Kapitel 9

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"Da hinten habe ich mein Zelt aufgeschlagen", er zeigte in die Ferne auf eine mir bekannte Stelle.
"Klar, weiß ich. Und da hinten habe ich zufällig auch ein Loch gegraben", lächelte ich ihn provokant an. Er drehte sich zurück zu mir und sah mir tief in die Augen. Schade, er sah mein Lächeln nicht.
"Tja, wer zuerst kommt, mahlt zuerst", diesmal lächelte er. Aber nicht so wie ich, er hatte keine Hintergedanken. Sein Lächeln schien so rein zu sein.
Oh, Gott! Diese dunklen Rehaugen! Eher untypisch für Norweger. Er scheint keiner zu sein, was aber auch seine dunkelbraunen Haare verraten. "Wieso bist du hierhin gekommen? Um mich auszulachen?", fragte ich ihn dennoch.
"Nein.. ich..", er stockte kurz, scheinbar um sich zu beruhigen. War er nervös wegen mir?
"Ich bin hier, weil ich dich schon im Hotel gesehen habe... und.."
"Warte, was? Hast du das alles geplant?", wunderte ich mich.
"Na ja, also.. ja, gewisser Weise schon", er lächelte verlegen. Ich war sauer, aber zugleich auch angetan. Irgendwie ja süß von ihm.
"Tut mir schrecklich leid, ich fand dich so toll im Hotel an der Rezeption. Und na ja ich bin nicht der Typ, der jemanden direkt anspricht und.."
".. und dann machst du es so kompliziert, beobachtest mich im Schnee, um mir dann meinen Platz zu klauen? Super Idee. War natürlich super leicht. Ich musste ja nur gefühlte zwei Stunden weiter herumirren", sagte ich während ich meinen Blick nicht von seinen Augen lösen konnte. Er merkte es wieder, denn er kratzte sich am Kinn.
"Also.. ja, meine Idee hat scheinbar geklappt. Schließlich reden wir."
"Oh, also hör mal. Erstens hast du mich zu Tode erschreckt, als du vor meinem Zelt standest.."
"Es ist nur ein kleiner Fleck, ich kann dir deine Decke auch waschen..", unterbrach er mich.
"Unterbrich mich gefälligst nicht", er erschrak, denn so einen Tonfall hatte er wohl nicht erwartet.
"Tut mir leid", fügte ich schnell hinzu. "Zweitens?", er lächelte wieder. Scheinbar um zu zeigen, dass er nicht sauer war.
"Zweitens musste ich lange suchen, aber das weißt du ja jetzt. Und drittens..", ich machte eine lange Pause. Zu lang. Wahrscheinlich über 15 Sekunden. Ich fand kein drittens. Mist, denk nach.
"Also nur zwei Gründe, auf mich sauer zu sein. Puh, Glück gehabt", er machte eine schauspielerische Geste, indem er sich mit dem Handrücken über seine Stirn wischte.
"Ich glaube ja. Nur zwei Gründe.." Er schaffte es tatsächlich, mich auch zum Lächeln zu bringen. Ich sah verlegen auf den Schnee zu meinen Füßen. "Aber was hattest du dir ausgemalt, wenn ich dir das Zelt öffne?"
"Na ja, mit so einer Reaktion habe ich eigentlich nicht gerechnet. Ich dachte eher, du wärst dankbar, hier jemanden zu treffen. Hier draußen", erklärte er. "Ich bin nicht dumm, ich kann schnell schlussfolgern, dass du derjenige bist, der meinen Platz geklaut hat. Hier draußen sind selten Fremde. Meistens sind alle im Hotel. Außerdem bin ich nicht hier mit der Absicht, jemanden zu treffen. Sonst wäre ich nicht hier draußen." Gelogen, Enania, gelogen. Erinnere dich, dass du dich über deine Einsamkeit bei Al beklagt hast.
"Okay, tut mir leid."
"Du entschuldigst dich aber oft."
"Ich gebe zu, das war eine nicht so gut durchdachte Idee. Kann ich das wieder gutmachen?", er zeigte mit der Hand auf sein Zelt. Scheinbar sollte ich mit ihm dahingehen.
"Denkst du, so einfach geht das?", erwiderte ich.
"Einfach war es ja jetzt nicht. Ich hätte dich auch ansprechen können", sagte er, obwohl er wusste, er hätte das nie getan. Was seine verrückte Idee also doch zu seinem einfachsten Weg machte.
"Okay, überredet." Ich zog den Reißverschluss meines Zeltes zu und folgte ihm an seiner Seite. Vorerst. Er ging viel zu schnell. Kein Wunder, bei so großen Füßen.
"Kakao?", ich löste meinen Blick schnell von seinen Füßen und sah zu ihm auf.
"Wieso nicht", ich lächelte.

In der Dunkelheit allein- Wenn die Hoffnung zuletzt stirbtWhere stories live. Discover now