8 & kleine Info

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Tim's Sicht

Unsicher stand ich vor meinem geöffneten Schrank, die große, halbvolle Reisetasche neben mir. Irgendwie wusste ich nicht, was mich so unsicher werden ließ. Hatte ich etwas vergessen? Irgendetwas wichtiges? Eine Sache, die so wichtig war, dass wenn ich sie vergessen würde, die zwei Wochen Ferien mit meinen besten Freunden der schlimmste Urlaub werden würde. Seufzend hob ich die hellbraune Tasche hoch, leerte sie genervt auf meinem nicht gemachten Bett und legte alles ordentlich nebeneinander. Die kurzen, abgeschnittenen Jeans neben die T-Shirts und Tanktops und die drei Pullover – die ich mitnahm, weil ich wusste, dass ich sie brauchen würde – darunter. Unterwäsche zählte ich ab, legte noch zwei Boxershorts mehr auf den Stapel und schmiss meine vier Handtücher daneben. Ein kleiner Kulturbeutel landete lieblos auf diesen und etwas überfordert legte ich mich auf das bisschen Bett, das neben dem Haufen noch übrig geblieben war. „Ich weiß einfach nicht, was mit dir los ist und es macht mich so sauer...", murmelte ich und musste mich zusammenreißen, nicht laut los zu heulen.

Grinsend machte ich einen Schritt auf Tobias zu, der am Auto stand und wahrscheinlich überprüfte, dass er alles, was er brauchte, eingepackt hatte. „Na?", lächelte ich, als ich meine Arme von hinten um ihn legte und ihn zufrieden an mich drückte. Ich wollte es ungern zugeben, aber ich hatte ihn schrecklich vermisst.

Seit einigen Tagen war auch Rafael in Köln und dieser war solange bei Tobi untergekommen. Ich hätte sie gerne für eine Nacht zu mir eingeladen, aber meine Wohnung war einfach zu klein um diese Beiden unterzubringen. Für einen hätte es gereicht, aber wann sah man sie mal nicht zusammen? Es war wie mit mir und Stegi: Wir waren nie alleine anzutreffen, waren immer zusammen und niemand konnte uns auseinander reißen. Nun gut, niemand außer wir selbst.

„Wann kommt Stegi, weißt du das? Holen wir ihn vom Bahnhof oder kommt er zu uns?", löcherte ich den Braunhaarigen mit meinen Fragen zu und so schnell hätte er gar nicht antworten können, da kam Rafael auf uns zu und legte mir einen Arm um die Schultern. „Er kommt in ungefähr einer halben Stunde. Solange kannst du deine Sachen ins Auto laden und uns mit den Einkäufen helfen."

Eine guten halbe Stunde und mindestens zehn Taschen und Tüten später, saß ich im Campingbus des Österreichers und nahm die ganze hintere Sitzbank ein. Das Licht der Straßenlaterne drang nur noch sperrlich in das Innere des Busses. Es war einfach eingerichtet, es wirkte wie eine Studentenbude: Es lag viel auf dem Boden – wobei das Meiste von Tobi war –, auch waren nicht viele Möbel vorhanden, in die man seine Sachen hätte packen konnte, aber es reichte völlig aus. Eine Spüle war links neben dem Bett und ein kleiner Gasherd mit zwei Platten breitete sich auf der restlichen Fläche aus. Auf der Sitzbank, auf der ich saß, würden Rafael und Tobi eine Woche schlafen, während Stegi und ich eine Woche in dem roten, ziemlich kleinen, aber für unsere Bedürfnisse ausreichendem, Zelt schlafen. Nach einer Woche würde dann gewechselt werden, wobei ich es am Besten fand, wenn ich mit meinem Schlafsack in einem der zwei Campingbänke schlafen könnte. Es war einfach am bequemsten, obwohl es ziemlich traurig aussehen musste, wenn ein junger Mann, total verrenkt auf einem Campingsitz vor dem Zelt schlief, aber es war einfach viel zu verlockend die Sterne anzusehen, wie sie wanderten oder einfach an ihrer Stelle blieben. Es war schon etwas Zeit vergangen und ich wurde immer nervöser, denn wir würden ungefähr 15 Stunden unterwegs sein und uns sicherlich die Zeit mit Spielen – Wahrheit oder Pflicht zu Beispiel – vertreiben. Zuhause hatte ich schon eine Menge an Musik und Apps gedownloadet, die uns bespaßen und, wenn ich fuhr, wachhielt.

Rafael und ich hatten einen Plan gemacht: Er würde vier Stunden fahren, dann würde ich vier fahren und dann wieder er. Den Rest der Strecke würde ich dann wieder übernehmen. Auch war ausgemacht, dass Tobias Rafael wach halten musste und Stegi mir in dem Fall zugeteilt wurde. Auch mussten Tobias und Stegi darauf achten, dass wir wenigstens eine kurze Tiefschlafphase hatten. Müde hatte ich meine Augen geschlossen, lag schon mehr auf der Sitzbank, die man zu einem Bett umfunktionieren konnte, als die Tür aufgeschoben wurde und der Blondschopf einstieg. Grinsend setzte ich mich auf und schloss ihn in meine Arme, ehe ich ihn auf meinen Schoß zog und seinen Duft einatmete. Es war immer so, wir rannten nicht schreiend aufeinander zu, sondern begrüßen uns wie enge Freunde, die sich nach langer Zeit wieder sahen – schließlich waren wir ja eigentlich genau das.

Etwas überrumpelt erwiderte der Kleine meine Umarmung und ich bekam nur am Rande mit, wie sich unsere zwei Freunde im vorderen Teil des Busses bequem machten und Rafael den Motor startete. „So Ladys!", lachte er. Man konnte spüren, wie sich seine Laune besserte, als er auf die Straße fuhr. Er liebte das Autofahren einfach. „Schnallt euch an, ihr Turteltauben." Rafael hatte dafür gesorgt, dass Tobias angeschnallt war, ehe er kurz in den Rückspiegel sah und seinen Blick wieder auf die Straße richtete, als er sah, dass ich gerade den kleinen Blonden angeschnallt hatte. „Wie geht's dir?", lächelte ich Stegi an, als wir schon eine Weile fuhren und vorne im Bus die Musik so laut war und unsere Freunde so sehr ablenkte, dass ich kurzerhand einen Arm um ihn legte. Eigentlich war mir ja klar, dass irgendetwas passiert sein musste und eigentlich wusste ich ja auch, dass er nur sagen würde, dass er Stress in der Uni hatte und verdammt müde war. „Besser, weil wir endlich wieder was zusammen machen, ohne diesen blöden Bildschirm." Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet und ich war mir einen kurzen Moment auch nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte, aber als er sich noch etwas mehr an mich lehnte, wusste ich, dass ich alles genau richtig verstanden hatte und er auch ehrlich war. Denn wenn ich etwas von Stegi wusste, dann, dass er, sobald er log, sich zurück zog, wenn er es denn konnte. „Ich bin froh, dass Tobi mich überrumpelt hat, Timmi." „Ach? Dich auch? Dieser Spinner, meinst du, er bekommt deshalb keine Frauen ab. Weil er sie überrumpelt, meine ich?" Augenblicklich wurde die laute Musik leiser gedreht und etwas ertappt sah ich nach vorne. Ein erleichtertes Seufzen war zu hören, ehe sich der Beifahrer zu uns umdrehte und grinsend bekannt gab, dass sie gleich etwas essen gehen würden und, wenn wir in der Öffentlichkeit waren, nicht rummachen sollten. „Wir haben nicht rumgemacht, Tobias.", knurrte Stegi sauer und wand sich aus meinem Arm, ehe er sich mit dem Rücken zu mir drehte und einen auf beleidigt machte. Das konnte noch etwas werden.

Die Nacht von Hetero auf Homo // Stexpert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt