- Kapitel 1 -

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In der Taverne war es heiß. Vielleicht sogar noch heißer als draußen auf der trockenen, rissigen Straße. Die Hitze staute sich oben an dem behelfsmäßigen Dach, welches aus ein paar alten Holzbrettern zusammengezimmert war. Weiter hinten in dem Gebäude befand sich eine Theke, in der ein alter, glatzköpfiger Mann Gläser putzte. Es gab in der Taverne nur ein großes Fenster, das restliche Licht schimmerte durch das behelfsmäßige Dach herein. 

Um mich herum war eine relativ friedliche Atmosphäre. Wenn man von den zwei großen Männern absah, die gerade einen jungen Burschen in einem hinteren Winkel bedrängten und dem Kartenspieler, der bei einem schlechten Blatt wohl kurz davor war, seinen Mitspieler zu erstechen, gab es für mich durchaus einen Unterschied zur letzten Taverne. Dort wurden gerne Schießübungen auf leere Biergläser veranstaltet. Und manchmal auch auf leere Köpfe.

Während ich mich durch die zerkratzten Tische hindurch zwängte -der Laden war verdammt klein- bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie ein Mann, Mitte dreißig mich interessiert anstarrt. Das muss er wohl sein, denke ich mir. Das kantige Gesicht mit dem schwarzen Haar, die Nase gleich einer Klinge, der Spitze Bart, die graue Kleidung. 

Ich ging weiter in Richtung Theke, setze mich dort auf einen leeren Hocker und bestelle ein Bier. Als ich den Becher schon halb leer getrunken habe, -der eine Kartenspieler ist inzwischen wutentbrannt aus dem Gebäude gestapft-, kommt der Mann zu mir. Zuerst unauffällig. Dann, als er bei mir ankommt, beginnt er.

Er bestellte einen Becher Wasser. Während er auf die Bestellung wartete, stupste er mich mit dem Ellenbogen in die Seite. Als ich mich zu ihm drehte, entschuldigte er sich mit diesem typisch orientalischen Akzent, zwinkerte mir aber ganz leicht zu. 

Dann wanderte sein Blick auf seine beiden Hände, die er sorgfältig auf den dreckigen Holztresen gefaltet hatte. Kaum bewegte ich meine Augen dorthin, legte er auch schon los. Blitzschnell bewegte er seine Hände, spreizt die Finger, zeigt kurz auf mich, dann formte sein Daumen und sein Zeigefingern einen Kreis. 

Als nächstes klopfte er mit den drei mittleren Fingern der rechten Hand auf das Holz und dann fuhr sein Daumen über den Nagel des linken Mittelfingers. Zum Abschluss legt er seine Handfläche frei und bewegt die Finger. Es ging so schnell, nicht mal zwei Sekunden später lagen die Hände des Mannes wieder gefaltet, als wäre nichts passiert. 

Keiner der Umhersitzenden hat die Zeichensprache gesehen. Die blitzschnelle Zeichensprache des Amhios-Clans. Ich brauche etwa 3 Sekunden, bis ich die Wörter, die er gezeigt hat, in meinem Kopf zusammenfügen konnte. Du. Ich. Treffen. Hinter. Taverne.

Ich trank mein Bier aus, schmiss dem Wirt zwei Silbermünzen auf den Tresen und ging mit völlig ausdruckslosem Gesicht aus der Taverne. Links vom Ausgang führte ein schmaler Pfad hinter das kleine Gebäude. 

Ich tat so, als wäre ich garnicht da, keiner der Passanten beachtete mich und innerhalb von einer halben Minute war ich hinter die Taverne gehuscht. Überall waren kleine Kisten gestapelt und Glasscherben lagen auf dem Boden. Es stank nach Alkohol und Pisse. Hoffentlich bin ich bald raus aus diesem Drecksloch. Ich lehnte mich an die Wand und wartete auf den Mann. Als er dann wenige Minuten später kam, schüttelten wir uns die Hände.

"Sei gegrüßt, mein Freund aus dem Norden. Ich habe sehr viel über dich gehört."

Er grinste und zeigte dabei seine braunen Zähne. Ich nahm meine beigefarbene Kapuze ab und antwortete:

"Es ist eine hohe Kunst, die Zeichensprache deines Clan so gut und schnell zu vollführen, Jii."

Das Kompliment zeichnete ein Lächeln auf sein Gesicht. Doch dann kam ich sofort zur Sache. Viel Zeit blieb uns nähmlich nicht.

"Hat dein Clan neue Informationen für mich?"

Das grelle Sonnenlicht spiegelte sich in Jii's schwarzen Augen.

Mein Informant gehörte zu einer Gruppe, die sich selbst Amhios-Clan nannte. Soweit ich wusste ist der Amhios-Clan eine Untergrundorganisation, welche von der Siedlung in der ich mich befinde bis zum Hoheitspalast des Sultans von Puroschkko seine Mitglieder hatte. 

Ihr Ziel ist die Vereinigung der knapp eintausend untereinander verfeindeten Stämmen, die im gesamten Land, sogar in den heißesten Regionen der Kazooko-Wüste ihre Lager haben. Ihr Ziel versucht die Gruppe mit allen Mitteln zu erreichen, dazu gehören auch illegale. Dementsprechend riskiere ich auch viel, dieser Gruppe zu vertrauen. Aber ich brauchte sie.

Jii holte tief Luft und antwortete:

"Kázem, mein Boss, hat mir versprochen, ich erhalte eine angemessene  Belohnung für Informationen..."

Er dehnte das letzte Wort gehässig. Doch bevor ich darüber nachdenken konnte, sprach Jii auch schon weiter.

"Die Tage in der Wüste sind hart und Informationen sind neben Alkohol und Weibern das beste Tauschmittel für Geld..." 

Ich wischte genervt seine Worte weg.

"Schon kapiert. Aber ich habe leider kein Geld mehr. Die letzten zwei Münzen sind für das Bier draufgegangen."

Ich spuckte den bitteren Geschmack des Getränks auf den Boden.

"Wenn man das überhaupt Bier nennen kann!" 

Jii kniff die Augen zusammen, zog seinen Gürtel stramm, während er sagt:

"Du lügst... Ich habe, als du das Bier bezahlen wolltest gesehen, wie du drei Münzen hervorgeholt hast und eine dann wieder durch die Finger zurück in die Tasche rieseln ließest."

Triumphierend sah er mich an, wie ein Schulbursche, der gerade eine extra schwere Schulaufgabe fertiggelöst seinem Lehrer zeigt. Nur etwas böser. 

"Ehrlich?"

Mit einem überraschten Audruck sah ich in meine Tasche, passte auf, dass das übrige Dutzend an Münzen nicht verräterisch klimperte, während ich ein silbernes Geldstück -genau das gleiche, was ich vorhin aus Versehen herausgezogen habe- in die Hand nahm und so verwundert ansah, als würde es bunt leuchten.

"Zum Glück habe ich so einen scharfen Blick.", kommentierte Jii.

Ich warf ihm das Geldstück zu, er fing es geschickt auf. Sein Blick war wie verrückt auf die Münze fokussiert. Plötzlich spürte ich einen Blick der auf mich gerichtet war. Ich sah mich unauffällig um, aber da war niemand, außer mein Informant und ich. Es schien alles in Ordnung...

Ich ergriff wieder das Wort.

"Also dann...Jii... sag mir jetzt alles, was ich wissen will!"   

SandgeiselWhere stories live. Discover now