+ Kapitel 3: So wait for me and I'll wait for you to call +

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Mai - Juli 2018


‚Hast du gerade Zeit?', riss Connor mich aus meiner Arbeitslethargie - ich bereitete gerade ein paar Sachen für die Uni vor, starrte aber die meiste Zeit eh nur frustriert auf die vielen Zettel, ohne etwas zu tun - und lächelnd drehte ich mich weg von meiner Arbeit, um ihm zu antworten.
‚Ja, bin zuhause und hab heute nichts mehr vor', erwiderte ich und wartete dann darauf, was kommen würde. Was er mir mal wieder erzählen wollte und was anstand. Als mein Handy dann aber anfing, in meiner Hand zu vibrieren, erstarrte ich.
Connor... Er rief mich an, er wollte wirklich mit mir reden und... und... Panisch drückte ich auf den roten Hörer und warf mein Handy auf mein Bett.
Ich wusste gar nicht so genau, wie lange ich dort saß und mein Handy anstarrte. Ich wusste auch nicht so genau, wann ich das letzte Mal in so eine Schockstarre verfallen war wie jetzt. Und ich wusste beim besten Willen nicht, warum. Ich... ich wollte doch mit Connor reden, ich hatte mir das heimlich so oft gewünscht, einfach da sitzen zu können und wie immer seinen Erzählungen zu lauschen, die dann wirklich mal Erzählungen gewesen wären, und ich wollte, dass er mir etwas vorsang, weil er mir so oft davon erzählte, wie gerne er sang. Und ich wollte wissen, ob man in seiner Stimme einen Akzent hören konnte, da er mir mal erzählt hatte, dass er ursprünglich aus Schottland kam und ich... Ich wollte ihn so gerne reden hören, aber im gleichen Moment hatte ich panische Angst davor. Ich hatte unfassbare Angst davor, dass sich etwas zwischen Connor und mir ändern könnte. Ich brauchte ihn und seine Nachrichten viel zu sehr, als dass ich mir das kaputt machen wollte, nur weil wir es nicht schafften, uns vernünftig am Telefon zu unterhalten und nachher würde alles den Bach runter gehen und ich würde ihn verlieren und...
Ich stand langsam auf, stolperte mit kleinen Schritten auf mein Bett zu und ließ mich dann darauf fallen.
Connor hatte mir viele Nachrichten geschrieben. Was denn los sei und ob ich doch nicht mehr mit ihm reden wolle oder ob irgendetwas passiert sei. Er hatte sich entschuldigt und er hatte nicht aufgehört mir zu schreiben.
Mein Herz schlug schnell, als ich Connors Namen anschaute und dann - zehn Minuten, nachdem er es bei mir versuchte - zurückrief.
Das Tuten drang laut in meinen Ohren und meine Hände zitterten. Ich fühlte mich wie ein Tier, das bald dem Schlachter vorgeführt werden sollte; und als Connor dann tatsächlich abnahm, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten.
„Die Hälfte haben wir jetzt schon mal geschafft", war alles, was er sagte. Und dies waren die ersten Worte, die ich jemals von ihm hörte. Ich schluchzte laut auf und eigentlich wollte ich gar nicht weinen. Es war doch so ein schlechter erster Eindruck, den er von mir bekam, und dennoch konnte ich mich nicht zusammenreißen. „Victoria? Ist alles okay?", fragte er nach und einen leichten Akzent konnte ich hören, wusste aber wirklich nicht, ob da nur seine schottische Herkunft reinspielte.
„Deine Stimme", brachte ich nur hervor und wollte, dass er einfach nicht aufhörte zu reden. Seine Stimme war so unfassbar ruhig und weich und sie wirkte so, als ob er das, was er da sagte, auch genau so meinte.
„So schlimm?", hakte Connor nach und man merkte Belustigung in seiner Stimme mitschwingen.
„Nein. So warm, so ... schön", war alles, was ich sagte, und ich schniefte. „Ich fühle mich gerade echt nicht wie 25, sondern eher wie pubertäre 16", setzte ich dann noch hinzu und Connor lachte ein wenig stärker. Und ich liebte sein Lachen jetzt schon, es war so warm und ... schön wie seine Stimme und es wärmte einen von innen heraus, wenn sowas überhaupt möglich war.
„Du glaubst nicht, wie lange ich vor meinem Handy saß und auf diesen dummen grünen Hörer gestarrt habe, in der Hoffnung, dass er sich von selbst drückt", erklärte er und auch ich lachte auf, unter Tränen, die einfach nicht versiegen wollten.
„Bereust du es?", fragte ich mit heiserer Stimme und schniefte erneut.
„Auf keinen Fall!", erwiderte Connor sofort und ich musste trotz all der Tränen lächeln. „Und ich wollte dir was erzählen, ich hoffe, ich störe nicht all zu sehr", setzte er hinzu und war dann genau so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Mit dieser Motivation und Begeisterung in der Stimme.
Und natürlich störte er nicht, er würde niemals und nimmer nie stören, vor allem nicht am Telefon mit so einer Stimme und so einer guten Laune.
Und erzählte mir viel, von seinen nervigen Eltern und seinen nervigen besten Freunden und davon, dass es ihm allein schon dadurch besser ging, dass er mit mir reden konnte und dass ich da war und ich glaubte, ich war selten glücklicher gewesen.

Half way there (Connor Ball)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt