„Nein, ich bringe sie zu uns." Gab ich deshalb bekannt und Michael zog nur eine Augenbraue hoch, nickte aber. „Na gut, wenn du meinst."

„Was meinte sie vorhin?" meldete sich Chris nun wieder zu Wort und Michael sah ihn fragend an.

„Was ist mit Tyler?" fügte Chris ziemlich ernst hinzu, ich sah sofort weg und fuhr Tess über ihr nasses Haar. Sie sagte nichts mehr, ich konnte nur hoffen, dass sie es nicht verschlafen hatte. Denn schließlich musste ich sie noch zu unserer Wohnung bringen.

Michael sah Chris mit großen Augen an, genauso wie ich sagte er erstmal gar nichts. „Du weißt nichts davon?" meinte Mikey dann und als ich mich zu Chris wandte, konnte ich sehen, wie er seinen Kopf schüttelte. Seine Augen waren voller Panik, er ahnte wohl, dass Tess trotz ihres leistungsschwachen Zustandes doch die Wahrheit gesprochen hatte.

„Oh Mann, sorry Kumpel, aber...er...na ja...er und Ash hatten einen Autounfall und..." Michael sprach nicht weiter, ich schloss meine Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Auch wenn er nur die Wahrheit sprach, fand ich es echt scheiße von ihm, dass er mich dabei erwähnte. Und das auch noch in meiner Anwesenheit.

„Scheiße, was?" Chris wandte sich zu mir, seine Augen weit aufgerissen. Ich versuchte ihn einfach nur zu ignorieren und entfernte meinen Körper leicht von dem von Tess, um nachzusehen, wie es ihr inzwischen ging. Sie schlief nicht, aber sie war bleich wie ein Gespenst und das Zittern war auch nicht besser geworden.

„Ich muss sie hier weg bringen, kann mir jemand ein Taxi rufen?" fragte ich und sah zu Michael, der mich noch immer entschuldigend ansah, aber schon bald riss ich ihn zurück in das Jetzt und er nickte nur. Dann zog er sein Handy aus der Hosentasche und rief uns ein Taxi.

„She said to me, forget what you thought", sang Tess etwa zehn Minuten später vor sich hin, während ich sie in ihren nassen Klamotten den Bürgersteig entlang zu unserer Wohnung trug. Im Taxi war sie noch ziemlich ruhig gewesen, jedoch war sie irgendwann hellwach geworden und hörte seitdem nicht auf zu reden bzw. singen.

„Coz' good girls are bad girls that haven't been caught!" Sie hielt ihre Augen geschlossen, ihr Kopf lag auf meiner Schulter und sie baumelte ihn immer wieder leicht hin und her.

„So just turn around and forget what you saw..." nun öffnete sie ihre Augen, mit denen sie direkt in meine blickte und auf ihren Lippen bildete sich ein schwaches Lächeln.

„Coz' good girls are bad girls that haven't been caught!" sie hob ihren Zeigefinger und stupste damit an meine Nase. Dann ließ sie ihren Kopf wieder zurück auf meine Schulter fallen und kicherte. Ihr Kichern zwang mich dazu, meine Augen für einen Moment zu schließen. Ich hatte ihr Lachen so vermisst, auch wenn dieses volltrunkene Lachen anders klang wie ihr normales, wenn sie wirklich glücklich war.

Ich hatte sie in meinem ganzen Leben noch nie so betrunken erlebt. Na ja, um ehrlich zu sein, hatte ich sie noch überhaupt nie betrunken erlebt. Sie war immer das totale Gegenteil einer Trinkerin gewesen, sie hatte nie mehr als nur ein Glas davon getrunken. Sie war das totale Gegenteil von einem Partygirl und somit das komplette Gegenteil von ihrem Bruder gewesen. Aber genau das hatte sie für mich so interessant gemacht. Ihre ruhige und gelassene Art hatte mich immer so sehr entspannt, man konnte mit ihr immer stundenlang einfach so irgendwo liegen und sich über alles Mögliche unterhalten, es war nie langweilig geworden. Und auch wenn sie mit auf eine Party gegangen war, hatte sie ohne Alkohol meist noch den größeren Spaß gehabt als alle anderen. Sie war einfach sie selbst gewesen, und sie hatte sich auch nie etwas daraus gemacht, wenn irgendwelche Leute blöde Kommentare abgegeben hatten, da sie so überhaupt nicht war wie Tyler. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ihr dieser Vergleich mit ihrem Bruder ziemlich auf die Nerven gegangen war und sie so einfach nur sie selbst sein wollte. Nicht die kleine Schwester von McFlittchen, sondern einfach nur Tess.

Unavoidable ~ With Or Without YouWhere stories live. Discover now