Das Kennenlernen

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(Tauriels Sichtweise)

Am Morgen des nächsten Tages wachte ich ungewöhnlich spät auf und stellte überrascht, doch sehr froh, fest, dass mich heute keine Patrouille und auch sonst keine Arbeit erwarten würde. Doch dann ließ ich mich enttäuscht zurück auf mein schmales Bett fallen und erinnerte mich an das, was ich mir gestern selbst eingebrockt hatte: Das Treffen mit Thranduil!

Während ich mir müde die Augen rieb, erinnerte ich mich, warum ich überhaupt auf die kaum durchdacht Idee eines Treffens gekommen war. Ich hatte ja gewusst, dass der unschöne Teil meines neuen Leibwächter-Jobs noch bevorstand: Das Kennenlernen. Ich hatte es unfair gefunden, dass bloß ich IHN kennenlernen müsste, nicht auch er MICH. Also hatte ich kurzer Hand beschlossen, ihm all die Plätze zu zeigen, die mir am Herzen lagen und ihn deswegen zu den Toren bestellt.

Wenn ich ehrlich war, musste ich zugeben, dass noch zwei andere Gründe für meinen Plan existierten. Einerseits wollte ich mir so auch seinen Respekt verschaffen und ihm zeigen, dass ich mehr war, als eine 'einfache' Elbin und das konnte ich ihm heute möglicherweise beweisen.

Der zweite Grund verwirrte mich jedoch sehr und ich verstand ihn noch immer nicht, doch als Thranduil mich während des Trainings beinahe umschlungen hielt... überkam mich ein seltsames Gefühl und auch seine Augen sind so durchdringend, kühl und doch...

Schnell schüttelte ich die Gedanken aus meinem Kopf und zog meine gewöhnliche grüne Tracht an, um mich auf den Weg in den Speisesaal zu machen. Dort angekommen, lud ich mir eine ordentliche, aber gesunde Portion auf und machte mich auf die Suche nach Legolas. Ich konnte ihn sofort finden und setzte mich lächelnd zu ihm. Er erwiderte mein Lächeln und zögerte nicht lange zu fragen: "Und? Was ist nun mit dem Wettbewerb? Hat mein Vater dir seinen Respekt angesichts deines Sieges ausgesprochen? Oder hat er dir eine Trophäe verliehen? Jetzt sag schon, ich frage mich schon die ganze Zeit, was geschehen ist!"

Ich lächelte ihm im Anbetracht der unzähligen Fragen seinerseits zu, doch innerlich wünschte ich mir so sehr, eine der Möglichkeiten, die er aufgezählt hatte, wäre wahr. Den Respekt meines Königs, oder wenigstens eine kleine Trophäe... all das war besser als die Realität. Ich hatte nur durch den Wettbewerb beweisen wollen, dass ich gut genug für seinen Sohn wäre. Die Betonung lag auf WÄRE, denn ich liebte Legolas innig als Freund, mehr aber nicht. Bessergesagt DURFTE da nicht mehr sein und das nur wegen eines herzlosen Königs, in dessen Nähe ich bereits zwei Mal grundlos ein wenig Herzklopfen hatte... Weder er, noch sein Sohn durften mir jemals zu wichtig werden! In beiden Fällen würde Thranduil es zu  verhindern wissen und mein Herz brechen!

Ich versuchte dieses unglaubliche Gefühlschaos mit einem kurzen Lachen zu überspielen und antwortete endlich auf Legolas Frage. "Du wirst mir nie glauben, für was der Wettbewerb wirklich gedacht war! Dein Vater... ähm.. der König hat mich zu seiner persönlichen Leibwächterin für irgendeinen Kampf mit Orks gemacht." Ungläubig sah mich Legolas an. "Wirklich? Nun, dass hätte ich wirklich nicht erwartet, aber eigentlich ist das die perfekte Möglichkeit für dich, ihm zu zeigen wie viel tatsächlich in dir steckt!" Er zögerte und fügte dann hinzu: "Ich denke, dass jeder, der dich erst einmal kennen lernt, dir unmöglich widerstehen kann..." Ich spürte, wie ich leicht errötete und er lachte leise. "In Unwiderstehlichkeit bist du vermutlich der Meister." Sagte ich dann und sein Lachen wurde zu einem sanften Lächeln, ich spürte, wie ich in seinen hellen Augen versank. Plötzlich, kurz bevor sich unsere Gesichter näher kommen konnten, rief ich laut : "Nein!" Ich sah mich um und bemerkte, wie sich ein paar Elben an benachbarten Tischen zu uns umdrehten, ich räusperte mich "Nein, ich meine... Es tut mir leid, aber wir können das nicht tun..." Ich schob mir ein wenig Gemüse in den Mund und schwieg, während ich Legolas dabei beobachtete, wie er sich irgendwie enttäuscht eine Strähne des blonden Haares aus dem Gesicht strich und nach den richtigen Worten suchte. "Du hast Recht Tauriel, ich dachte nur du..." Stimmt. Es war meine Schuld. Ich hatte seinem Blick nicht widerstehen können und habe ihm geschmeichelt und das obwohl ich mir so oft ins Gedächtnis gerufen hatte, dass diese Beziehung keine Zukunft hatte. Und wider musste ich an die Person denken, die dies verhinderte: Mein König... Thranduil.

Legolas und ich schwiegen beide eine Weile und aßen, dann wechselte mein Gegenüber das Thema, wobei er die Stirn runzelte. "Sag mal, weißt du, wieso mein Vater nicht einfach mich zu seinem Schutz gewählt hat ?" Ich dachte kurz nach und sagte dann: "Ich kann ihn gleich fragen, wenn ihr wollt, mein Prinz." Er lächelte kurz über das 'mein Prinz' und fragte dann: "Gleich?" "Ja, ich muss ihn, bevor er mir sein Leben anvertraut, noch viel besser kennen lernen. Gleich.  Aber ich habe ihn mehr oder weniger in eine Falle gelockt, um ihn etwas mehr von mir selbst zu überzeugen!" Legolas lachte laut auf "Das hätte ich mir ja denken können! Dieser Mut und dein Ehrgeiz...Das liebe ich so an dir..." Schnell erhob ich mich von dem Esstisch, bevor er meine erneut geröteten Wangen sehen konnte. "Nun, hoffen wir, dass der König das auch tut!" Sagte ich und verließ den Saal um mich zu den Toren der Stadt zu begeben. Es gab kein zurück mehr...

Can a cold heart love?Where stories live. Discover now