Cillies Morgengabe - Teil 1

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Im ersten Stock lief sie zu ihrem Kinderzimmer. Alle waren sich einig, dass es das schönste Zimmer auf Krähenhof war, und so hatte Laila es dem Brautpaar überlassen.

Schon auf dem Flur hörte sie die Musik. Eine rauchige Frauenstimme sang in der Sprache der Krähen ein schwermütiges Liebeslied.

Cillie saß auf dem Boden, mit dem Rücken gegen das zerwühlte Bett gelehnt, und kraulte Zarah hinter den Ohren. Die alte Hündin hatte sich tatsächlich die Stufen hinaufgequält, um Cillie Gesellschaft zu leisten.

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch blieb Laila im Türrahmen stehen. Ihre Tante sah traurig aus; ganz anders als die Märchenbraut, die sie gestern gewesen war. War der unerfahrene Ehemann grob zu ihr gewesen?

„Bist du in Ordnung?"

Beim Klang Lailas Stimme war Cille zusammengezuckt. Sie wischte sich über die Augen.

„Komm, setz dich zu mir, Liebling. Ich bin alleine."

„Ich hörte davon." Laila runzelte die Stirn. „Habt ihr euch gestritten?"

Cillie streichelte den Hundekopf in ihrem Schoß und schüttelte den Kopf. „Lorenzo musste zurück in den Palast."

„Aber eure Hochzeitsnacht! Selbst unser Stier darf länger bei seinen Kühen bleiben."

„Auf den warten keine Amtsgeschäfte." Cillie schnäuzte sich in ihr Taschentuch und klopfte neben sich auf den Teppich.

Zögernd kam Laila der Aufforderung nach. Als sie sich niedergelassen hatte, drückte Cillie sie an sich.

Die Umarmung war von beiden Seiten gleichermaßen innig. Es war lange her, dass ihre Mutter sie umarmt hatte, und Laila sog die Zärtlichkeit in sich auf.

Cillie drückte ihr einen Kuss aufs Haar und musste sich Luft zufächern.

„Puh!"

Laila grinste entschuldigend. „Ich bin den Mammuten nachgeritten."

„Das rieche ich. Hast du keine Angst?"

„Wovor sollte ich Angst haben?"

„Durch die Wälder streunen immer noch Giganten."

„Ach, die sind doch harmlos."

„Du hast sie nie kämpfen sehen", murmelte Cillie und strich Laila eine Locke hinters Ohr.

Zwischen ihren Körpern protestierte das Baby. Sie lösten sich voneinander.

Laila tätschelte Bennie den Rücken und blickte sich in ihrem Zimmer um. Auf dem Nachttisch hatte Cillie eine Götzenfigur aufgestellt: Eine Göttin, geschmückt mit Pfauenfedern und einem Apfel in der Hand. Auf den Dielen lag das Brautkleid, ein Hügel aus Tüll und Seide, und im Erker drängten sich Hochzeitsgeschenke.

„Das war eine schöne Hochzeitsfeier", sagte Laila. „Das schönste Fest, das wir je auf Krähenhof gehabt haben. Ach Cillie, es tut mir so leid, dass es so für dich geendet ist."

„Es ist in Ordnung, Schatz. Lorenzo und ich wussten, dass für Flitterwochen keine Zeit bleibt."

„Warum bist du nicht mit ihm zurück?"

Cillie rang sich zu einem wässrigen Lächeln durch. „Ich wollte noch eine Weile bei euch bleiben."

Irgendetwas musste zwischen den Frischvermählten vorgefallen sein. Heute Morgen wirkte Cillie auf Laila mehr wie eine Schwester als die Politikerin, die sie war.

Laila hatte sich die Blitzhochzeit so erklärt, dass Cillie sich Hals über Kopf verliebt hatte. Jetzt überlegte sie erstmals, wie alt ihre Tante eigentlich war. Cillie war die jüngere Schwester ihrer Mutter, und mit ihrer filigranen Figur und den Sommersprossen schätzte Laila sie bloß wenige Jahre älter als Irmgard.

„War eure Hochzeitsnacht so enttäuschend?"

Cillie wippte mit dem Kopf und wischte Rosenblätter weg, die vom Bett gerutscht waren.

„Aber es war nicht wirklich euer erstes Mal, oder?"

„Denkst du, ich kaufe die Katze im Sack?"

„Derek sagt, dir sei alles zuzutrauen."

Cillie lachte matt. „Aus Dereks Mund ist das beinah ein Kompliment."

Ein letztes Mal drückte sie Lailas Schulter, dann rappelte sie sich auf. Zarah seufzte ergeben und bettete ihren Kopf auf den Teppich.

Laila spürte, dass Cillie nicht länger über ihre Hochzeitsnacht sprechen wollte. Wenn ihre Tante früher nach Krähenhof gekommen war, hatten sie einander alles anvertraut. Jetzt war alles anders. Cillie war nun verheiratet und auch in Lailas Leben gab es Dinge, über die sie lieber mit Mai sprach.

Cillie ordnete ihren Morgenmantel und setzte sich an den Schminktisch. Sie streifte einen Seidenhandschuh über und legte ihre Hand auf den Spiegel. Die Musik stoppte und in Cillies Spiegelbild blendeten Daten ein.

In Lailas Armen wurde Bennie ungeduldig. Sie zog den Reißverschluss auf und legte den kleinen Jungen an ihre Brust. Schmatzend begann er zu trinken.

Prinzessin der Krähen *pausiert*Where stories live. Discover now