- Kapitel 6 -

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Shilmon war wirklich eine große Stadt. Schon von der großen Düne, auf der ich stand, konnte ich die schneeweißen Marmormauern um die Stadt erkennen. Mein vorläufiges Ziel lag mitten in einem riesigen Tal. 

Drumherum waren Felsen, Steinfelder und Sand. Und hin und wieder konnte ich eine Reihe von Holzpalisaden erkennen, die voneinander getrennt, um den Rand des Kraters aufgestellt waren. Es sah aus, als wäre ein Riese mitten durch das Tal gelaufen und hätte große Teile der ehemaligen ganzen Palisade einfach zertreten. 

Nördlich der Stadt glänzte ein runder See in der aufgehenden Sonne und ich spürte plötzlich, was für einen Durst ich hatte. Ich schritt die Düne herunter in Richung der Stadt.

Kurz vor Sonnenaufgang hatte ich das Gebirge hinter mir gelassen und wanderte mitten durch die Wüste auf Shilmon zu. Die Schattenseite der Dünenlandschaft war ein perfekter Ort für die nächste Pause, die ich mir nach dem Angriff der Solopos gönnte. Im abgekühlten Sand zu schlafen hatte mir gut getan und meine Energievorräte wieder aufgefüllt. Außerdem war ich optimistisch: In Shilmon würde ich sicher einen großen Schritt vorankommen! 

Diese Symlia, von der Jii mir erzählte, konnte mir sicherlich etwas über die alten Geschichten Kazookos und den Pulswächtern erzählen. Dafür, dass Kazooko vor Jahrtausenden ein Weltreich war, kannte man in den nördlichen Ländern relativ wenig über die glorreiche Vergangenheit des Landes. Ich fragte mich, ob Symlia auch ein Mitglied des Amhioj-Clans war. Jii hatte mir nur von ihrem Wissen erzählt, aber nicht wie sie aussah oder welche Verbindungen sie außerhalb Shilmon's hatte.

Nach ungefährt zwanzig Minuten kam ich am Rand des Kraters an. Links von mir begann eine der seltsamen Holzpalisaden. Ich untersuchte den Anfang und konnte erkennen, dass das Holz gesplittert war. Ich vermutete, dass eine oder mehrere Personen die Palisade zerstörten, um in die Stadt zu kommen. Vielleicht waren es die wasserstehlenden Stämme, von denen Jii gesprochen hatte.

Ich dachte kurz darüber nach, den steilen Hang nach unten zu gehen, bis ich plötzlich eine Stimme hörte. Ich sah mich um. Von wo kam die Stimme? Ich legte die Hand über meine Augen und spähte die Umgebung genauer ab. Da, rechts von mir konnte ich eine Gestalt erkennen. Sie war etwa 50 Meter von mir entfernt und saß auf einem Pferd. Ich tastete nach meinem Schwertgriff, während ich die Person nicht aus den Augen ließ. "Braucht ihr Hilfe?", rief die Gestalt. Die Stimme war männlich und klang aufgeregt. Ich entspannte mich ein wenig. Schritt für Schritt ging ich auf die Person zu.

 "Hallo!", begrüßte mich ein älterer Mann mit dunkler Haut und Spitzbart. Er hatte schneeweiße Kleider an und sah aus wie ein Nomade. "Hallo...", grüßte ich zurück, stoppte aber 5 Meter vor dem Mann. Er machte irgendwie einen sympathischen Eindruck mit seinen wirr umherstehenden Haaren und dem Spitzbart, der bei der kleinsten Bewegung wild auf- und abwackelte. Auch der übergroße Beutel über seinen Schultern unterstrich diesen Eindruck. 

"Braucht ihr Hilfe?", wiederholte der Mann. 

"Nein, eigentlich nicht. Ich suche nur einen guten Weg runter nach Shilmon." 

"Aha, soso..."

Der Mann grinste belustigt und deutete mit seiner Hand auf eine gepflasterte Steinstraße, die kurz vor dem Rand des Kraters begann und im Zickzack nach unten in Richtung Stadt verlief. 

"Ich glaube, dass hier könnte euch helfen, mein Freund!"

Wieso bezeichnet man in dieser Region hier jeden als Freund?, fragte ich mich. Das Pferd des Mannes schnaubte, als würde es sich auch über meine Unwissenheit amüsieren. "Ahm.. vielen Dank, Herr."

Ich ging auf die Straße zu, froh, gleich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. 

"Ich werde euch begleiten, mein Freund. Ich bin übrigends Falaz.", sagte der Mann fröhlich. 

"Ich muss auch in die Stadt."

"Meinetwegen. Ich heiße übrigends Ozmir", sagte ich gleichgültig, obwohl ich in Wirklichkeit froh über ein bisschen Reden war.   

Die Tage in Kazooko waren mitunter doch schon sehr einsam und soweit ich es überprüft habe, trug der Mann auch keine Waffen. Gemeinsam schritt ich mit Falaz in den Krater herunter. 

"Was sucht denn ein junger Bursche wie du in Shilmon? Und wie heißt du überhaupt?", fragte der Mann nach ein paar Minuten. 

Ich sah zu ihm hinauf und seine kleinen Augen strahlten wirkliches Interesse aus. Er war mir wirklich sympathisch, trotzdem konnte ich ihn auch nicht von meiner Mission erzählen. "Ich heiße Ozmir...", ich log ohne mit der Wimper zu zucken. Sehr gut. "... und bin ein Bote aus...", schnell durchforstete ich mein Gedächtnis nach einem Stadtnamen in Puroschkko.

"Alk'been. Ich soll dem Stadtrat von Shilmon eine Nachricht überbringen."

 Ich hatte meine Antwort gut gewählt, denn Nachrichten zwischen Stadträten fragte man nicht einfach nach. 

"Aha. Soso... ich bin auf der Suche nach Käufern für meine Teppiche. Ich hörte, in Shilmon werden zurzeit viele neue Häuser gebaut. Da mach' ich bestimmt ein gutes Geschäft mit dem Verkauf von Wohnungsdekorationen."

 Er klopfte optimistisch mit den Füßen gegen die vollen Satteltaschen. 

"Kennt ihr euch dort gut aus, Falaz?", fragte ich, während ich über einen einen großen Felsen mitten auf der Straße stieg.

Wie kam der nur dahin?  Falaz's Pferd trabte gemächlich um das Hindernis herum und mein Gesprächspartner antwortete lachend: "Nicht wirklich, nein. Ein guter Freund von mir war dort schon einmal. Er sagte, dass man in den Hauptstraßen der Stadt lieber keinen Straßenverkauf treiben soll. Die Stadtwachen sehen dass garnicht gern und sie können einen dafür aus dem Viertel werfen."

Nach kurzem Überlegen fügte er noch hinzu: " 'Gehe lieber auf die kleineren Basare, da gibt es viel weniger Betrüger und Taschendiebe'; darauf hat er mich auch noch hingewiesen." 

Ich wollte dem gerade zustimmen, als ich plötzlich von rechts ein Scharren hörte. Ich fuhr herum und starrte in den Sand, der neben der Straße lag. Das Pferd von Falaz wieherte. Offenbar war ihm unwohl. Nur Falaz selber ritt pfeifend weiter. Ich war inzwischen stehengeblieben. Das Scharren wiederholte sich. Plötzlich sah ich an einer Stelle, wie Sand aufgewühlt wurde. Gleich einer kleinen Fontäne sprühten die Körner nach oben und gaben den Blick auf ein kleines, spitzes Bein frei. Dann kam noch eins zum Vorschein. Beide Beine wedelte hin und her und gruben sich blitzschnell auf dem Sand heraus. 

Mit einer bösen Vorahnung erkannte ich die schuppige Haut, den kleinen Kopf und die fiese, vergiftende Zange des Solopos. 

"Falaz, seht mal!", wies ich meinen Begleiter an.

Falaz drehte sich um und sein Lächeln erstarb, als er den fleischfressenden Käfer sah. Der Solopo war etwa zehn Meter von uns entfernt. 

"Hooo, Alado, ganz ruhig.", sprach Falaz seinem nervösen Pferd zu und tätschelte ihm den Hals.

"Lass uns schnell von hier verschwinden, Junge. Komm mit. Diese Biester sind dreist!" 

Was du nicht sagst! Das Tier hatte uns noch nicht gesehen, ich fragte mich, ob es von dem Sand in seinen Augen noch etwas blind war. Wir bauten schnell einen sicheren Abstand zum Solopo auf. Das Viech folgte uns zum Glück nicht.

Die Stadt war nicht mehr weit, als wir am Fuß des Kraters ankamen, schätzte ich den Weg auf einen halben Kilometer. Nicht mehr lange und ich werde in Shilmon wichtige Informationen für meine Mission erhalten...

SandgeiselΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα