Prolog

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Prolog

„Ich kann mich nicht abregen! Nicht wegen diesem unnötigen Streit."

Jeder normale Mensch, der mich gesehen hätte, würde sich umsehen und fragen, mit wem ich redete - und mit wem ich gestritten hatte.

Aber...

„Nichts „Aber..."! Es waren nur Holzplanken. Die trocknen wieder."

Da der gewöhnliche Mensch niemanden erblickt hat, dachte er sich jetzt wohl, ich würde Selbstgespräche führen. Oder mit dem Bambus sprechen, der hier bis zu 150 Fuß hoch wuchs, vielleicht auch mit den Vögeln, die hoch oben in den dünnen Ästen saßen und ihr Lied zwitscherten.

Die Holzbretter könnten anfangen zu schimmeln.

„Das werden sie schon nicht. Zwei Tage draußen in der Sonne und die sind wie neu!"

Eine kurze Pause entstand und ich hielt an. Ich starrte nach oben in die Luft. Angestrengt suchte ich mit den Augen die Umgebung ab, in der Hoffnung, meinen Freund zu sehen. Aber das werde ich nie.

Bitte denkt nicht, ich hätte eine Meise und erfinde imaginäre Freunde. Denn so ist es nicht.

Es geht ums Prinzip, Kayla. Es war Gehölz mit Seltenheitswert. Da kann ich deinen Vater verstehen, denn er hat jetzt die Arbeit.

„Das ist aber jetzt nichts verheerendes. Es ist ja nicht so, als hätte ich jemanden umgebracht und er müsste seinen Kopf hinhalten."

Ich ging weiter, hörte nichts mehr von Aris und ging davon aus, dass er gerade den Kopf schüttelte, wenn er überhaupt einen hatte, denn er besaß keinen Körper. Vielleicht aber in seiner Welt und ich konnte es nur nicht sehen.

„Aris?"

Ja?

„Wie wär's damit? Ich gehe später, wenn seine Wut verraucht ist, los und fülle das Wasserfass erneut auf. Danach stelle ich die Bretter aufs Hausdach und lasse sie trocknen. Denn so wie ich meinen Vater kenne wird er das nicht so schnell machen, dafür ist er zu stur."

In Ordnung. Aber ich werde dir nicht helfen.

Ich musste lächeln. Jetzt denkt der Durchschnittsmensch vermutlich "Was? Wie sollte etwas, das nicht einmal einen Körper hat, jemandem helfen können?".

Langsam kam mir der alte, knorrige Ahornbaum immer näher. Er war einer der einzigen Laubbäume, die hier in dem Bambuswäldchen, nahe dem Seelensee, wuchsen. Seine Äste boten viele Möglichkeiten zu klettern oder sich hinzusetzen und einfach etwas zu entspannen.

Geschickt packte ich den untersten Ast und schwang mich nach oben. Die dicken Äste erlaubten mir, auf eine doch sehr beträchtliche Höhe zu klettern. Schließlich, als ich höher als zwölf Schritt nach oben geklettert war, setzte ich mich, schlang meine Beine um den Ast und lehnte mich nach hinten an den Stamm. Gedankenverloren spielte ich mit kleinen Asttrieben, deren hellgrüne Blätter sich tapfer der Sonne entgegen reckten.

„Was wäre eigentlich, gäbe es keine Wesen?" Eigentlich konnte ich mir das denken, aber ich brauchte jemanden, mit dem ich reden konnte, und das war im Moment nur Aris.

Nun ja, wenn du jetzt die Wesen allgemein meinst, dann lautet meine Antwort, es gäbe nichts. Nicht nur Menschen und Tiere haben eine Existenz, Seele und einen Geist, sondern auch die Bäume, Sträucher, selbst der kleinste Grashalm hat die drei Wesen. Eben alles, was lebt.

Ich schloss die Augen und genoss Aris' weiche Stimme in meinem Kopf. Ich wusste nicht, wie alt er war oder wie er aussah, ich wusste nur, er war mein Freund und er hatte mit Abstand die weichste und angenehmste Stimme, die ich je gehört hatte.

Connected GhostWhere stories live. Discover now