Sie irrt nachts mit gesenktem Kopf durch die dunklen Straßen North Philadelphias. In der Ferne hört sie noch Schreie und Rufe, die jedoch schon bald verklingen. Sie bewegt sich langsam und leise voran und erschreckt sich vor jedem Laut und Schatten. Zerfranste Vorhänge, die aus einem Fenster im ersten Stock wehen, erinnern an Geister und lassen das Mädchen erschaudern. Obwohl es Sommer ist, weht ein starker Wind der ihr in den Ohren pfeift. Der Mond ist kaum zu sehen und die Straßenlaternen, in diesem verranzten Stadtteil, die noch funktionieren geben nur ein schummriges Licht ab.
Das Adrenalin fließt noch immer durch ihre Adern und sie hört ihr Herz bis in ihre Ohren pochen. Den kalten, fremden Schmuck hat sie bereits tief in der Hosentasche versenkt, doch in dieser Stille kann man ihn trotzdem klappern hören. Die zierliche Gestalt biegt in eine Gasse ein und bleibt wie erstarrt stehen als sie eine dunkle Silhouette mit gesenktem Kopf einige Meter von ihr entfernt stehen sieht.
Sie atmet leise ein, doch in diesem Moment hat sie das Gefühl, dass sogar eine Kettensäge hätte leiser aufheulen können. Sie schlägt sich innerlich auf die Stirn und geht ihre nächsten Schritte im Kopf durch. Weglaufen wäre wahrscheinlich dumm, aber dort rumzustehen führt auch zu nichts. Die Gestalt rührt sich nicht.
Schlussendlich nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen und fragt: "Wer bist du?" Sie erhält keine Antwort. Zuerst will sie einfach gehen, aber sie ist neugierig also geht sie einen Schritt auf die Person zu und will erneut fragen, als diese den Kopf hebt. Wieder bleibt sie erstarrt stehen und mustert das nun zu erkennende. Ein junger Mann mit dreckigem Kapuzenpulli. "Was macht jemand wie du um diese Uhrzeit an so einem Ort?", ertönt eine tiefe, raue Stimme. Er nimmt seine Kapuze ab und nun kann man ihn komplett betrachten.
Der Unbekannte hat harte Gesichtszüge und dunkle, fast schwarze Haare. Seine definierten Wangenknochen und sein Kiefer stehen hervor und seine stechend blauen Augen erkennt man sogar im schlechten Licht. Sein Gesicht ist von keinem Bart überwachsen auch wenn er mehr oder weniger außerhalb der Zivilisation zu leben scheint.
"Ich weiß nicht genau, was du meinst.", antwortet sie schließlich unsicher und versucht ihre Herkunft zu verbergen. "Oh doch, und wie du das weißt.", meint er nun und hängt noch ein verächtliches "Prinzessin" hintendran. Sie überlegt kurz, ob sie ihm eine schlagfertige Antwort geben soll, belässt es aber dann dabei und stellt nur fest: "Du bist von hier oder?" Er nickt knapp, ist wahrscheinlich nicht an einem weiteren Gespräch interessiert, bedeutet ihr nach hause zu gehen und dreht sich dann selbst um. Sie will grade gehen als ihr noch etwas einfällt.
"Hey du", er dreht sich langsam wieder um, "Ich hab' hier was für dich, Fremder." Sie fischt nach der teuren Halskette in ihrer Tasche und wirft sie ihm zu. Er fängt sie gekonnt auf, guckt aber überrascht und haucht: "Danke." Er zögert, ehe er ein "Jayden" dranhängt. "Ich bin Heather", sage sie lächelnd, bevor sie sich umdreht und mit großen Schritten aus der dunklen Stadt verschwindet.
BINABASA MO ANG
Behind the rails
Teen FictionEine Rivalität zwischen Arm und Reich. Vor den Eisenbahnschienen und dahinter. Und dazwischen Heather und Jayden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die verschiedenen Welten reißen sie auseinander. Intrigen, Straßenkämpfe, illoyale „Freunde"...
