Mädchenabend

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Mädchenabend. Nur Sascha und ich. Und zwar heute! Während den letzten zwei Schulwochen hatten wir kaum Zeit gehabt, irgendetwas miteinander zu unternehmen. Und dann stand Weihnachten bereits vor der Tür und wieder hatten wir keine Gelegenheit gehabt, uns zu sehen. Aber heute wollten wir das endlich ändern.

„Sag mir bitte, ihr habt ein Glas Nutella Zuhause rumstehen", wurde ich kurz nach sechszehn Uhr von meiner besten Freundin überfallen, als ich dieser die Tür öffnete. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Das jedenfalls war auch der Grund warum ich mir ein amüsiertes Lachen nicht verkneifen konnte.

„Das ist nicht lustig!" Sascha blies die Wangen auf und sah mich finster an, nachdem sie ins Innere des Hauses getreten war. „Ich hab einen so verdammten Heißhunger auf das Zeug; das ist nicht mehr normal."

„Tut mir leid, ich wollte nicht lachen", meinte ich mit erhobenen Händen und zog sie in eine Umarmung, um sie richtig zu begrüßen. „Wenn wir übrigens Glück haben und Ben uns nicht zuvor gekommen ist, haben wir sogar noch ein Glas da." Ich schenkte ihr ein liebevolles Grinsen, was sie sofort erwiderte. Dann wurde ihr Blick allerdings nachdenklich, was mich doch ein wenig verwunderte.

„Wo ist er eigentlich?"

„Ben? Ich musste ihn zwingen, dass er etwas mit seinen Freunden unternimmt", erwiderte ich und schmunzelte bei der Erinnerung wie viel Überzeugungskraft es dafür gebraucht hatte. „Ist zwischen euch irgendetwas vorgefallen? Normalerweise hast du ja nichts dagegen, wenn er auch im Haus ist."

Ein Umstand, der mich wirklich verwirrte. Es war nämlich das erste Mal, dass meine beste Freundin mich darum gebeten hatte, dass wir alleine im Haus sind.

„Nein, alles wie immer ... wie war das noch einmal mit dem Nutellaglas?" Sie grinste mich schief an und entledigte sich Jacke sowie Stiefel. Sie waren frei von Schmutz, denn noch immer hatte es nicht ein einziges Mal geschneit. Nicht einmal an Weihnachten.

Ich ließ mich auf diesen plötzlichen Themawechsel ein und kurz darauf saßen wir mit Chips, Popcorn, mehr Cola, als wir trinken konnten - und ganz wichtig - einem halbvollen Nutellaglas auf dem Sofa. Wir hatten es uns mit einem halben Duzend Kissen und Decken gemütlich gemacht und den ersten Teil der Harry Potter-Reihe in den DVD-Player reingelegt. Vom Film selbst (wir kannten ihn in und auswendig) bekamen wir aber nicht viel mit. Wir waren viel zu sehr mit Quatschen beschäftigt.

Zu Anfang ging es um die vergangenen Weihnachtstage. Sascha hatte wie jedes Jahr mit ihrer Familie gefeiert, Ben und ich hingegen hatten die Feiertage mit einer Menge Fast Food und den ersten zwei Staffeln von The Walking Dead auf dem Sofa verbracht. Eine sicher sehr fragwürdige, wenn nicht sogar makabre Art, die Feiertage zu verbringen, aber wir beide kannten es inzwischen nicht anders. Und es war auch gut so wie es war.

Darauf folgten dann Themen wie die Schule, Lehrer (über Finnig verlor weder sie noch ich ein Wort) und so viele andere Dinge, dass ich den Überblick darüber verloren hatte. Wir sprachen Stunden miteinander, sprangen von einem Thema zum anderen, ohne, dass wir uns dem wirklich bewusst wurden.

Und je später es wurde (mittlerweile war es nach Mitternacht), desto mehr kuschelten wir uns in die weichen Decken. Zwischenzeitlich konzentrierten wir uns sogar auf den Film. Nachdem der erste Teil zu Ende war, folgte der zweite, dann der dritte und schließlich sogar der vierte. Fast eine halbe Stunde war es zwischen uns still gewesen, Saschas Augen hatten aufmerksam auf dem Geschehen im Fernseher gelegen, während ich viel mehr damit beschäftigt war, meine Gedanken kreisen zu lassen. Ich hatte es noch immer nicht über mich gebracht, meiner besten Freundin das mit Herrn Finnig zu erzählen, nicht einmal, dass er nebenan eingezogen war.

Das ist meine Gelegenheit, ging es mir durch den Kopf. Wenn ich ihr nicht jetzt davon erzählte, würde ich es nie tun. Ich kannte mich gut genug, um das zu wissen.

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