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"Okay. Kate, ich melde mich später bei dir, aber wenn ich mich jetzt nicht beeile komme ich zu spät und es ist mein erster Tag."

Ich eile durch meine Wohnung und versuche gleichzeitig etwas zu essen und meine Tasche zu packen. Meine Haare lasse ich einfach offen und ich habe nur Wimperntusche aufgetragen. War ja klar, dass ich am ersten Tag zu spät komme.

Es ist nicht ganz mein erster Tag, ich hatte ja auch eine praktische Zeit im Studium, aber diesmal ist es etwas offizielles. Meine Ausbildung zur Ärztin beginnt.

"Na gut, aber bitte melde dich auch. Und sei nicht nervös, du packst das.", sagt Kate. Im Hintergrund hört man Lina quengeln. "Was für ein Timing. Bis später."

Nachdem wir aufgelegt haben esse ich noch schnell auf. Dann muss ich aber wirklich los, also eile ich zum Auto und fahre zum Krankenhaus. Es ist das Krankenhaus, in dem Alex auch gearbeitet hat, aber diese Stelle anzunehmen schien mir am sichersten. Zum einen hat die Klinik einen sehr guten Ruf, zum anderen hatte Alex ja den Plan das Krankenhaus zu wechseln und Chefarzt zu werden. Er hat allerdings nie gesagt wo er hingehen möchte, weshalb ich bei der Zusage nicht gezögert hat. Alex kann jetzt überall sein. Nur nicht hier.

Auf dem Parkplatz fahre ich in eine freie Parklücke und steige aus. Tobias wartet vor dem Haupteingang des Krankenhauses auf mich. Er hat sich am selben Krankenhaus beworben und wurde ebenfalls angenommen. Das macht die ganze Sache viel einfacher. Ich muss mich nicht bemühen neue Freunde zu finden, denn zur Not ist Tobias immer da.

"Da bist du ja endlich. Los, wir kommen zu spät." Er drückt seine Zigarette aus.

"Tut mir leid. Ich hab verschlafen.", antworte ich etwas aus der Puste.

Tobias legt eine Hand auf meinen Rücken und wir gehen schnell in den für uns vorgesehenen Raum. Ich werfe meine Tasche in einen Spint und ziehe mir schnell das Oberteil über den Kopf, um in das andere hereinzuschlüpfen. Als ich es endlich geschafft habe meine Arztkleidung mitsamt Kittel anzulegen werden wir in Gruppen eingeteilt.

"Melissa Parker, Emilia Beck, Tobias Stein, Hannah Keller, Sie begeben sich bitte zu Dr. Ricks."

Dr. Ricks ist ein großer, muskulöser Mann, bei dem allein dessen Anblick reicht um einem Angst zu machen. Wir folgen ihm in einen Flur.

"Hier ist Zeugs was ihr braucht. Krankenakten holt ihr hier und gebt sie hier auch wieder ab. Wo was ist könnt ihr den Plänen entnehmen. Ich zeige euch jetzt noch wohin ihr Patienten bringt wenn ihr sie zum CT bringen wollt und danach gehen wir zur Visite über."

Der scheint wohl auch keine große Lust auf uns zu haben. Man fühlt sich als Anfänger nicht gerade wohl hier. Andererseits ist es wissenschaftlich bewiesen, dass man so besonders viel lernt. Wir nehmen uns alle einen Pieper und von den anderen Sachen und folgen dann Dr. Ricks zum CT.

"Hier ist auch immer einen Schwester oder ein anderer Arzt, die euch helfen können. Noch Fragen? Nein? Gut. Dann treffen wir uns in zehn Minuten in Raum 1482."

Mit diesen Worten rauscht der Arzt an uns vorbei. Wir begeben uns währenddessen zu Raum 1482, brauchen aber mehrere Anläufe um diesen zu finden. Das Krankenhaus ist riesig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir irgendwann mal ganz alleine durch die Gänge bewegen soll.

"Habt ihr auch das Gefühl, dass die uns nicht hier haben wollen?", fragt Emilia und erntet darauf von uns allen ein Nicken.

"Ich habe gehört, dass der beste Anfänger heute Abend eine Operation bekommt.", fügt Tobias hinzu.

"Naja, du wirst es wohl nicht sein.", scherze ich.

"Wetten wir, dass ich vor dir im OP stehen darf?"

"Nein.", antworte ich. "Keine Wetten."

"Ist das nicht merkwürdig? Wir verdienen Geld, wir retten Leben. Wir sind jetzt erwachsen.", schwärmt Hannah.

"Wenn ihr so lahmarschig weitermacht verdient ihr bald kein Geld mehr.", ertönt Dr. Ricks' Stimme hinter uns. Ich zucke zusammen. Schnell gehen wir in das Zimmer, indem ein Mann mittleren Alters an mehreren Geräten angeschlossen liegt.

"Parker." Ricks gibt mir die Krankenakte. "Stellen Sie vor."

"Thomas Harper, dreiundvierzig Jahre alt. Er hatte gestern eine Bypass-Operation. Sein Blutdruck liegt bei 100 zu 65. Hämatokrit postoperativ 30, Gerinnung normal. In den letzten zwei Stunden kein Output aus der Thorax-Drainage.", erkläre ich. Gut, dass ich genau diese Akte vorhin noch gelesen habe.

"Und jetzt?"

"Drainage auf Durchgängigkeit prüfen und Thorax röntgen?"

"Ist das eine Frage?"

"Nein.", antworte ich schnell. Dieser Mann verunsichert mich ohne Ende. Ich will keinen Fehler machen, aber wenn er mich weiter so unter Druck setzt bleibt das nicht aus.

"Gut, dann ist das ihr Job. Sehen Sie bitte stündlich nach den Werten und teilen Sie mir eine Veränderung bitte mit. Weiter geht's."

Die anderen gehen weiter und ich bleibe alleine mit dem bewusstlosen Mann zurück. Ich prüfe zuerst die Drainage, dann bringe ich den Patienten zum Röntgen. Ich bin ganz froh, dass dieser nicht wach ist, denn es dauert etwas bis ich den richtigen Raum gefunden habe. Anschließend bringe ich ihn zurück auf sein Zimmer und teile Dr. Ricks die Ergebnisse des Röntgens mit.

"In Ordnung. Bringen Sie die Krankenakte bitte auf den neusten Stand. Sie können sich dazu hinter die Theke setzen."

"Da wo auch die Akten liegen?"

"Sehen Sie hier sonst noch eine Theke?"

"Nein."

Ich setze mich also und drucke Formulare aus. Dann fülle ich alles so gut wie möglich aus. Es ist ein gutes Gefühl die Papiere unterschreiben zu dürfen. Zwischendurch überprüfe ich die Werte des Patienten und trage auch diese ein.

Mein erster Tag hier ist absolut langweilig. Ich hatte mir das irgendwie spaßiger vorgestellt. Selbst die Praxis Zeit im Studium war interessanter. Bis jetzt habe ich nichtmals andere Ärzte kennengelernt. Als die Akte aufgearbeitet ist und die Werte kontrolliert sind, beschließe ich die Cafeteria aufzusuchen. Mehr habe ich ja ohnehin nicht zu tun. Glücklicherweise komme ich zeitgleich mit den anderen aus meiner Gruppe an. Sie sehen auch nicht begeisterter aus als ich.

Wenn ich so an die ganzen Folgen von Grey's Anatomy denke, die ich gesehen habe, habe ich mir das Ganze doch etwas anders vorgestellt.

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