Geschichtsstunde

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„Das hat er nicht wirklich gesagt."
Ein wenig fassungslos starrte Sabine Kanan an, als er den etwas sehr ausführlichen Bericht über die Mission beendete. Meister, Padawan und Mandalorianerin saßen zusammen im Gemeinschaftsraum der Ghost und während Kanan den Verlauf des Tages geschildert hatte, hatte die Teenagerin die für die Rebellion relevanten Informationen herausgefiltert und einen Missionsbericht in ihr Datapad eingetippt. Nun, da sie diesen Teil abgeschlossen hatte, drangen langsam auch die etwas weniger relevanten Infos in ihr Hirn, darunter Ezras offensichtlich makellose Geschichtskenntnis, welche sich bereits an seinem Kommentar bezüglich der Kampfdroiden erkennen ließ, bei dem sie im ersten Moment noch gedacht hatte, Kanan hätte ihn aus Spaß dazu erfunden, um Specter sechs zu ärgern. Dieser wirkte allerdings eher verlegen, während sein Meister seine Aussage noch einmal bestätigte.
„Doch hat er."
„Hat er nicht.", murmelte sie kopfschüttelnd und konnte es immer noch nicht so richtig glauben.
„Sabine ich war dabei.", beharrte der ehemalige Jedi und musste sich ein Lachen verkneifen.
Die Mandalorianerin schüttelte bloß dem Kopf.
„Wer ist Roger...", murmelte sie leise. „Das ist heftig, selbst für deine Verhältnisse.", fügte sie mit Blick auf Ezra hinzu, welcher nun noch verlegener wirkte und sich am Hinterkopf kratzte. In eben diesem Moment drang ein weiterer für den Bericht uninteressanter aber an sich ziemlich wichtiger Aspekt der Geschichte in ihr Hirn vor. „Bin sofort wieder da."
Einen Moment lang war sie aus dem Raum verschwunden, dann kam sie mit einem Verbandskasten zurück.
„Was willst du damit?", erkundigte sich Specter sechs ein wenig überrascht und sie verdrehte die Augen.
„Ach, da war nur dieses unwichtige kleine Detail in Kanans Bericht, laut dem du angeschossen wurdest.", betonte sie fast sauer, obwohl es eigentlich mehr Besorgnis und Frustration als Wut war. „Oberteil runter. Jetzt."
„Das würde ich ehrlich gesagt lieber lass-", begann er, aber da hatte sie schon damit angefangen, es selbstständig auszuziehen. Über den Kopf ging es noch problemlos, aber als sie den Stoff die Ärmel hinunter zog fing er an zu schreien. Ihm schossen die Tränen in die Augen. „AU, AU, AU, AU! Scheiße!"
„Ruhig atmen. Den Stoff mit dem Laser an der Haut anzubrennen war keine gute Idee, das musste ab, sonst hätte es sich entzündet, und das hätte dann noch mehr weh getan, versprochen.", mahnte sie, während er sich stöhnend den schmerzenden Arm hielt. Es war noch ein eindeutiger Abdruck von der Schusswunde zu sehen, der wahrscheinlich eine Narbe werden würde, und ein wenig blutete die Wunde jetzt auch. Als die Mandalorianerin so vorsichtig es ging die Wunde desinfizierte, musste sich der blauhaarigen Junge fest auf die Lippe beißen, um nicht wieder zu schreien.
„Ablenken? Bitte? Au.", bat er sie mit schmerzverzerrtem Gesicht und nach kurzem Überlegen kam ihr eine Idee, was sie tuen könnte.
»Aus den Infos von eben geht hervor, dass das sowieso dringend nötig ist...«, entschied sie, nahm das Desinfektionstuch von der Wunde und entsorgte es.
Dann strich sie vorsichtig eine Salbe auf seinen Arm. Wieder verzog er das Gesicht.
„Schau mich an, ja?", empfahl sie ihm, während sie selbst den Kasten nach einem Bacta-Verband durchkramte. „Weißt du, Ez,", fing sie an, als sie endlich fündig geworden war, und begann, den Verband so vorsichtig es ging um seinen Arm zu legen.
Der junge Jedi zuckte vor Schmerz zusammen. Das Problem war, dass der Verband trotz allem straff sein musste, wenn er halten sollte, und ganz ohne ihm weh zu tuen funktionierte das leider nicht.
„Autsch..."
„Wenn du nicht willst, dass ich dir weh tue, lass dich eben nicht ständig anschießen du Idiot.", warf sie ein, bevor sie mit dem fortfuhr, was sie eigentlich hatte sagen wollen. „Es wird dringend Zeit, dass ich dir mit deiner Schulbildung etwas auf die Sprünge helfe."
„Bitte sag mir du machst Witze.", stöhnte er, auf einmal zumindest etwas weniger konzentriert auf die Schmerzen in seinem linken Arm.
„Mit der Verletzung bist du aus der nächsten Mission sowieso raus, und ich denke ich setze auch eine Runde aus. Dafür lernen wir jetzt und erledigen die erste Mission zusammen, die aussteht, sobald dein Arm wieder in Ordnung ist. Kann doch nicht schaden, oder? Haben wir einen Deal?", harkte sie nochmal nach und grinste ihn an, während sie die Anmerkung »Bridger ist vorerst aufgrund von Verletzung nicht auf Missionen zuzuteilen« unter den fertigen Bericht tippte und diesen abschickte. Dann legte sie das Gerät ab und streckte Ezra ihre Hand entgegen.
„Du willst doch bloß Zeit mit mir verbringen, gib's zu.", zog er sie scherzhaft auf.
Sie verdrehte die Augen und musste ein wenig lachen, dann zog sie endgültig den Verband fest.
„Wenn du das schonst wird es wieder.", erklärte Specter fünf kurz. „Also? Was ist jetzt?", fragte sie nochmal.
Er seufzte und schlug ein.
„Gut, einverstanden."
Sabine wurde warm ums Herz. Am liebsten hätte sie seine Hand nie wieder losgelassen – die Mandalorianerin genoss dieses warme Kribbeln, das sich von ihren Fingerspitzen aus in den ganzen Körper ausbreitete.
Ihr Gegenüber verzog vor Schmerzen das Gesicht, als er den Arm zurück zog.
„Das war die falsche Hand..."
„Sorry, aber da habe ich jetzt mal spontan überhaupt kein Mitleid, daran bist du jetzt wirklich selbst schuld.", murmelte sie und musste sich das Lachen verkneifen.
„Okay, hast ja recht.", seufzte er. „Ab und an bin ich echt bescheuert.", fügte er mit schelmischem Grinsen hinzu.
Kanan, der die ganze Zeit über schweigend die Szene beobachtet hatte, verdrehte die Augen.
„Ich glaube ich lasse euch bei eurer Geschichtsstunde mal allein. Ihr braucht mich offensichtlich nicht mehr.", stellte er fest und stand auf.
Erst jetzt drehte Sabine den Kopf wieder zu ihm, sichtlich überrascht darüber, dass der ehemalige Jedi überhaupt noch anwesend war.
„Grüß Hera von mir, oder so.", rief sie ihm noch hinterher, als er aus dem Raum verschwand.
Er nickte, und machte anschließend, dass er wegkam. Der Jedi konnte sich deutlich schöneres vorstellen als noch einmal die Erinnerungen an Order 66 durchleben zu müssen, bloß damit Ezra erfuhr, was es damit auf sich hatte. Bei dem bloßen Gedanken schauderte es ihm. Kanan war sich relativ sicher, dass es Rex, was diese Sache betraf, nicht ganz unähnlich ging, weshalb er beschlossen hatte, den Klon vorzuwarnen den Gemeinschaftsraum fürs Erste zu meiden.

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