Miss Sophie

18.Kapitel

"Kann ich Ihnen helfen, Miss" rief Mr Kingsley, der sie eine Weile beobachtet hatte. Sophie, deren Kleid sich in einem Strauch verfangen hatte, blickte erschrocken auf.

"Hören sie auf, sich über mich lustig zu machen" rief Sophie verärgert zurück, als sie erkannt hatte, wer ihr zu Hilfe geeilt war.

Vorsichtig stieg Mr Kingsley den steilen Abhang hinunter, wobei er sich an Sträuchern und Bäumen vorbeischlängelte.

"Ich würde es niemals wagen mich über Sie lustig zu machen" erwiderte der junge Mann, "und jetzt lassen Sie mich Ihnen helfen."

Mit einem heftigen Ruck befreite er Sophies Kleid aus den Dornen, wobei der zarte Stoff langen einen Riss bekam.

"Was machen Sie um diese Uhrzeit und ohne Begleitung im Park?" vorwurfsvoll blickte Mr Kingsley seine nur um wenige Jahre jüngere Begleiterin an.

"Ich wüsste nicht, seit wann es Ihre Angelegenheit ist, wann ich mit wem, wohin gehe!" konterte Sophie und blickte ihm zornig in die Augen.

"Ich werde Sie nach Hause begleiten" behutsam half Mr Kingsley Sophie die steile Böschung zu erklimmen. Bei seiner Berührung zuckte Sophie zusammen. Ihr Verstand befahl ihr, ihre Hand so rasch wie möglich zurück zu ziehen, doch ihr Herz wünschte, dass er ihre Hand nie wieder los ließe.

"Vielen Dank Sir, aber ich ziehe es vor alleine zu gehen" rief Sophie und entriss ihm ihre Hand, "denn es wäre schicklicher alleine unterwegs zu sein, als mit einem Mann angetroffen zu werden, der eine solche Reputation besitzt wie sie, Sir."

"Was hat Sie nur dazu veranlasst Ihre Meinung über mich so plötzlich zu ändern" antwortete Mr Kingsley fassungslos.

Normalerweise war er kein Mann, der leicht aus der Fassung zu bringen war, doch in diesem Moment kochte in ihm nicht nur sein Zorn, sondern auch seine Leidenschaft und Liebe für diese junge Frau, die vor ihm stand. Und diese Gefühle vermischten sich in seinem Herzen zu einer explosiven Mischung.

"Ein Bericht von höchst alarmierendem und bestürzendem Inhalt hat meine Familie erreicht." Trotzig sah Sophie dem jungen Gentleman in die Augen und beobachtete seine Reaktionen.

Um Fassung ringend sagte dieser: "und welcher Vergehen werde ich bezichtigt?"

"Dass Sie einer jener schamlosen, verantwortungslosen und unzumutbaren jungen Männer sind, die sich einen Spaß daraus machen, junge, naive und unschuldige Mädchen zu verführen und diese dann in ihrer Schande und ihrem Elend alleine lassen" zischte Sophie zwischen zusammengepressten Lippen hervor und musterte ihn mit angewiedertem Blick.

Augenblicklich wich Mr Kingsley einen Schritt zurück, denn die harten Worte der jungen Frau hatten ihn ebenso schwer getroffen, wie der Blick mit dem sie ihn strafte.

"So denken Sie also von mir" fragte er fassungslos.

In seinem Kopf rasten die Gedanken. Er wollte ihr möglichst glaubhaft versichern, dass er eine solch verwerfliche Tat niemals begehen würde, doch gleichzeitig durfte er die Wahrheit nicht verleugnen. Dies sollte der erste Moment in seinem Leben sein, in dem er seinen Ruf als beschämend und seine wilde Vergangenheit als Bürde ansah. 

"Um ehrlich zu sein Sir, weiß ich nicht, was ich von Ihnen halten soll" gab Sophie zu und senkte den Blick zu Boden.

Mr Kingsley versuchte seinen stolz hinunter zu schlucken und antwortete: "es tut mir Leid, Miss Badford, wenn ich sie verwirre und ich werde versuchen mich Ihnen zu erklären."

Erwartungsvoll blickte Sophie dem jungen Mann in die Augen, in denen sich seine Besorgnis und sein Schmerz wiederspiegelten.

"Ich habe Ihnen bereits offen gelegt, dass ich keineswegs ein unschuldiger Knabe war. Und ich gebe offen zu, dass ich der Liebhaber einiger verheirateter Frauen gewesen bin. Doch jede dieser Frauen war alt und erfahren genug, um zu wissen, worauf sie sich einfließen. Und ich kann Ihnen versichern, dass keine dieser Frauen an einer Heirat mit mir interessiert gewesen sind, da jede von ihnen mehr oder weniger glücklich verheiratet ist. Das Vergehen, das sie mir zur Last legen, habe ich niemals begangen. Bei Gott und allen Heiligen schwöre ich, dass ich niemals im Stande wäre eine solche Tat zu begehen."