Teil7

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Hier. Unter der Trauerweide. Seit diesem Tag waren wir uns näher gekommen. Eigentlich hatte sich seither nicht so viel zwischen uns verändert. Die Freundschaft, das Vertrauen waren gleich. Gleich schön. Nur war etwas dazu gekommen, etwas unbeschreiblich Schönes: Liebe. 

Ich hatte Jenny einige Wochen im Sommer jeden Tag gesehen. Meine Eltern wussten nur, dass ich mit einer Freundin unterwegs war. Den Rest sagte ich niemandem. Schon nach wenigen Schultagen im September wusste es trotzdem die ganze Schule... Colleen meinte später, es sei nicht sehr schwer gewesen, das zu bemerken. 

Diese Sommerferien waren bisher die schönsten meines Lebens. Es stellte sich immer öfter heraus, wie ähnlich ich und Jenny uns waren. Wir gingen oft am Abend in die Stadt, nicht unbedingt, um etwas zu konsumieren, es reichte, Hand in Hand Menschen zu betrachten, zwischen Rosensträuchern zu spazieren oder gemeinsam im Regen zu stehen und sich zu küssen. 

Jetzt gehen wir beide in die 8. Klasse, und sind ein halbes Jahr zusammen. Die Matura rückt näher. Aber wenn man will, lässt sich Zeit schaffen. Ich habe meiner Familie nie wirklich explizit irgendwas gesagt, aber die Fotos in meinem Zimmer erklärten bald mein tägliches Fortbleiben. Als wir vier Monate zusammen waren, beschloss ich, dass ich es nun nicht länger verheimlichen konnte. Aber ich wollte es auch nicht feierlich eröffnen. Wie würde meine Familie reagieren? Ich stellte also mein Lieblingsfoto von uns zwei auf meinen Schreibtisch und wartete ab. Schon kurze Zeit später sprach mich meine Mutter darauf an. In ihrer Stimme lag Enttäuschung und Verzweiflung. "Tu das nicht. Du ruinierst dein Leben. Das kannst du uns nicht antun!" Ich versuchte, sie durch meine Begeisterung von diesen Ideen abzubringen. Aber sie blieb ein Stein. Am nächsten Tag begann der Kalte Krieg zwischen meinen Eltern und mir. Die Tage vergingen, ich weinte, fragte mich, was daran so schlimm sei. Ich weinte in Jennys Armen, bis  ihr Kuss mich tröstete und ich wieder lachen konnte. 


Ich kann wieder lachen. Wer mich nicht versteht, hat noch nicht verstanden, was Liebe ist. Denn Liebe ist so vielfältig wie ein Regenbogen, so bunt wie diese Welt, so unendlich wie das Universum. 

Ich schaue auf den Teich, in den wieder andere Kinder Steine werfen. Jenny ist auf Schulreise. Jeder Tag ohne sie ist trüb und einsam. Grau wie der Nebel, der immer öfter durch die Straßen zieht. Ich vermisse sie so sehr. Ich wende den Blick dorthin, wo sie normalerweise sitzt, an den Stamm der Weide gelehnt. Ganz klein, unscheinbar, wenn man es nicht sucht, ist ein Herz in die Rinde geritzt. 

J+Z


ZoëWhere stories live. Discover now