Kapitel 11 - Das "Hochkante"

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PoV Jay

Mein gestriger Plan war gewesen, mich heute direkt nach dem Aufwachen hinauszuschleichen. Was sich dann allerdings heute mit der Tatsache, dass ich um halb neun aufgewacht war, nicht als die cleverste Idee rausgestellt hatte. Ich konnte ja wohl kaum um neun vor Palle's Haustür aufkreuzen, mal abgesehen davon, dass ich ziemlich sicher war, dass er an einem Sonntagmorgen um diese Uhrzeit noch nicht mal wach sein würde. Also hatte ich meinen gestern in voller Erschöpfung gebastelten Plan über den Haufen geworfen und einmal neu strukturiert. Ich würde noch eine Weile in meinem Zimmer bleiben, eventuell noch schnell etwas frühstücken und dann mit dem wohl größten und zeitaufwendigsten Umweg zu Patrick laufen.

Zu meiner Überraschung jedoch war die Küche um halb zehn nicht wie sonst gähnend leer, sondern von meinem rotierenden -hoffentlich niemals Stiefvater- eingenommen. Und kaum, dass er mich auch nur aus dem Augenwinkel gesehen hatte, bekam ich auch schon gleich unzählige Befehle an den Kopf geworfen. Das: „Wie schön, das du schon wach bist", war eher nebensächlich und ging zwischen dem: „Stell doch schon mal Teller und Tassen auf den Tisch", sowie dem: „Hol mir mal das Salz", gänzlich unter. Damit war nun also auch mein Plan B durchkreuzt worden. Also hieß es, spontan Plan C zu erfinden. Einfach mitmachen, unauffällig bleiben und ja nicht den Verdacht erwecken, dass ich mich direkt nach dem -jetzt eben doch gemeinsamen- Frühstück direkt von hier verkrümeln werde.

Und was ich somit die nächste halbe Stunde gelernt hatte, war, dass Steffen weder in der Lage war, unseren Backofen zu bedienen, noch selbstständig Gewürze aus den Schränken zu holen. Eins musste ich ihm jedoch lassen. Sein Omelett schmeckte wirklich gut. Auch wenn ich bisher nur selten Omelett zum Frühstück gegessen hatte. Meine Mutter schien ebenfalls höchst erfreut darüber, was wohl aber auch an der Tatsache lag, dass ich mitgeholfen hatte, das Zeug zuzubereiten und sie jetzt dem Anschein nach der Meinung war, dass ich und Steffen ab sofort beste Freunde fürs Leben sein müssten.

Ich beteiligte mich nicht groß am Frühstücksgespräch, solange ich nicht direkt angesprochen wurde, hielt ich es auch nicht für nötig meinen Senf dazu zu geben.

Nachdem ich dann letztendlich noch geholfen hatte den Tisch wieder abzuräumen, begab ich mich bewusst auffällig zurück in mein Zimmer um dort ein paar Sachen einzupacken, sowie mein Handy zu holen. Als ich mir dann sicher war, dass die beiden Erwachsenen beschäftigt waren schlich mich leise in Richtung Flur um in rekordhaftiger Langsamkeit meine Schuhe anzuziehen, die Jacke überzustreifen und den Rucksack aufzusetzen. Alles natürlich ohne unnötig viele Geräusche zu machen. Und dann, fast schon in quälender Zeitlupe öffnete ich die Tür, durchgehend mit der Angst, dass jeden Moment jemand vor mich treten und mich zur Rede stellen könnte. In genau dem selben Tempo schloss ich sie auch wieder, als jedoch die Klinke im letzten Moment ein in meinen Ohren unnatürlich lautes Klacken von sich gab, warf ich alle Vorsichtsmaßnahmen über Board und sprintete nach draußen.

Weg. Weit weg. Erstmal außer Sichtweite. So weit weg, das die Gedanken verblassten und der Kopf aufhörte zu arbeiten. Die Kontrolle an das Herz übergab. Und so rannte ich. Wie eine Irre. Als ich stehen blieb, erkannte ich den bekannten Park um mich herum, spürte die stechende Luft, die in meinem brennenden Hals eh kaum noch einen Unterschied mehr machte. Man merkte so langsam, dass es Winter war. Die Jacke die ich anhatte, war gerade so ausreichend, um der Kälte entgegen zu wirken. Deutlich ruhiger lief ich ein paar Schritte weiter, genoss die frische Luft, schaute noch einmal auf mein Handy um die Uhrzeit in Erfahrung zu bringen. In etwa halb zwei. Wie lange hatten wir denn eigentlich bitte gefrühstückt?

Jedenfalls war das nun immerhin eine Zeit, in der ich davon ausgehen konnte, dass Patrick schon wach war. Ich sendete ihm kurz eine Nachricht, ob es in Ordnung wäre, wenn ich in der nächsten halben Stunde aufkreuzen würde, was er prompt bejahte. Und damit lief ich, inklusive des ein oder anderen Umwegs, gemütlich in Richtung meines Ziels.

PoV Palle

Es war ziemlich genau 14 Uhr, als es an der Haustür klingelte und Tim, der bereits seit einer Viertelstunde hier war, wie ein Hund auf Drogen zur Tür sprintete. Mit einem üblichen 'From the Future' Witz grüßte er durch die Gegensprechanlage und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie Jay darauf reagiert haben musste. Insgesamt waren Tim und ich gemeinsam wohl nicht unbedingt das, was man sich unter einem typischen Menschen in den zwanziger Jahren vorstellen würde.

Nach einigem „Wie-lautet-das-Passwort" hin und her hatte Bergi sie dann endlich doch hereingelassen. Als sie oben ankam sah sie Tim erstmal mehr als skeptisch an, bevor sie sich an ihm vorbeidrängte um mich zu Begrüßen. Mit einem Schmollmund sah der Blonde ihr nach: „Ich hatte dich irgendwie netter in Erinnerung." „Und ich dich unkomplizierter", konterte sie beiläufig und der Angesprochene tat vollkommen entsetzt.

„Gut Leude, die Konsolen sind schon an, wir könnten dann also direkt spielen", versuchte ich die Beiden zum mitkommen zu bewegen, doch Tim blockte direkt ab: „Hallo ich möchte bitte auch noch begrüßt werden." Keiner regte sich. „Ja gut, dass nächste mal eben mit nem einfacheren Passwort..." Jay zog eine Augenbraue hoch. „Okay, ist ja gut, ohne Passwort, das nächste Mal ohne Passwort!" Nun löste das Mädchen sich aus ihrer Starre und lief auf die ausgestreckte Hand des einiges größeren Mannes zu. Dann schlug sie ein, wobei Tim sie gekonnt zu sich rumzog, dass er sie dazu verleitete, einen dieser Schulter-an-Schulter (kann mir jemand sagen ob's dafür 'nen Fachbegriff gibt?) Check-Begrüßungs-was-auch-immer zu machen.

„Hi. Schön dich wieder zu sehen.", er grinste sein typisches Bergmann Grinsen. Und Jay wirkte, trotz des ebigen Körperkontaktes erstaunt entspannt und fröhlich. Ich musste zugeben, in diesem Moment war ich ein klein wenig neidisch auf meinen Kumpel.

PoV Jay

An sich machte das Spielen, bzw. Zocken wie man es als coole, total sich mit Videospielen-Auskennende Person wie ich sie natürlich war, sagte, wirklich Spaß. Obwohl ich ehrlich gesagt keine Ahnung hatte was genau ich hier eigentlich tat. Ich wusste nicht mal was für ein Spiel ich hier spielte, ich wusste nicht, was das Ziel war, ebenso wenig kannte ich den Sinn, ich war froh mittlerweile wenigstens verstanden zu haben, wie ich meine Spielfigur fortbewegte. Das war nunmal doch ein bisschen was anderes als damals, als ich mit Hannah gemeinsam Nachmittags auf ihrer Wii Mario Cart gespielt hatte...

Dennoch musste ich mir alle paar Sekunden von den... in diesem Fall mal nicht allzu hilfsbereiten Jungs Tipps holen, wobei Tim mir freundlicherweise etwas mehr zur Seite stand.

Wir waren gerade in einer etwas hektischen Spielphase angelangt, als ich wirklich vollkommen den Überblick verlor. „Leute... was muss ich jetzt machen, wo soll ich drauf drücken!?" „Du musst auf das Viereck drücken!", kam es seitens Palle. Hektisch suchte ich das Gerät in meinen Händen nach einem Viereck ab: „Palle da sind zwei Vierecke! Du musst präziser werden!" „Ja drück auf das Hochkante!" Ich wusste beim besten Willen nicht, welches Viereck bitte „hochkanter" sein sollte... „Das Quadrat oder die Raute?" In dem Moment begann mein Handy zu klingeln. Und ich wusste, dass ich dort eigentlich rangehen sollte. „Hallo, Quadrat oder Raute?" In dem Moment war es schon zu spät, meiner Spielfigur wurde nun auch die letzte Lebensenergie geraubt und ich begab mich seufzend mitsamt meines Handys aus dem Raum.

Meine Mutter hatte wohl erwartet, dass ich mich, nachdem ich eigentlich tatsächlich recht unauffällig geflohen bin, selbst bei ihr melde. Und nachdem das natürlich nicht passiert war, hatte sie sich wohl doch selbst dazu durchgerungen.

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Ja... lange ist's her... ich muss gestehen, mir waren die vorgeschriebenen Kapitel ausgegangen und gleichzeitig war ich in einem gewissen Kreativitäts-Loch was diese Geschichte anging, deshalb hab ich erstmal wieder ein bisschen vorgeschrieben, bevor ich weiter veröffentliche, damit ich die Kapitel weiter regelmäßig bringen kann

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