Kapitel 2

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Die Tote war Rosie.

Kurz nach mir wurde sie von den Helfern geborgen. Als sie gemerkt hatten, dass sie nicht mehr atmete, hatte Sam noch versucht sie wiederzubeleben, doch es war längst zu spät.

Bjon brach zusammen, Sam brachte mich ins Lazarett und die anderen suchten weiter. Sie fanden Damir, der lebte aber bewusstlos war und den sie ebenfalls ins Lazarett brachten und nach dem Reva sah, wie sie mir versprochen hatte. Elise und Lucan mussten nicht dorthin, sie hatten es als einzige in den Keller geschafft und waren unversehrt. Das war jedoch auch gut so, da mittlerweile schon Matratzen auf den Boden gelegt wurden, um all die Verletzten unterzubringen.

Knochenbrüche, Platzwunden, Kopfverletzungen, offene Wunden. Egal was es war, sie wurden alle hier untergebracht, da es einfach zu viele waren und die Krankenhäuser längst überfüllt waren. Zu welcher Gruppe ich gehörte wusste ich noch nicht, doch neben zahlreicher Schürfwunden war mein Bein war nicht in Ordnung. Erst die Verletzung und Entzündung und jetzt hatte ich es mir auch noch eingeklemmt. Es schmerzte tierisch und ich konnte nicht auftreten. Solange es nicht gebrochen war, war mir das jedoch egal. Es würde wieder werden.

„Hier. Tee. Keine Ahnung welche Sorte, aber er riecht jetzt nicht schlecht und warm ist er auch noch.", meinte Sam und reichte mir eine Tasse, ehe er sich zu mir auf das Klappbett setzte. Endlich konnte ich seine Worte auch wieder verstehen, auch wenn immer noch ein leises Klingeln in meinen Ohren zu hören war.

„Danke.", murmelte ich und wärmte meine Finger an der Tasse. Nicht, dass sie besonders kalt waren, doch es tat gut und ließ mich besser fühlen.

„Wo sind die anderen jetzt?", fragte ich, nachdem ich einen Schluck genommen hatte.

„Damir liegt ein paar Reihen weiter, Reva ist immer noch bei ihm. Er ist immer noch nicht aufgewacht, aber der Arzt mit dem ich kurz gesprochen habe meint, er braucht einfach noch seine Zeit. Tiro wird irgendwo genäht, endlich hatte jemand mal Zeit, und Kila wird auch durchgecheckt. Elise und Lucan helfen bei den Aufräumarbeiten soviel ich weiß.", antwortete er und zählte alle auf.

„Was ist mit Bjon?"

„Der ist bei seiner Schwester. Ihm geht es nicht gut.", murmelte Sam und blickte auf seine Hände. „Er will Rosie begraben. Heute noch. Auf einen Sarg kann man die Tage nicht warten und er will kein Massengrab für seine Frau."

Verständlich. Ich würde es auch nicht für sie wollen, wäre ich an seiner Stelle.

„Wie sehen die Häuser um uns herum aus? Ich konnte vorhin keinen wirklichen Blick darauf werfen.", redete ich weiter, da ich keine Stille zwischen uns wollte. Sobald sie herrschte, fühlte ich mich komisch, weshalb ich sie lieber vermied.

„Nicht besser, als das Haus von Bjon. Wer in dieser Gegend nicht gestorben ist, ist nun Obdachlos."

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Bjon hatte uns aufgenommen und ließ uns bei sich wohnen. Doch sein Haus war zerstört und nicht mehr bewohnbar. Jetzt musste er selbst jemanden suchen, der ihn aufnahm.

„Was machen wir? Schlafen wir draußen?", fragte ich und blickte ihn an.

„Du und Damir bleibt erstmal hier. Tiro vermutlich auch, weil er eine Gehirnerschütterung haben könnte. Die anderen und ich werden schon eine Möglichkeit finden. Vielleicht bleiben wir sogar auch hier, da Zelte für die Obdachlosen aufgebaut werden sollen. Hilfsgüter aus Distrikt 13, sind gestern eingetroffen."

„Kann ich nicht auch dorthin? Ich will nicht hierbleiben. Allein.", gestand ich und griff automatisch nach seiner Hand. Ich wollte, dass er mich mitnahm, wenn sie in einem der Zelte schlafen würden. Auf keinen Fall wollte ich hierbleiben, bei all den...

Ja ich klang furchtbar, doch es war wirklich schlimm hier für mich. Die meisten Menschen waren hilfsbereit und hatten nur leichte Verletzungen. Dann aber gab es hier eben auch, wie gesagt, Menschen mit schwereren Verletzungen und Wunden. Menschen, die die ganze Zeit stöhnten und manche sogar die schrien. Zwar versuchte man sie nach den ersten Hilfemaßnahmen meist ins Krankenhaus zu verlegen, doch immer war es eben auch nicht möglich.

„Wenn wir wirklich dort schlafen, holen wir euch rüber. Vor allem, da du sowieso nicht hier bleiben würdest, und wenn du rüber kriechen müsstest.", seufzte er und hatte damit nicht unrecht. Genau das wollte ich ihm gerade sagen, als ich plötzlich Reva auf uns zukommen sah. Sie schien irgendwie aufgebracht, weswegen ich sofort Angst um Damir verspürte. Es musste etwas passiert sein!

„Wisst ihr was ich gerade gehört habe?", fragte sie jedoch atemlos und kurz war ich deshalb verwirrt.

„Mit Damir hat es nichts zu tun, oder? Ihm geht es gut?", wollte ich dennoch wissen, ehe ich mich auf ein Ratespiel einließ.

„Nein. Bei ihm ist alles unverändert, mach dir keine Sorgen.", antwortete Reva.

„Womit hat es dann zutun?", wollte Sam wissen, der scheinbar keine Lust auf Ratespiele hatte. Er wirkte angespannt und rechnete wohl mit dem Schlimmsten. Verständlich. Immerhin hatten wir in der letzten Zeit nicht wirklich viel Gutes erlebt.

„Katniss Everdeen. Sie kommt hierher. Dach Distrikt 8."

Zuerst war ich mir sicher, dass sie einen Scherz machte. Ich überlegte zwischen Lachen und sie verärgert anblicken hin und her, da sie in dieser Umgebung versuchte uns zu veralbern, doch als ich Revas Miene genauer betrachtete wusste ich, dass sie das ernst meinte.

„Katniss Everdeen. Der Spotttölpel. Was will sie denn hier?", fragte Sam ziemlich misstrauisch. Ich dagegen war neugierig, weswegen ich keine Antwort abwarten konnte, sondern selbst eine Frage stellen musste. Oder zwei.

„Bist du dir sicher? Woher weißt du das? Wann kommt sie? Haben sie auch etwas von Finnick Odair gesagt?"

Kurz schien Reva zu brauchen um all meine Fragen ordnen zu können, ehe sie antwortete.

„Ich weiß es nicht. Also ich weiß nicht, ob Finnick auch da sein wird oder wann sie kommt, aber ich weiß, dass sie kommt. Katniss Everdeen wird nach Distrikt 8 kommen."


Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IVWo Geschichten leben. Entdecke jetzt