Eins

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Langsam rutschte ich vom Motorradsitz und richtete mir noch einmal mein Kleid und die Frisur. Jay stieg herunter und schenkte mir ein schiefes Lächeln. ,,Mach dir keinen Kopf, Lace. Du siehst toll aus.'' Ich lächelte leicht zurück und hackte mir meine Tasche über die Schulter.

,,Na komm schon.'' Ich schlug ihm leicht gegen die Schulter und lief lachend vor.

Das Schuljahr war fast rum und dann würden unsere wirklich wahren Verpflichtungen auf uns zukommen. Keine Hausaufgaben oder Klausuren mehr, sondern nur noch die Jagd. Nein, keine Jagd nach Jobs oder Plätzen an einer guten Universität, sondern eine Jagd nach dem Übermenschlichen. Eine Jagd, die die Nightfighter schon seit mehreren Jahrzehnten, sogar Jahrhunderten begleitet. Und nein, ich habe mir das Leben eines Nightfighters nicht ausgesucht. Es wurde mir in die Wiege gelegt. Genauso wie Jay. Er hatte mir früher als wir noch Kinder waren erzählt, dass er davon träumen würde eines Tages Koch zu werden. So als Plan B, wenn das mit dem Nightfighter sein nicht klappen würde. Und dann hatten wir gelacht. Gelacht, weil wir wussten, dass es keinen Plan B für uns geben wird. Gelacht, weil Plan B einen Verrat unsererseits bedeuten würde. Gelacht, weil Plan B eine lebenslange Flucht oder gar den Tod bedeuten würde. Aber das würden wir nicht tun. Das tut kein ehrenvoller Nightfighter. Er befolgt die Vorschriften und tut alles in seiner Machtstehende um die Menschheit vor den bösen Nachtwesen zu beschützen. Das ist das wofür wir leben oder auch sterben. Dafür wurden wir geschaffen und ausgebildet.

,,Hey, Lacey!'' Kat stand an den Schließfächern und knallte gerade ihre Tür zu als sie mich in der Menschenmaße entdeckte. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie grinste von einem Ohr zum Anderen. ,,Hey.'' Sie umarmte mich etwas zu stark, ließ mich dann aber wieder los um meinen Arm zu greifen. ,,Hast du schon den heißen Neuen gesehen?'' Das erklärte ihre Aufgeregtheit. Ich verdrehte kurz die Augen und begab mich wieder Richtung Klassenzimmer, wo mich die quirlige Blondine nun begleitete. ,,Das darf man sich als eingefleischte Männerliebhaberin nicht entgehen lassen, Lacey. Er ist wirklich ein Prachtexemplar eines Kerls. Man bekommt nur bei seinem Gedanken weiche Knie.'' ,,Und ein weiches Hirn'', begegnete ich kleinlaut. Kat schnalzte missbilligend mit der Zunge, setzte aber wieder an ihrer Schwärmerei an, während wir in unseren Klassenraum einbogen. ,,Groß, gut gebaut, dunkle Haare – er wäre genau dein Typ. Mysteriös ...'' ,,... und ein Arschloch'', schnitt ich ihr das Wort ab. Der Typ, auf den die Beschreibung eins zu eins passte, saß auf meinem Platz und hatte gerade ein sehr intensives Gespräch mit dem Oberhaupt des Cheerleader-Abteils, Britney Huber. Es war wirklich widerlich, wie sie an ihm hang und seine Lippen beobachtete, als würde sie nur auf die magischen Worte warten, die ihr eine Session mit Mister Perfect verschaffen würden. Kat war genauso angetan von ihm, aber mir war er wirklich egal. Nun ja, er sah schon ziemlich gut aus, das ließ sich nicht abweisen, aber ich wollte an solch einem frühen Morgen nur meine Ruhe haben. Bevor ich meiner Wut Luft machen konnte, drehte er den Kopf zu mir um und musterte mich von unten bis oben. Seine Augen fixierten sich auf mich, ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen und mir wurde sofort unwohl. Ich schüttelte meine Gänsehaut ab und konterte mit einer gerunzelten Stirn und verschränkten Armen.

,,Na Püppchen?'' Seine smaragdgrünen Augen begutachteten langsam mein Gesicht und fanden wieder ihren Weg zu meinen. ,,Du sitzt auf meinem Platz'', raunte ich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mir etwas komisch war.

,,Ist doch kein Thema, du kannst dich auch liebend gerne auf meinen Schoß setzen.''

Er verschränkte die Arme hinter den Kopf und lehnte sich in meinem Stuhl zurück.

,,Na komm schon, verzieh dich.'' Ich klappte sein Buch zusammen, das offen auf meinem Tisch lag und funkelte ihn nun wütend an, endlich wieder Halt gefunden.

Seine Augen verrieten eine Verwunderung und Verwirrung seinerseits. Er blinzelte mir kurz entgegen, bevor er mich erneut scannte. Sein Blick blieb an meiner Kette hängen, die ich von meinen Eltern zum 12. Geburtstag geschenkt bekommen hatte und die für angehende Nightfighter stand. Sie besaß das Symbol eines Kreislaufes der vier Elemente und beschütze den Träger vor übernatürlichen Einwirkungen. Ich berührte sie und die Augen des Typs wanderten sofort wieder zu meinen. Er verfiel in ein leises Lachen und erhob sich von meinem Stuhl.

The NightfightersWhere stories live. Discover now