Nr.2 - Ankunft

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Unser Auto bleibt abrupt stehen und ich richte mich schreiend auf. "Tut mir leid, Amelia. Dein Bruder ist abrupt stehen geblieben", entschuldigt sich mein Onkel. Ich nehme die Kopfhörer aus meinen Ohren und drücke mein Handy in meinen Rucksack. "Sind wir schon da?", frage ich verwirrt und schaue aus dem Fenster. Um uns herum sind überall schöne große Häuser und Leute zu sehen. Leute gießen hier gerade ihre Blumen, machen ihren kleinen Vorgärten sauber oder reden mit den Nachbarn. Kleine Kinder sitzen auf Decken und spielen miteinander oder laufen durch die Gegend. Das ist hier ja wie in einer schlechten Werbung. Eine Werbung, bei der man sich nur fragt, wo es denn um Himmelswillen so aussieht. Und ich habe die Antwort, Seattle!
Alles sieht ordentlich, hübsch, gepflegt und TEUER aus. Wenn wir tatsächlich hier in der Nähe leben sollten, wie können wir uns so ein Haus leisten? Wir sind nicht nur wegen der schlechten Vergangenheit, sondern auch wegen der schlechten Bedingungen umgezogen. Wir konnten unser altes Haus finanziell nicht mehr halten und mussten es versteigern lassen. Warum zur Hölle sind wir dann hier gelandet? Wir haben in einem Familienreihenhaus gewohnt und sollen jetzt hier wohnen? Wo beinahe Villen stehen?

"Wir sind da", sagt mein Onkel aufgeregt. Ordentlich parkt der den Umzugwagen vor unserem neuen TEUREM Haus. Gleich muss ich unbedingt herausfinden, was der scheiß hier eigentlich soll. Das Haus, unser Haus, sieht verdammt teuer aus. Als das Auto stehen bleibt springe ich direkt aus dem Wagen. Boden. Boden. Boden. Ich habe die 13 Stunden tatsächlich überlebt. Für eine Person, die das Auto fahren hasst und schon beinahe eine Phobie dagegen hat, ist das eine wirkliche Meister Leistung.

Zwar habe ich keine Sekunde davon geschlafen, aber ich habe es überlebt. Ich lasse mich auf den Rasen vor unserer Haustür fallen und presse meine Hände auf meine Augen. Das Einzige, was ich mir jetzt wünsche, ist ein Bett, obwohl ich dieses jetzt nicht einmal benötige. Irgendjemand lässt sich ebenfalls auf den Rasen neben mir fallen. "10 Stunden am Stück Autofahren ist überhaupt nicht witzig", murmelt mein Bruder genervt. "Was war ihre Ausrede?", murmle ich ebenfalls. "Tage... Sie ist nur ganze 3 Stunden gefahren", gibt er sauer zurück. "Wie war der Abschied von Kim?", frage ich, um das Thema zu wechseln. "Gut", antwortet er und setzt sich wieder hin. Kim war seine On/Off-Beziehung in Miles City.
"Gleich Abendessen und danach müssen wir drei Betten aufbauen", sagt mein Bruder erschöpft. "Was willst du essen?", fügt mein Bruder hinzu. Meine Augen schließen sich und ich schlafe plötzlich ein.
"Amelia, wach auf", mein Bruder rüttelt an meiner Schulter. Erschöpft öffne ich meine Augen und schaue ihn an. "Wie lange habe ich geschlafen?", flüstere ich und bin kurz davor wieder ein zu schlafen. Es hat sich wie 3 Tage angefühlt. "10 Minuten... Ich würde dich gerne schlafen lassen, aber Onkel Mike und ich schaffen das nicht alleine und Mom ist heute echt für nichts zu gebrauchen." Mein Bruder greift nach meiner Hand und zieht mich mit einem Ruck auf. Mein eigenes Bett und noch zwei andere zusammen aufzubauen, schaffe ich wirklich nicht. Ich bohre mir noch in den Finger oder vergesse ein Bein. Warum stellt sich meine Mutter überhaupt so an? Als würden einen die Tage so schlimm umbringen. Ohne Fleiß kein Preis, sagt man doch so gerne. Sie legt sich auf die Couch und schläft dann oder wie soll ich mir das vorstellen? Kartons kann sie ja auch nicht auspacken, die Tage sind so schlimm.

Mit meinem Bruder gehe ich erschöpft in unser neues Haus. Wir sehen es gleich zum ersten Mal und ich würde lügen, wenn ich sagen würde dass wir nicht aufgeregt sind. Bis jetzt hat es nämlich nur meine Mutter bei einer Geschäftsreise einmal gesehen. Etwas mulmig macht mich diese ganze Sache hier schon etwas. Wir ziehen von einem viel kleineren Haus, welches wir uns nicht mehr leisten konnten (!), in ein neues viel größeres, welches wir uns ganz bestimmt nicht leisten könnten!

 Wir ziehen von einem viel kleineren Haus, welches wir uns nicht mehr leisten konnten (!), in ein neues viel größeres, welches wir uns ganz bestimmt nicht leisten könnten!

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"Kommt herein, Kinder", sagt meine Mutter erfreut. Viel zu sehr erfreut. Skeptisch schaue ich mein Bruder an. Vielleicht bin ich auch nur so paranoid, weil ich extrem müde bin. Vielleicht interpretiere ich einfach zu viel hinein.

Mein Bruder und ich gehe in das Haus herein. Und ich muss zugeben, dass ich noch nie ein so schönes Haus gesehen habe. "Mom, wie können wir uns das leisten?", platzt es aus mir heraus. "Ich kenne den Mann, dem das Haus gehört. Ich mache sein Haus sauber und achte das alles ihre Richtigkeit hat und dafür dürfen wir hier drin wohnen", sagt sie stolz und grinst. Ich schaue prompt zu meinem Bruder. Das ist doch niemals die Wahrheit. "Mom, das Haus ist voller Möbel und doppelt so groß wie unser altes Haus! Und wir müssen nur sauber machen um hier zu wohnen?!", meldet sich mein Bruder zu Wort. "Er ist ein Geschäftsmann und kommt gar nicht dazu hier zu wohnen und damit die schönen Möbel nicht umsonst da sind holt er sich öfters Untermieter. Er will einfach nur, dass das Haus nicht leer steht", erklärt meine Mutter.
Das ist auf jeden Fall nicht die Aussage, die ich hören wollte.

Mein Bruder jedoch, der Schwachkopf, ist schon total Feuer und Flamme für das Haus und kauft meiner Mutter diese Erklärung ab. "Geht nach oben und sucht euch ein Zimmer aus", das lässt sich mein Bruder nicht zweimal sagen und läuft schon die Treppe nach oben. Und er ist der ältere von uns beiden? Manchmal habe ich das Gefühl, dass sein Gehirn zurück geblieben ist und ich doch die ältere bin. Vielleicht ist er ja auch nur adoptiert oder ich bin es...

"Geh auch hoch, Schatz", meine Mutter lächelt mich an. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und gehe langsam nach oben, ohne wirklich den Augenkontakt zu verlieren. Ich werde die nächste Zeit auf jeden Fall ein Auge auf meine Mutter werfen.

New Life - New Problems [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt