„Doch, hast du ja anscheinend." Sie klang gekränkt.

Ich atmete tief durch. „Das war nicht so gemeint. Ich habe momentan einfach nur so viel um die Ohren."

„Das kann ich sehen", stellte sie nüchtern fest.

„Mom, der Junge auf dem Bild hat mir Gitarrenunterricht gegeben, weil meinem Gitarrenlehrer kurzfristig etwas dazwischen gekommen ist, nur dummerweise war die Haustür verschlossen und Niall konnte nicht anders ins Haus gelangen."

„Und das soll ich dir glauben?" Ich wusste genau, dass sie skeptisch ihre Augenbrauen zusammen zog.

„Glaub doch, was du willst", grummelte ich. „Am besten dem, was in dem Scheißartikel steht!" Es kostete mich alle Kraft, nicht aufzulegen und mein Handy gegen eine Wand zu schmeißen. Ich hasste es, wenn eine mir nahstehende Person mir auf Grund eines verdammten Zeitungsartikel oder Fernsehbericht nicht glaubte. Ich hasste es wie sonst was und es war schon so verdammt oft vorgekommen.

„Schatz, ich glaube dir doch", entgegnete Mom seufzend. „Aber falls es etwas gibt, was du mir erzählen möchtest..." Sie ließ den Satz in der Luft hängen und bei mir brodelten alle Fässer über.

„Ich habe nichts mit dem Typen und werde es auch nie haben", schrie ich schon halbwegs in den Hörer und presst die rote Taste, bevor ich mein Handy wutentbrannt gegen mein Kopfkissen schleuderte und mich hinterher fallen ließ. Mir war einfach nur nach heulen zu Mute.

„Al?" Ich vernahm Phoebes zaghafte Stimme von der Tür und ein gefolgtes, sanftes Klopfen gegen das Holz.

„Verschwinde", brüllte ich und vergrub mein Gesicht im Kissen, welches sofort meine Tränen aufsaugte und sie nasse Flecken auf dem Stoff hinterlassen ließ.

„Al, es tut mir leid", drang Phoebes Stimme gedämpft durch die Tür. „Kann ich bitte mit dir reden?"

„Nein", schrie ich und setzte mich ruckartig auf, um meine Kopfhörer zu suchen, sie in mein Handy einzustöpseln und meine Musik so laut zu drehen, dass ich das Flehen meiner Mitbewohnerin nicht mehr mitbekam.

Mein Handy vibrierte und zeigte eine neue Nachricht an. Mit zitternden Fingern öffnete ich sie und versuchte, die Buchstaben durch meinen Tränenschleier hindurch zu entziffern.

Geht's dir gut?, hatte Niall geschrieben und noch einen lachenden Smiley hinten dran gehängt.

Ehe ich mich versah und ohne nachzudenken hackten meine Fingerspitzen auf meine Tastatur ein. Nein.

Mein Handy wurde wieder neben mich geschleudert und mein Körper auf die Matratze, bevor mich so etwas wie ein Nervenzusammenbruch überrollte und mich mindestens zehn Minuten lang weinen ließ. Ich unternahm nichts dagegen, meine Tränen zu stoppen. Ich ließ sie laufen und mit ihnen alles was mich bedrückte. Ich musste es raus lassen, sonst würde ich irgendwann später noch mehr daran zerbrechen.

Den Rest des Wochenendes verbrachte ich damit, mich in meinem Zimmer zu verbarrikadieren, Bücher zu lesen und Skripte auswendig zu lernen, jedenfalls die Szenen die mich betrafen.

Und ich schrieb mit Niall.

Dass meine Handyrechnung durch die unzähligen SMS enorm in die Höhe steigen würde, war mir bewusst, aber gleichzeitig so was von egal. Für irgendwas musste meine hohe Gage ja nützlich sein.

Im Moment hatte ich einfach nur das Gefühl, dass er der einzige Mensch war, der mich verstand. Jedenfalls was meinen Streit mit meiner Mom wegen dem Zeitungsartikel betraf. Aber wo er schon mal dabei war, mir zuzuhören, schüttete ich ihm gleich mein ganzes Herz aus. Mir war egal, dass ich ihn kaum kannte, aber die Tatsache, dass er versuchte mich wieder aufzubauen, tröstete mich auf eine gewisse Weise ungemein. Ich wusste nicht, wie er es anstellte, aber er schaffte es tatsächlich, mich auf andere Gedanken zu bringen, indem er die sinnlosesten und irrsinnigsten Nachrichten aller Zeiten schrieb. Genau das gab mir dieses Gefühl von Trost. Zu wissen, dass ich ihn mit meinen Problemen nicht nervte. Auf jeden Fall gab er keine Antworten, die es so aussehen ließen, als ob er mich am liebsten abschieben wollen würde.

Ich legte das seitenlange Skript beiseite, das mit sowieso schon den letzten Nerv raubte und meine Geduld auf eine harte Probe stellte, um meine neue SMS zu lesen.

Wusstest du, dass ich keinen Handstand kann?

Ich schüttelte grinsend den Kopf, während ich eine Antwort eintippte. Ich weiß nicht, wieso, aber das hätte ich mir fast denken können.

Seufzend wendete ich mich wieder dem komplizierten Dialog dreier Personen und versuchte mir einzuprägen, wer wann was sprach und wann ich meine Einsätze hatte, die ich auch noch auswendig lernen musste. Aber wenigstens hatte ich meine Sätze größtenteils in meinem Gehirn eingeprägt. Nur noch ein paar Mal durchgehen, dass müsste ich wenigstens das fehlerfrei über die Runden bringen können.

Mein Handy machte sich abermals bemerkbar. Ich wette, du kannst auch keinen.

Oh doch, und ob! Aber nur, weil ich es für meine Serie brauchte.

Irgendwie habe ich das Gefühl, du beherrscht alle guten Sachen nur auf Grund deiner Serie...

Zu irgendwas muss sie ja auch gut sein ;)

Stimmt. Es kann ja nicht sein, dass sie dich nur runterzieht.

Sofort holten mich die Gendanken der Realität wieder ein. Der Streit mit Phoebe und meiner Mom, mein kleiner Nervenzusammenbruch. Ich hob meinen Kopf und starrte mein Spiegelbild in der Fensterscheibe an. Draußen war es bereits stockdunkel und nur ein paar erleuchtete Fenster von dem Haus gegenüber zeichneten sich klar in der Dunkelheit ab.

Meine Haare waren unordentlich und hatten sich in vereinzelten Strähnen aus meinem Pferdeschwanz gelöst. Meine Augen wirkten müde und sahen immer noch geschwollen von dem vielen weinen aus. Ich glaubte sogar, meine Augenringe in der Fensterscheibe erkennen zu können.

Das Vibrieren meines Handys löste mich aus meiner Starre. Benommen blickte ich auf den Bildschirm. Sorry, falsches Thema. Aber ich glaube, du solltest am besten so langsam ins Bett gehen und dich ausschlafen und erholen.

Schön wär's... Ich muss morgen um sieben Uhr aufstehen.

Na dann wird es ja Zeit! Ab ins Bett mit dir! Schlaf gut und träum von deinem eigenen kleinen, verrückten Wunderland. :)

Unwillkürlich musste ich Lächeln. Wie schaffte er es, meine Trauerstimmung von einem Augenblick auf den anderen zu verscheuchen?

Ich versuch's. Gute Nacht! :)

Damit war unsere heutige Konversation von 246 Nachrichten erfolgreich abgeschlossen.

Ich knipste meine Schreibtischlampe aus, stand auf und streckte mich. Ich hatte bestimmt für gute drei Stunden hier gesessen und mich nicht vom Fleck bewegt.

Unmotiviert griff ich nach dem leeren Pizzakarton, um ihn im Müll zu versenken. Ich hatte mir extra eine Pizza bestellt, um Phoebe den ganzen Tag meiden zu können und hatte nur mein Zimmer verlassen, um diese entgegen zu nehmen.

Trotzdem plagte mich so langsam das schlechte Gewissen, dass ich ihr keine Chance gab, mit mir zu reden und vielleicht irgendetwas zu erklären. Immerhin hätte ich sonst nie Kontakt zu Niall aufgenommen und auch nicht die nötige Unzurechnungsfähigkeit besessen, ihm, betäubt von meinen ganzen Gefühlen, mein Herz auszuschütten.

Als ich nach dem Zähneputzen wieder aus dem Bad heraus kam, wanderte mein Blick zu der halb geöffneten Wohnzimmertür, hinter der Phoebe saß und sich irgendetwas im Fernsehen anschaute. Für einen Moment überlegte ich, sie alles erklären zu lassen, aber dann machten sich meine Müdigkeit und meine Kopfschmerzen wieder bemerkbar.

Leise schlich ich in mein Zimmer zurück und kuschelte mich unter meine Bettdecke. Phoebe konnte ruhig noch einen weiteren Tag auf die Folter gespannt werden, damit sie klar und deutlich aus ihrem Verhalten und dessen Folgen lernte.

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