Doppelseitig

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Du liebst diese Abende. Jene, die mit Vorglühen Zuhause beginnen und durch gemeinsames Einschlafen in fremden Betten enden. Alkohol. Exzessiver Trip im Rausch der nicht enden wollenden Musik. Abgehackte Tanzbewegungen im chronischen Licht des Stroboskops. Du bist eins mit der Musik. Mit der Menge. Mit dem großen Ganzen. Deine Augen - geschlossen. Deine Bewegungen gleichen dem Takt der Clubmusik. Schweiß. Hormone. Spaß. Geilheit. Alles vermischt zu einem großen exzessiven Cocktail. Du bist mit deinen Mädels feiern gegangen. Hast sie aus den Augen gelassen. Sie haben sich vermutlich längst einen schnellen Fick für die Nacht besorgt. Wie Raubtiere, getrieben von Östrogenen, habt ihr euch auf die Jagd begeben. Du bist die Sorte Frau, die zwar einen Freund, aber keine Hemmungen besitzt. Er glaubt, du wärst bei einem Mädelsabend und in gewisser Weise ist dies auch nicht gelogen. Deine Gedanken fallen manches Mal auf ihn . Wie er da bei sich Daheim sitzt. Sich Sorgen macht. Wie immer. Doch dein Tanzpartner der Marke "purer Sex" holt dich jedes Mal in das Hier und Jetzt zurück. Dir gefällt das. Du stehst auf den Nervenkitzel. Der Alkohol senkt die Hemmung. Deine triebhaften Hormone treiben dich auf die Jagd. Dein hautenges und freizügiges Outfit regelt den Rest. Zuvor noch deinem Freund ein sporadisches "Ich liebe dich" getextet. Obwohl er dich ja so scheiße behandelt. Wie gutmütig du doch bist.

Dein Gegenüber lächelt dich verführerisch an. Ein weiteres Objekt, der deiner Libido zum Opfer fällt. Kurz denkst du daran zurück, wie du andere bezichtigst so zu sein, wie du selbst gerade bist. Dann lässt es dich wieder kalt. Sobald man anfängt, dich auf deine Fehler aufmerksam macht, vermagst du es mit peinlichem Geschick von dir abzulenken. Bevor du dir deine Fehler eingestehst, würdest dir eher deine Hände abhacken. Das was du tust, ist schließlich etwas ganz anderes. Wenn dein Freund es dir nicht mehr so besorgen kann, wie du es brauchst, dann holst du es dir eben woanders. Und deine Freundinnen haben dich zuvor darin noch bestärkt. Sie sind alle wie du und genau das ist der Grund, warum du dich geil fühlst. Sie verstehen deinen moralisch fragwürdigen Beweggründe, weil sie genauso Fleischeslust besessen sind, wie du.
Libido gesteuerte Antidenkerinnen. Darum bin ich heute Abend hier. Ein stiller Beobachter. Unsichtbar in der Menge. Ein Raubtier unter Raubtieren. Damit das so bleibt, ist die Sonnenbrille unablässig. Will nicht, dass jeder meine Augen sieht. Wäre zu auffällig. Zuerst deine Schlampenfreundin mit den roten Haaren zu meiner Linken. Intensiv tanzend mit so einem schleimigen Kerl, der sich scheinbar kein T-Shirt zu leisten scheint. Habe da eine nette Spritze für sie. Blaue Flüssigkeit. Beschleunigt den Herzschlag des Opfers dermaßen, dass es keiner langen Zeit bedarf, bis dieses an Überlastung den Geist aufgibt. Mein Partner, der leider nicht dabei sein kann, hat einen ganzen Vorrat an solchen und weiteren kleinen Substanzen.


Deine Freundin tanzt, von dem Sixpack ihrer Beute betört, lasziv vor eben jenem. Widerwärtig. Sie wird nicht wissen, was sie da trifft. Zu vertieft ist sie in ihren Paarungstanz. Gehe an ihr vorbei. Ein kurzes Pieksen. Schnellspritze. Schon ist mein ohnehin bereits geringes Interesse vollends erloschen. Normalerweise begutachte ich meine Leichen eine Weile, doch deine Leichenfreundin in Spe ist nicht einmal die Scheiße unter meinem Schuh wert. Sie dürfte ohnehin in weniger als zwei Minuten dahin sein. Unweigerlich.

Deine zweite und letzte Freundin kann sich auch nicht lange vor mir verbergen. Hätte nicht gedacht, dass der fette Ausschnitt von eben noch getoppt werden kann. Die hat es wirklich nötig. Komme ihr etwas näher. Ruhige Schritte. Hole einen kleinen Beutel aus meiner Jackentasche. Darin befindet sich weißes Pulver. Keine Drogen. Eher pures Gift. Anatoxin A, oder auch Very Fast Death Factor. Bewirkt Krämpfe, Koordinationsverlust und letzten Endes Tod durch Atemverlust. Mit freundlicher Empfehlung meines abwesenden Partners. Schwarzmärkte machen's möglich. Bewege mich gekonnt durch die tanzende Menge, mein neues Ziel im Auge behaltend. Bin Teil dieser widerwärtig versifften, angesoffenen Feiermeute.
Deine Schlampfenfreundin tauscht verführerische Blicke mit dem Barkeeper aus. Presst wie durch Zufall ihre nach oben gepushten Brüste weiter hervor. Streicht immer mal wieder über ihre Snakebites und Lippen. Verführt den dümmlich grinsenden Barkeeper zu Drinks für Lau. Setze mich unbemerkt daneben. Dieses Hobbymiststück würde nicht einmal im Traum daran denken, mich zu beachten. Solange ich meine Sonnenbrille trage, bleibt das auch erhalten. Sie bekommt ihren bunten Cocktail. Dreht sich in Richtung der Tanzfläche. Vermutlich um dich zu suchen. Ihre fehlende Aufmerksamkeit bezahlt sie mit einer neuen Zutat innerhalb ihres Alkoholgesöffs.

Und auch hier ist mein Interesse schneller in Rauch aufgegangen, als es die eben angeschaltete Nebelmaschine mit der Tanzfläche zu schaffen vermag. Es ist, als hätte dieser Club einen Sinn dafür, wann der finale Streich meines blutigen Raubzuges naht. Brauche mir nicht den sehr baldigen Tod meines Opfers anzuschauen. Nur dein Ende wird meines Interesses würdig sein.
Meine Füße tragen mich bereits wieder durch die tanzende, vernebelte Menge. Die Blitze des Stroboskops und der aufsteigende Nebel, lassen sämtliche Bewegungen wie abgehakte Momentaufnahmen wirken. Langsam hole ich mein Lieblingswerkzeug hervor. Ein dünnes, unfassbar scharfes Skalpell. Du bist in einen leidenschaftlichen Zungenkuss mit deinem Tanzpartner vertieft. Ekel steigt in mir hoch. Abartig. Dein vor Lust fast triefender Körper, verzerrt sich scheinbar so sehr nach körperlichen Gelüsten, dass du sämtlichen Halt verloren und dich inmitten des Rausches der Nacht, einem Fremden hingegeben hast. Die dröhnende Musik. Der fast schon dichte Nebel. Das Blitzen des Stroboskops. Dazu der Alkohol und das Treiben der Umgebung. Dies alles bestärkt dein Treiben. Immer wieder faszinierend und ekelerregend zugleich.
Du bemerkst mich nicht. Wie auch? Das Einzige, was du bemerkst und das ehrlichgesagt wahrscheinlich mit größtmöglichem Schrecken, ist das Verschmelzen meines dünnen Metalls mit deinem Halsfleisch. Das mehrmalige Hin und Zurückschneiden. Bis zur Trennung deiner Halsschlagader. Alles geht so schnell, dass selbst dein erschreckter Untreue-Partner keinerlei Chance hat, mich aufzuhalten.

Dein Blut wird durch deinen aktiven Herzdruck fast synchron zu den Schlägen der Bassmusik herausgestoßen. Deine Augen sind aufgerissen, als sie mich erblicken. Dir zuliebe nehme ich meine Sonnenbrille ab. Zeige dir meine Augen. Die leuchtenden, verschiedenfarbigen Augen. Wenn du nur deinen Blick sehen könntest. Wie du da vollkommen fernab von jeglichem Glaubens zu Boden gehst. Deine Lippen bewegen sich. Formen schwache Worte, die jedoch im Angesicht der dröhnenden Musik keine Kraft besitzen. Kann mir jedoch denken, was du zu sagen hast. Du wunderst dich, was ich hier zu suchen habe. Wo du mich doch damit beauftragt hattest, deinen Freund ins Jenseits zu befördern. Wolltest ihn loswerden. Hast in dem Kontrakt geschildert, dass du keinen anderen Weg mehr weißt. Sogar die Hälfte im Voraus bezahlt. Würde dir ja gerne das Warum verraten, aber ich befürchte, dass du mich nicht verstehen würdest. Wenn du wüsstest, was all dies hier wirklich zu bedeuten hat. Nun stirbst du unwissend. Mit starken Schmerzen. Kaum einer bekommt es mit, wie du in dieser Kloake des Rausches dein armseliges Leben verlierst. Welch passendes Ende für eine Frau wie dich. Dein ehemaliger Sexpartner für die Nacht, der noch immer wie angewurzelt und vom Alkohol schwankend, vor deiner Leiche steht, hat seine Augen zu lange von mir abgewandt. Zeit genug, um in der noch immer tanzenden und feiernden Menge zu verschwinden. Kaum einer hat es mitbekommen. Einige Menschentrauben haben sich gebildet. An allen Orten, wo ich zugeschlagen habe. Fast am Eingang, eine zusammengesackte, leblose Frau. Am Tresen ebenfalls. Und zu guter Letzt inmitten der riesigen Tanzfläche. Ehe alle begriffen haben, was hier los ist, bin ich hier raus. Hätte absolut nicht besser laufen können.
Sollte wohl besser deinem Freund Bescheid geben, dass sein Auftrag ausgeführt worden ist. Schon interessant. Beide haben mich unabhängig voneinander für den Mord am jeweils anderen angeworben. Manche Menschen haben wirklich Probleme.
Zeit, mir meine Bezahlung abzuholen und zeitgleich mich um dein Anliegen zu kümmern. Auch, wenn du bereits tot bist. Dein Auftrag gilt noch immer...

Des Lords CreepypastasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt