Kampf gefallen... Das einzig Gute an dem Hemd war, dass ich es als Rüstung für meinen Posten tragen darf. Es hat mich viel Überzeugungskraft gekostet, Thranduil davon zu überzeugen, dass es reicht. Aber er hat es mir erlaubt und so brauche ich nicht diese schwere Rüstung tragen. Wie ich es geschafft habe, ihn zu überzeugen, ist mir noch immer ein Rätsel. Genau wie das Rätsel um den Schlag heute Abend im Garten. Warum? Warum hat er das getan?!

Opfer? Thranduils FehlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt