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Odessa, Odessa, Odessa Blue.

Wieso nennt man sein Kind Odessa? Vor allem, wenn man schon mit dem Nachnamen Blue gestraft ist? Aber um ehrlich zu sein, kann ich meiner Mom nicht böse sein. Ich liebe sie viel zu sehr. Ich habe sowieso keine Freunde oder Verwandte, die mich mit diesem Namen aufziehen könnten.

Ich atme einmal tief aus, lass die negativen Gedanken aber nicht weiter an mich heran und stopfe stattdessen mein Mathebuch in meinen Schulrucksack.

Als ich fertig bin mit dem Packen meiner Tasche, stelle ich mich vor den Spiegel im Flur und betrachte mich wie so oft. Ich finde mich nicht hässlich. Nein, tue ich nicht!

Ich versuche mich verzweifelt von meinen Worten zu überzeugen, während ich meine Kette mit zitternden Händen in der Hand halte. So eine Scheiße aber auch. Wieso kann ich sie nicht einfach abnehmen? Diese Kette entscheidet, ob ich glücklich werde, oder nicht. Wenn man es so interpretiert wie ich. Wenn ich meinen Seelenverwandten treffe, dann leuchtet sie und macht so komisches Zeugs.

Wenn ich also meinen Seelenverwandten treffe, dann werde ich glücklich. Wenn ich ihn nicht finde, dann werde ich nicht richtig glücklich. Ich rede nicht nur Müll. Es ist so, ich habe es selbst erlebt.

Mom hat nie ihren Seelenverwandten getroffen. Wieso gibt es mich dann? Ja, als ich kleiner war wusste ich es nicht, weil sowas wie Fick-Beziehungen nicht zu meinem Wortschatz zählten. Mom nannte ihn, den Erzeuger, einfach nur Arschloch, mir ist es bis jetzt recht.

Es ist unglaublich kompliziert mit diesen Ketten. Ich will nicht als Jungfrau sterben, aber mit einem Jungen zu schlafen, der nicht mein Seelenverwandte ist? Na, ich weiß nicht. Meine Mutter ist unheimlich offen und als sie eines Tages mit diesem Thema angefangen hat, konnte ich nicht anders als laut loszuprusten.

"Odessa, es ist vollkommen okay sich in dieser Welt wie eine Schlampe zu benehmen. Wenn du deinen Seelenverwandten triffst, dann wird er seinen Vorgängern danken.", meinte sie ganz plötzlich, während ich auf ihrem Bett saß und eine Zeitung las.

Bevor ich wieder gegangen bin, meinte sie dann aber sehr ernst:" Odessa, du bist doch auch nicht meine Seelenverwandte und trotzdem liebe ich dich mehr als mein Leben."

Lächelnd wende ich mich vom Spiegel ab, schnappe mir meinen Rucksack und laufe zur Bushaltestelle, sodass ich meine Mutter vor der Schule noch besuchen kann. Sie ist immer sehr dankbar, wenn ich selbstgemachte Pfannkuchen mitbringe. Wenn sie isst, kann sie wenigstens keine Fragen stellen. Wie es zum Beispiel finanziell aussieht. Nämlich gar nicht gut, aber das möchte ich ihr nicht sagen, obwohl sie es bestimmt schon weiß. Sie sieht es an meinen Klamotten. Jeder sieht es an meinen Klamotten und vielleicht habe ich deshalb keine Freunde. Weil die Gesellschaft fucked up ist und so etwas wie innere Werte interessiert keinen. So wird der Gedanke, dass ich einen Seelenverwandten habe, den ich mir nicht selbst aussuchen darf, etwas besser. So weiß ich wenigstens, dass ich weiß, dass es eine Person gibt, die mich richtig lieben wird.

Als ich aus der Haustür gehe, schlägt mir sofort die eisige Kälte ins Gesicht, weshalb ich mir meinen Schal dreimal um den Hals wickle und meine Mütze tief ins Gesicht ziehe.

Nach drei Minuten kommt der Bus und zum Glück schaffe ich es am Busfahrer vorbei, ohne dass er mich nach meinem Fahrschein fragt.

Wieso muss das Leben eigentlich so fies zu mir und meiner Mutter sein?




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