24. Türchen

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Todmüde wankte Hermine aus ihrem Büro. Es war spät am Abend und sie wusste, nur noch wenige Mitarbeiter waren überhaupt im Ministerium. Man musste schon sehr in seine Arbeit vernarrt sein, um am Tag vor Heilig Abend bis spät in die Nacht zu arbeiten. Eigentlich hätte sie heute frei gehabt, so wie alle Mitarbeiter auf ihrer Ebene. Nur von der Chefetage wurde erwartet, bis zum letzten Tag anwesend zu sein, doch sie hatte eine Mission.

Nachdem Harry am Abend zuvor ihr Büro verlassen hatte, hatte Hermine eine Stunde gebraucht, um zu entscheiden, was sie nun tun wollte. Das Rationale wäre gewesen, einfach heimzugehen, die Feiertage mit ihrer Familie zu verbringen und all den seelischen Ballast zum Jahreswechsel von sich zu werfen. Vermutlich wäre es auch das Richtige gewesen, immerhin war die Chance, dass aus ihr und Draco tatsächlich irgendetwas werden könnte, verschwindend gering. Sie wusste ja nicht einmal, ob er noch Interesse hatte und wie ernst er es jemals mit ihr gemeint hatte.

Doch das war ihr egal. Sie wusste inzwischen, dass sie es ernst meinte, und das war alles, was sie wissen musste.

Und so war sie an ihrem eigentlich freien Tag erneut ins Ministerium zurückgekehrt, um den Fall Malfoy aufzuarbeiten. Sie hatte einen Plan. Sie würde Draco dasselbe Geschenk machen, das er ihr gemacht hatte. Es hatte lange gedauert, immerhin hatte sie alle Beweise, die sie gesammelt hatte, alle Erkenntnisse und Einschätzungen, sorgfältig und nachvollziehbar in einem Bericht zu Papier bringen müssen. Aber nun war sie fertig, ihr Chef war noch da und sie würde ihn dazu zwingen, den Bericht heute noch durchzugehen und zu akzeptieren.

Vor der Tür ihres Vorgesetzten angekommen, blieb Hermine stehen und atmete noch einmal tief durch. Sie durfte sich nicht anmerken lassen, dass sie sich bei diesem Fall von ihren Gefühlen hatte leiten lassen. Sie durfte keinen Verdacht aufkommen lassen, dass sie nur eine Facette der Wahrheit in ihrem Bericht dargestellt hatte. Sie klopfte.

„Herein", erklang die Stimme von Henry Bumblebee, dem Leiter für alle Abteilungen, die sich mit magischen Artefakten beschäftigten.

Entschlossen trat sie ein und legte ihm die Akte auf den Tisch: „Ich habe den Fall Malfoy abgeschlossen. Ich wollte die Ermittlungen unbedingt vor Weihnachten beenden, sonst hätte ich die Feiertage über keine Ruhe gehabt."

Der ältere Mann lächelte sie wissend an: „Unerledigte Arbeit kann einem schon die Ruhe rauben, nicht wahr, Miss Granger? Ich schätze, Sie wollen, dass ich Ihren Bericht sofort lese?"

Sie nickte, woraufhin er mit der Hand auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch deutete und sich dann der Lektüre widmete.

Zehn Minuten später richtete er mit gerunzelter Stirn den Blick wieder auf sie: „Sie sprechen Mr. und Mrs. Malfoy sowie ihren Sohn frei von jeglicher Schuld?"

Sie hatte mit dieser Frage gerechnet. So ruhig wie möglich präsentierte sie die Antwort, die sie auch im Bericht schon ausformuliert hatte: „Die Vase wurde von Abraxas Malfoy einmal missbraucht, darüber haben wir Aufzeichnungen. Für die Zeit danach gibt es weder Beweise noch Indizien, dass sie jemals wieder genutzt wurde. Lucius Malfoy war gerade ein Jahr alt, als die Orgie stattfand, Narzissa Malfoy war noch nicht einmal geboren. Für das Ereignis können wir sie nicht verurteilen."

„Aber die Vase befand sich bis zum Schluss in ihrem Besitz", gab Bumblebee zu bedenken: „Und bei der Hausdurchsuchung nach dem Krieg ist sie nicht aufgetaucht. Sie muss also aufwändig versteckt worden sein."

Wieder nickte Hermine: „Das ist richtig. Doch wir haben keinerlei Beweise dafür, dass irgendeiner der Malfoys wusste, was genau es mit der Vase auf sich hatte. Und, wenn Sie mir dieses Urteil erlauben, ich schätze Lucius Malfoy so ein, dass er zu seiner Zeit unter Voldemort die Vase nur zu gerne zu ähnlichen Zwecken missbraucht hätte wie sein Vater, wenn er es gewusst hätte."

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