Kapitel VII - Zuhause

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Wir standen vor der großen, gläsernen Tür, die in mein neues Zuhause führen sollten. Der Schriftzug darauf sah aus wie ein „Z" mit einem Geschmiere darüber. Wir bewegten uns darauf zu und sie öffnete sich elegant wie bisher jede andere zur Seite. Ein großes Foyer trat zum Vorschein. Es gab nicht viel darüber zu erzählen, denn es glich der großen Halle des Sanatoriums, nur ohne die „Kassen". Wir stiegen in einen der fünf Lifte am Ende des Raums und sein Inneres ließ mich erstaunen. Hinter der halbrunden Glaswand war ein Aquarium. Das Blau des Wassers so rein, dass es schon fast ungesund aussah. Die ganze Fahrt über blitzten riesige Algen, Luftblasen und verschiedenste, farbige Fische vorbei. Ich wurde skeptisch. War das wirklich ein reales Aquarium oder doch nur irgendein Bildschirm oder doch irgendeine neuartige Technik? Gerade als ich die Finger an das Glas legen wollte, kamen wir zum Stehen und ich hörte ein „das ist unser Quinton." Ich wunderte mich, dass wir ohne Zwischenstopp hinauf gefahren waren, in einem so riesigem Gebäude müsste doch ein pausenloses Ein- und Aussteigen herrschen, auch wenn es noch so viele Aufzüge gab.

Die Türen waren bereits geöffnet und offenbarten links und rechts jeweils ein halboffenenes, kleines Stiegenhaus, das von etlichen anderen genutzt wurden. Die Treppen darin schlängelten sich in Ecken und mit zwei Podesten hinauf. Dahinter schien nichts als eine dunkle Wand zu sein. Syrelda bewegte sich in Richtung der rechten Stiege, anscheinend herrschte hier so etwas wie Rechtsverkehr, denn auf dieser ging man nur nach oben. Ich versuchte die vielen Gestalten zu unterscheiden, die sich hier bewegten, aber mir fiel nichts besonderes auf. Es gab sowohl jüngere als auch ältere, aber vom Körpergewicht schienen sie alle gleich zu sein, abgesehen von ihrem Körperbau. Sie wirkten fast wie normale Menschen, wären da nicht diese roboterhaften Bewegungen gewesen. Oben angekommen nahm mich Syrelda ein Stückchen zur Seite und begann zu sprechen: „Am besten gehen wir gleich ins Cenvig. Dein Zimmer siehst du ja später noch." Nachdem ich sie nur fragend ansah, redete sie weiter: „Oh, tut mir leid. Das Cenvig ist... naja früher hätte man wohl Cafeteria gesagt." Sie grinste mich erwartungsvoll an. „Oh, eines hätte ich fast vergessen." Sie legte ihre Hände auf meine Oberarme und riss plötzlich an meiner Bluse. Ich hörte etwas, ähnlich wie wenn man einen Klettverschluss löste. Nun stand sie mit meinen Ärmeln vor mir und meine lange Bluse war zur kurzen geworden. „Sieh mal, die kannst du einfach hier einhängen. Du kannst sie gar nicht verlieren." Sie fuchtelte an einer Schlaufe meiner Hose herum, legte danach ihre Hände kreuzförmig auf ihre eigenen Oberarme und wurde ebenso kurzärmlig. Als sie nun quasi entblößt war, blieb mir der Mund offen. Die gesamte Innenseite ihres rechten Oberarms war bedeckt von grauer Malerei. Sie strich noch einige Falten glatt und als sie ihren Blick wieder auf mich richtete, versuchte ich einen normalen Eindruck zu machen. Mit den Worten „komm schon" gingen wir in Richtung Cenvig.

Hier schien keine Tür zu existieren, also traten wir durch die große Öffnung und ich sah mich instinktiv um. Nach ein paar Metern Freiraum folgten Tische, die so lang wie der Raum und rundherum mit Bänken bestückt waren. Einige waren voll besetzt, auf anderen saßen hingegen sehr wenige. Der Raum selbst hatte dieselbe Höhe und unterschied sich auch sonst nicht sonderlich von den anderen Räumen, die ich im Sanatorium gesehen hatte. Nur eine der Wände schien bewegte Bilder zu zeigen, eine Art Fernseher vielleicht. Das hintere Ende mündete in weißem Glas, dahinter schien ein weiteres Zimmer zu sein. Im Vergleich zu den ganzen Menschen, die sich hier befanden, war es ziemlich ruhig.

„Komm wir holen uns etwas zu essen", sagte Syrelda und schlug nach rechts ein. Wir bewegten uns auf drei Konsolen zu, die jeweils einen Bildschirm und darunter einen Schlitz hatten. Ein paar andere standen an, hoben immer nur einmal kurz die Hand und gingen danach mit einem Tablett hinter der Konsole davon. Was darauf war konnte ich nicht erkennen, da sie immer gleich nach links Richtung Sitzgelegenheit gingen und außerdem oftmals von den Konsolen verdeckt wurden. Ich kam mir vor wie in einer Roboterfabrik. Und wer wusste woraus die Nahrung hier bestand? Vielleicht waren es Brot oder sogar nur ein paar Pillen. Alles was ich sehen konnte, waren ein Teller und ein hoher Becher mit halbrundem Schutz darauf. Ich erwartete mit Spannung was meinen Hunger hier stillen würde. Gerade als der letzte vor uns davonging, drehte sich Syrelda zu mir und fing wieder an zu reden: „Keine Angst. Sieh mir einfach zu. Du musst nicht viel machen. Stell dich einfach davor, warte fünf Sekunden. Danach kommt eine Auswahl von drei Gerichten, wovon du dir natürlich eines aussuchst. Danach erscheint den Tablett in der Ausgabe und du gehst einfach zu irgendeinem Tisch." Zum Abschluss lächelte sie noch und dann tat sie genau das, was sie mir erklärt hatte. Danach trat sie zur Seite und nun war ich an der Reihe. Es hörte sich wirklich nicht schwer an, also stellte ich mich ganz einfach davor und wartete. Plötzlich erschienen mein Name oben Links, mittig drei Bilder und darunter nur seltsame Zeichen die ich nicht zuordnen konnte. Ich hatte keine Ahnung, was auf dort abgebildet war, aber nachdem ich die anderen nicht aufhalten wollte - und vor allem nicht auffallen wollte - nahm ich einfach die goldene Mitte. Ein leises „tsch" ertönte und mein Tablett kam anscheinend von unten in die Ausgabe. Ich nahm es vorsichtig und drehte mich nach links. Ich erwartete, dass ich jetzt gemeinsam mit Syrelda zum Tisch gehen würde, aber sie war verschwunden. Panik flammte in mir auf. War das ihr Ernst? Sie konnte mich doch nicht einfach hier stehen lassen. Als ich hinter mir bereits wieder ein „tsch" vernahm, beschloss ich einfach weiterzugehen. Mit dem Tablett in der Hand bewegte ich mich nur sehr langsam voran, denn ich hielt Ausschau nach Syrelda und außerdem wollte ich nicht als Tollpatsch des Quinton dastehen, indem ich es fallen ließ. Verzweifelt suchte ich jeden Winkel der riesigen Tische ab, aber ich konnte sie nirgends finden. Entweder versteckte sie sich vor mir oder sie war durch den Boden gesunken, was ich der Technik hier durchaus zutrauen würde. Während meiner Suche fiel mir auf, dass nicht nur ich die graue Malerei hatte. Einige hatten gar keine, bei anderen sah es aus wie bei mir, wieder andere hatten den ganzen Arm verziert und bei wenigen ging sie sogar bis ins Gesicht. Da ich mich schon fast am hinteren Ende des Cenvig befand, setzte ich mich einfach auf die nächstbeste freie Stelle. Anscheinend hatte ich einen der weniger belebten Plätze erwischt. Neben mir saß ein Mann mittleren Alters, der aber, sofern er nicht aß, nur auf die Wand mit den bewegten Bildern sah. Erst jetzt kam mir in den Sinn, dass ich mein Essen noch gar nicht inspiziert hatte. Auf dem Teller vor mir lag einfach nur ein grüner Block, der genauso gut aus Plastik hätte sein können. Durch den durchsichtigen Schutz des Bechers konnte ich eine dunkelgrüne Flüssigkeit erkennen. Irgendwie verging mir bei diesem Anblick der Appetit.

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⏰ Last updated: May 18, 2017 ⏰

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Grau - Leben zwischen zwei WeltenWhere stories live. Discover now