Kapitel Eins

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Eden, Gegenwart

01:11 Uhr

Es ist schon lange nach Mitternacht. Mindestens eine Stunde. Das weiß ich, durch das Läuten der Kirchturmuhr dieser Kleinstadt, dass bereits verklungen ist und als ich das letzte Mal auf mein Handy gesehen habe, war es schon kurz nach zwölf.

Die Müdigkeit schießt mir urplötzlich schwer in meine Lider. Ich befinde mich gerade auf dem Rückweg einer Party zu der meine beste Freundin Dawn mich notgedrungen geschleift hat, doch ich hätte es keine Sekunde länger in dieser Trübsinnigkeit ausgehalten. Zwischen all den Menschen, die ich nicht mehr ertragen konnte.

Ich achte weiter auf die lange Straße, die endlos scheint und schüttele währenddessen meine Handgelenke ein wenig aus. Meine Glieder schmerzen von dem langen Tag. Ich brauche noch circa zehn Minuten auf dieser Landstraße, heraus aus der Stadt. Wir wohnen ein paar Kilometer außerhalb von Hudson. Mitten in der Pampa, wo die Nachbarn sogar erst nach einem langen Fußmarsch erreichbar sind.

Hudson, die Kleinstadt an deren Rande ich lebe, ist bekannt für ihre Einöde, bei der regelmäßige Tagesabläufe eine große Rolle spielen. Die Einwohnerzahl meiner Heimatstadt ist gerade einmal so groß, dass man sich schwer aber nicht unmöglich aus dem Weg gehen kann. Man kann sie praktisch an den Fingern abzählen.

Ein kleines Café ist der Kern unserer Stadt. Es liegt direkt neben der Kirche und ist umgeben von den Häusern aller dort lebenden Familien. Manchmal treffe ich mich dort mit Dawn nach der Schule, um meinen Lieblingskaffee zu trinken und mit ihr über mein stets langweiliges Leben zu schweigen. Dawn ist ganz anders als ich, viel impulsiver und stärker.

Manchmal frage ich mich, wie es dazu kam, dass wir Freunde wurden. Meine Gedanken schweifen ab zu einem wunderschönen Mädchen, dass gerade vor zwei Jahren neu in diese Stadt zog und sich ausgerechnet mit mir anfreundete. Dabei habe ich keinerlei Hobbys bei denen wir uns getroffen haben könnten. Ich weiß auch gar nicht mehr unter welchen Umständen wir uns kennenlernten.

Nur bin ich überglücklich sie an meiner Seite zu haben und fühle mich jetzt ein kleines bisschen schlecht, sie ohne jedes Wort bei Wallace, einem Basketballspieler aus der Stufe über uns, sitzen gelassen zu haben.

Mir war klar was passieren würde, wenn ich heute Nacht auf diese Party gehe und jede meiner schlimmsten Befürchtungen war eingetreten. Gerüchte und Tratsch verbreiten sich eben wie ein Lauffeuer. Das war das Problem in einer Kleinstadt wie Hudson.

Ich rase vorbei an Büschen und Nadelbäumen, die langsam ihre rot bemalten Blätter abwerfen. Ich muss so schnell es geht nach Hause, meine Gedanken sortieren und einen klaren Kopf bewahren. All das was Wallace auf der Party gesagt hat stimmt.

Ich will einfach nur weg und aus dieser Stadt fliehen, das ist bisher mein einziger Wunsch. Meine Finger umklammern tippend zur Musik das Lenkrad, sind aber dennoch angespannt. Denn es hätte nie soweit kommen dürfen, aber ich habe es trotzdem zugelassen. Also ist es meine Schuld und ich kann es unmöglich wieder gut machen.

Plötzlich wird mir auch irgendwie schlecht. Tatsächlich nicht wegen meines miserablen Fahrstiles, den ich mir vor kurzen in der Fahrschule angeeignet habe - den Führerschein habe ich dennoch geschafft - sondern viel mehr wegen der aufkommenden Gefühle, die sich an die Oberfläche meines Bewusstseins kämpfen. Ich beginne zu weinen und meine Wangen sind augenblicklich tränenüberströmt.

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⏰ Last updated: Mar 11, 2019 ⏰

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