Mentale Unterstützung

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Entschlossen zerknüllte ich das Stück Papier, das Sascha mir vorhin in die Hand gedrückt hatte, und warf es in ihre Richtung. Ich verfehlte mein Ziel leider, da es dank dem fahrenden Untersatz (Sascha saß auf meinem Schreibtischstuhl) mit Leichtigkeit aus der Schusslinie gelangte.

"Ich habe keine Lust auf Rätselraten, Sascha. Ich sagte doch, ich will' s einfach vergessen!" Mit einem innerlichen Kopfschütteln beobachtete ich, wie sie die Papierkugel aufhob. Meine Worte schienen geradewegs an ihr abgeprallt zu sein.

„Erzähl mir lieber was ich in den letzten drei Tagen verpasst habe." Meine beste Freundin seufzte ergebend, ehe sie sich dazu hinreißen ließ, meiner Bitte nachzugehen.

„An sich hast du nichts Weltbewegendes verpasst. Wobei ..." Sie schenkte mir einen verheißungsvollen Blick. „Es geht ein neues Gerücht durch die Schule."

„Und das sollte mich interessieren, weil?", fragte ich ein wenig verwirrt. Neunzig Prozent aller Gerüchte entsprachen sowieso nicht der Wahrheit. Warum ihnen also überhaupt Beachtung schenken?

„Es um dich geht", beendete sie meinen Satz. „Du sollst anscheinend Herr Finnig in Kunst regelrecht um den Hals gefallen sein. Ich muss ja schon sagen, das habe ich von dir nicht erwartet, Clara." Sie grinste mich verschmitzt an. Ich hingegen konnte nicht anders, als sie mit großen Augen anzustarren. Ich sollte Finnig um den Hals gefallen sein? Wann sollte das denn gewesen sein? Und dann fiel der Groschen.

„A-Aber das stimmt doch gar nicht!", rechtfertigte ich mich. „Er hat mich aufgefangen, als mir schwindelig geworden ist. Da war nichts mit um den Hals fallen."

„Das war doch nicht ernst gemeint, Clara", funkte mir Sascha dazwischen, bevor ich noch mehr in Rage geraten konnte. „Ich hab Maria gefragt warum du schon nach Hause gegangen bist und da hat sie mir erzählt was los war. Dass du aber auch alles so ernst nehmen musst!"

„Das war überhaupt nicht witzig", murmelte ich in meinen imaginären Bart.

„Wäre es denn eigentlich so schlimm, wenn's die Wahrheit wäre?" Mit wenigen Schritten hatte sie mein Zimmer durchquert und sich neben mich auf das Bett fallen lassen. Wir beide saßen uns somit mehr oder weniger gegenüber. „Ich würde es dir nicht mal verübeln. Herr Finnig sieht immerhin nicht schlecht aus ..."

„Mein Gott, Sascha! Was redest du da?", stieß ich energisch aus. „Ich dachte du magst ihn nicht? Wie kommst du dann auf solche Gedanken?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich mag ihn noch immer nicht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass er gut aussieht. Aber sag mal, bist du gerade ernsthaft rot geworden?"

„Das ist das Fieber. Ich bin immerhin noch nicht ganz gesund", wich ich ihrer Frage aus. Sie sollte auf keinen Fall denken, dass ich Gefallen an ihm hatte. Ich konnte es ja selbst kaum glauben.

„Aha." Das Heben ihrer Augenbrauen unterstrich ihren Glauben in meine Aussage zusätzlich. „Wenn du das sagst ..."

„Warum bist du eigentlich hergekommen?" Ich ließ mich rücklings aufs Bett fallen. „Du meintest am Handy du müsstest etwas Wichtiges mit mir bereden. Und du hast noch immer nicht gesagt was es ist. Deine Vermutungen über Mr. X werden es wohl kaum sein, oder?"

„Dieses Mal nicht. Aber glaub ja nicht, dass ich dich in Bezug auf ihn in Ruhe lassen werde."

Ich seufzte. Wenn Sascha von etwas überzeugt war, dann zog sie es bis zum bitteren Ende durch. Oftmals zu meinem Leidwesen. 

„Worüber ich jedenfalls mit dir sprechen wollte", fuhr sie ungewohnt ernst fort.

Neugierig geworden setzte ich mich wieder auf.

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