Kapitel 1 - Januar

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Als erster Monat des Jahres ist der Januar (lat. Ianuarius) dem römischen Gott Janus gewidmet, dem Gott des Anfangs und des Endes. Mit seinen zwei Gesichtern kann er in die Vergangenheit und in die Zukunft schauen.



Kapitel 1 - Januar

 "Mr. Kent."

Lanas Stimme war leiser als sonst. Über das Radio hinweg konnte er sie nicht hören. Etwas wie Aufregung fraß sich durch ihre Eingeweide. Sie räusperte sich und trat auf die Veranda. Durch das Fliegengitter der Küche erkannte sie das er gerade beim Frühstück war. Er nahm es stehend an der Anrichte ein, den Kaffee in der rechten Hand, die Zeitung vor sich ausgebreitet.

Sein breiter Rücken war ihr zugewandt. Die Ärmel seines Karo-Hemdes waren aufgerollt. Vielleicht sollte sie doch wieder gehen, dachte sie und fragte sich woher ihre Unruhe kam. Sie kannte Mr. Kent ihr Leben lang. Außerdem hatte sie es Martha versprochen…

Sie machte sich durch ein kurzes Klopfen gegen den Türrahmen bemerkbar.

"Mr. Kent?"

Diesmal sah er auf und erkannte sie. Selbst durch das Gitter sah sie wie er die Stirn runzelte. Er hielt im Kauen inne, schluckte. Schließlich durchquerte er die Küche und öffnete die Tür. Seine Hand lag immer noch auf dem Türgriff.

Einen Augenblick standen sie sich gegenüber.

Er füllte ohne sich Mühe zu geben den Türrahmen aus und blockte so den Weg hinein. Doch das er sie um fast zwei Kopf überragte beunruhigte sie nicht. In Lanas Fall waren fast alle Menschen größer als sie. Sie kompensierte dies meist mit High Heels, die machten immer Eindruck. Heute allerdings hatte sie darauf verzichtet, Mr. Kent musste sie weder beeindrucken noch abschrecken. Ihre bequemen Stiefel taten es auch.

Sie schlang ihre Arme um sich. Auf der Veranda war es zwar windstill, aber kalt war es allemal. Wenn er sie nicht bald hinein bat würde sie anfangen mit den Zähnen zu klappern.

Er schien sich nicht sicher zu sein, was er sagen sollte. Schließlich entschied er sich für: "Miss Lang?"

Die Förmlichkeit der Ansprache lag ihr quer im Magen.

Lana, er hatte sie immer Lana genannt. Schließlich war sie mit seinem Sohn in die Schule gegangen. War Clarks Freundin gewesen, hatte sich mal um mal das Herz von ihm brechen lassen. Hatte Clark ebenfalls das Herz gebrochen.

Lana versuchte sich daran zu erinnern seit wann er sie schon Miss Lang nannte, doch sie fand keine Antwort. Warum fiel ihr das erst jetzt wirklich auf?

Mit gerunzelter Stirn erinnerte sie sich an ihn, durch die Augen der Dreijährigen hatte er wie ein Riese auf sie gewirkt, wie er sich zu ihr gebeugt und ihr auf die Beine geholfen hatte, nachdem sie über ihre eigenen Füße gefallen war.

Hast du dir weh getan, Lana? Er hatte ein Knie unter sich gebeugt um sie besser ansehen zu können.

Sie hatte nur mit dem Kopf geschüttelt, schüchtern wie sie war.

Mit einem freundlichen Lächeln und einem beruhigenden Tätscheln ihres Kopfes hatte er sie zu Nells Laden geführt. Selbst diese Erinnerung, dachte Lana nun nachdenklich, fühlte sich nicht wie die erste an. Er war einfach immer da gewesen.

Jonathan Kent war… Lana versuchte ein Wort dafür zu finden, doch sie haderte. Er war der typische amerikanische Mann aus den Plains: Beständig und hart arbeitend. Jonathan Kent war sicher.

"Darf ich hinein kommen?"

Zu ihrer Verwunderung antwortete er nicht, als verstünde er nicht warum sie hier war. Doch sie hatte es versprochen. Lana bildete sich ein das sie ihn so oder so früher oder später nach Marthas Tod besucht hätte. Dies war eine Kleinstadt: Kondolenz-Besuche waren hier normal. Doch so wie er sie ansah…

Lilac Wine; ReduxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt