S-Bahn ~ #Kostory

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Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster der S-Bahn, durch das ich nichts als die vorbeirasenden grauen Tunnelwände sehen konnte und hörte Musik mit einem Kopfhörer in den Ohren. Wieder hielt die Bahn. Keiner stieg zu, zumindest nicht in meinem Abteil, das eh recht leer war. Vielleicht vier Leute? Oder fünf? Bald würde es voller werden, sobald wir in die Stadtmitte kamen, doch jetzt, nur eine Station nachdem die S-Bahn überhaupt losgefahren war, war es noch ruhig. Wieder eine Haltestelle. Die erste, die zentraler gelegen war. Ich nahm meine Tasche vom Sitz neben mir auf meinen Schoß. Mehr Leute stiegen zu. Ein Mann, der konzentriert in sein Handy starrte, setzte sich mir gegenüber hin, warf mir nur einen kurzen Blick zu. Andere Leute blieben stehen, obwohl es noch freie Plätze gab. Bald würde es wieder leerer werden, bis es so leer war wie am Anfang und erst dann würde ich wieder aussteigen. Wenn ich die Stadt einmal durchquert hatte, bis in eine der Vorstädte hinaus. Und dann noch mit dem Bus. Erst dann würde ich Zuhause sein. Ich blendete die Leute aus, die immer mehr wurden, inzwischen waren auch die Plätze neben mir belegt. Ich war an die Gangseite geruscht, mochte es nicht, zwischen Menschen und Fenster eingequetscht zu sein, fühlte mich zu gefangen dann. Wieder konzentrierte ich mich bloß auf die Musik, die aus meinen Kopfhörern kam. Meine Nase kitzelte, ich musste niesen. An sich nichts besonderes, wenn da nicht eine Stimme gewesen wäre, die in diesem Moment gut gelaunt "Gesundheit" wünschte. Ich zog meine Kopfhörer aus den Ohren, drehte mich um zu dem Ursprung der Stimme.

Ich war leicht überfordert. So viel Höflichkeit gegenüber einem Fremden war ich nicht gewohnt. Zumal mich die meisten eher schräg ansahen. Mein Erscheinen war den meisten Leuten nicht geheuer. Meine schwarzen Haare zu Emo mäßig, meine Ringe durch meine Augenbraue und Lippe zu punk, meine rasierten Linien seitlich in den Haaren und in der Augenbraue zu fremdartig und meine müden Augen zu unfreundlich. Ich war zu Gangster, zu Punk, zu Emo. Und das alles auf einmal. Ich lebte in einer Welt voller Egoismus, in einem Land der Anonymität, in einer Stadt der Vorurteile, unter Menschen voller Angst. Angst vor allem und jedem, das nicht in ihr perfektes Bild passte, Angst, genährt durch Vorurteile.

"Danke."

Ich lächelte, betrachtete den Jungen, der dort vor mir stand. Groß, größer als ich, braune, verstrubbelte Haare, Tanktop und tief geschnittene Hose, ungefähr mein Alter. Sporttasche über der Schulter. Sichtbar trainiert, kantiges Gesicht, süßes Lächeln. Schön.

"Tut mir leid, ich bin so. Ich muss immer jedem Gesundheit wünschen. Reflex oder so. Angewohnheit."

Ich grinste.

"Ich finds gut. Höflichkeit ist immer gut."

Der Junge lachte.

"Stimmt. Und so selten."

Nicken.

"Dennis."

Der Junge hielt mir seine Hand entgegen und ich schlug ein.

"Mik"

Wieder hielt die Bahn, Leute stiegen aus, Leute stiegen ein. Der Junge blieb, war jetzt neben mich in den Gang getreten. Ich sah zu ihm auf. Auf das filigrane Gesicht schlich sich ein leichtes Lächeln, der Junge deutete auf meinen Brustkorb.

"Du magst One Direction?"

Ich schaute auf die Kette mit dem Papierflieger-Anhänger, grinste kurz.

"Vielleicht."

Der Junge, Dennis, lachte.

"Ich find sie eigentlich ganz nice. Aber 5 Secounds of Summer sind trotzdem besser."

Mein Herz machte einen kurzen Hüpfer.

"5Sos sind super.", bestätigte ich grinsend und ehe ich es mich versah, waren wir in ein Gespräch über Musik und Bands vertieft, wobei wir beide ziemlich das gleiche Zeug feierten.

"Wieso trägst du eigentlich One Direction Merch, wenn du gar kein so großer Fan von ihnen bist?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"Der Papierflieger hat eine persönliche Bedeutung für mich. Ich hab mal ein Lied geschrieben, das 'Burning Paperplanes' hieß, als es mir wegen meinem Ex nicht so gut ging. Deswegen hat mir eine Freundin die Kette geschenkt."

Dennis zog die Augenbrauen hoch, wirkte erstaunt.

"Du hast einen Song geschrieben?"

Irgendwie machte seine Erstaunung, fast schon Bewunderung mich verlegen.

"Ja... So ein paar. Aber nichts so wirklich besonderes, eigentlich nur für mich und aus Spaß am Singen."

"Kann ich mal hören? Oder ist dir das zu privat?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"Schon, aber ich habs leider nicht dabei."

Dennis wirkte leicht enttäuscht.

"Okay, dann ein anderes Mal."

Der Mann, der neben mir gesessen hatte, war schon vor einigen Stationen ausgestiegen und ich war ans Fenster gerutscht, damit Dennis sich neben mich setzen konnte.

Aus dem Nichts zog der Braunhaarige gerade einen Kugelschreiber aus seiner Sporttasche und griff vorsichtig nach meinem Handgelenk. Er drehte meinen Arm um und schrieb in kleinen Zahlen eine Nummer darauf.

"Meine Handynummer.", erklärte er bloß schlicht, ich lächelte.

Ein weiteres Mal hielt die S-Bahn, die Landschaft war längst grüner geworden, die Stadt hinter uns gelassen.

"Sag mal, wo musst du eigentlich raus?", wunderte ich mich, die S-Bahn um uns hatte sich schon wieder ziemlich geleert und auch zu mir nach Hause waren es nur noch drei Stationen. Dennis lächelte verlegen.

"Eigentlich vor sechs Stationen."

~~~~~~~~~~

Hay, Leute.

Dieser Oneshot ist mein neuster und irgendwie, auch wenn er nicht lang ist, fand ich es süß. Würde mich freuen, auch hier mal etwas Feedback zu bekommen. Habt ihr selbst Ideen, von denen ihr euch wünschen würdet, dass ich sie umsetze?

Liebe Grüße, minnicat3

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