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Es war kalt.
Einer der kältesten Winter die Caleb je erlebt hatte.
Der Wind heulte und tobte um ihn herum, riss an seiner Kleidung und fuhr ihm durch die blonden Haare.
Der Schnee lag fast einen Meter hoch, knirschte unter jedem seiner schweren Schritte und durchweichte seine Schuhe und Socken, sodass er bald fror und am ganzen Leibe zitterte.
Es war anstrengend, sich durch das viele, viele Weiß zu kämpfen, kaum die Hand vor Augen erkennend eine rutschige Leiter empor zu klettern und den verworrenen Weihnachtsschmuck mit behandschuhten Händen an die von Schnee bedeckten, dürren Äste zu hängen.
Schon bald begann Caleb viel zu schnell und flach zu atmen. Jede noch so kleine Bewegung schmerzte ihm und trotz lauter Arbeit und all dem Schweiß, war ihm eiskalt. Seine Lippen färbten sich allmählich blau und auch seine Wangen waren von keiner natürlichen Farbe mehr.
,,He!", rief Caleb den älteren Mann zu seiner Rechten an. Seine Stimme bebte. ,,Wo ist die rote Kugel? Die Leuchtende?"
Sein Kumpan zuckte die Schultern, rieb seine Hände aneinander warm und griff wortlos nach einer Lichterkette.
,,He!", wendete sich Caleb nun an den Jungen mit der großen Klappe. ,,Wo ist meine Kugel?"
Auch er zuckte mit den Schultern. ,,Aufgehangen?"
,,Das will ich nicht hoffen!", erwiderte Caleb. Er konnte nicht verhindern, dass sich ein bedrohlicher Unterton in seine Stimme schlich, der gefährlich einem Hundeknurren ähnelte.
Und da geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Der Junge wich überrascht einen Schritt zurück und ein Stück weit neben dem Weihnachtsbaum flackerte plötzlich ein blutrotes Licht auf. Im ersten Moment hielt Caleb es für Feuer, bis er sich an seine klamme Haut zurück erinnerte und irritiert die Stirn runzelte. Zögerlich machte Caleb einen Schritt auf das Licht zu. Und noch einen.
Durch das wütende Schneegestöber, bemerkte er die Frau erst, als er bereits direkt vor ihr stand. Sie hielt die rote, leuchtende Kugel mit ihren blanken, durchgefrorenen Fingern umklammert, als könnte sie ihr die dringend nötige Wärme spenden.
Das Gesicht der Frau war völlig verdeckt von ihren feuerroten Haaren, mit denen der starke Wind ohne Unterbrechung sein Spiel trieb. Sie trug einen grauen Mantel, der ihr bis zu den Knien reichte, einen schwarzen Schall aus Seide und hohe Stiefel ohne Absätze.
Caleb räusperte sich, doch der jaulende Sturm übertönte ihn mühelos.
,,Ma'am?"
Noch immer regte sich die Frau nicht. Sie schien völlig in den Bann der leuchtenden Kugel gezogen zu sein.
Vorsichtig berührte Caleb die Frau an der Schulter, da durchfuhr es ihn wie einen Blitzschlag. Er zog scharf die Luft ein und spürte wie plötzlich eine Welle der Wärme über ihm zusammen schlug. Und gleich im darauffolgenden Moment, erblickte er die Augen eben dieser Frau. Sie waren grün. Von einem so klaren, smaragdfarbenen Grün, dass ihm auf der Stelle bewusst war mit welch junger und wunderhübscher Frau er zu tun hatte.
,,Verzeihung", murmelte Caleb und versuchte all die Gefühle, die ihm mit einem Mal überfielen, unter einen Hut zu bekommen, doch das stellte sich als viel schwieriger heraus als zuerst erwartet.
,,Verzeihen Sie mir. Mein Name ist Nala Nakura", stellte sich die junge Frau, mit den rot gefärbten Haaren und dem Tunnel im linken Ohr, freundlich lächelnd vor.
Trotz all der Veränderungen erkannte Caleb, dass genau das selbe Mädchen hier vor ihm steht, wie vor sieben langen Jahren.
Das Licht der Kugel warf sanfte Schattierungen auf die wilde Mähne der Frau und betonte somit ihre zarten Wangenknochen.
Und in jenem Augenblick erkannte Caleb, dass es sehr wohl Wunder auf dieser verkorksten Welt gab und das jene dann passierten, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnete.

Ende

Kiss Of Rose (Kurzgeschichte)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt