EINS

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Ich würde ja gerne behaupten, dass ich nur in dieser Situation steckte, weil ich betrunken war. Aber dafür hätte ich schon mehr als zwei Gläser Sekt trinken müssen.

Der Grund warum ich an Silvester, oder genauer gesagt an Neujahr, mit Blake Harrington in seinem Strandhaus rumknutschte, war etwas schwieriger zu erklären. Es war eine Mischung verschiedener Gefühle: Enttäuschung, Trotz und auch Mitleid.

Die ersten beiden empfand ich aufgrund von Corey, meinem Exfreund. Mit ihm war ich fast das ganze letzte Schuljahr zusammen gewesen, bis er im Sommer Newport verlassen hatte, um zu studieren. „Wir" hatten Schluss gemacht, wobei es mehr seine Entscheidung war und ich mir einfach nicht anmerken lassen wollte, wie weh mir sein Abschied getan hatte.

Als er dann an Thanksgiving zuhause war und wir gemeinsam Football sahen, war da wieder diese Spannung zwischen uns. Er hatte mir sein verschmitztes Grinsen gezeigt, sich fast schon auffällig durch die kurzen, blonden Locken gefahren und immer, wenn wir miteinander gesprochen hatten, lag da dieser besondere Blick in seinen Augen.

Über Weihnachten war er wieder zuhause und vorgestern hatten wir dann dieser Spannung nachgegeben.  Ich war bei ihm zum DVD schauen verabredet, seine Eltern waren nicht zuhause und meine Mutter hatte Nachtschicht. Corey war mein Nachbar, weshalb es leicht war, vor dem Heimkommen meiner Mum nach Hause zu schleichen. Meine drei Jahre ältere Schwester Sophie wusste außerdem darüber Bescheid und hätte mich notfalls auch gedeckt.

Nachdem Corey und ich miteinander geschlafen hatten, war ich noch in seinem Bett liegen geblieben und hatte mir seinen Pulli geschnappt. So hatte ich es früher auch immer getan. Doch während ich mir ausmalte, dass wir unsere Beziehung vielleicht doch wieder aktivierten – in wenigen Monaten hatte ich Abschluss und sein College lag auf Platz eins meiner Bewerbungsliste – sah Corey das anders.

Ich dachte, er würde über den Jahreswechsel noch in Newport bleiben, doch während ich noch kuscheln wollte, warf er mich praktisch aus seinem Bett. Und dann machte er mir auch noch klar, dass ich seinen Pulli da lassen müsste. Den bräuchte er fürs Wochenende, weil er da mit seinen Kumpels weg fuhr, um zu feiern.

Ich war enttäuscht und fühlte mich ausgenützt. Anscheinend hatte Corey in mir nichts mehr als eine Ferienbeschäftigung  gesehen, denn seitdem hatte er sich nicht mehr bei mir gemeldet.

Und das führte mich zu meinem nächsten Gefühl: Trotz.

Gestern hatte ich zwar erst noch geheult, dann waren allerdings Zoe und Lauren vorbeigekommen und hatten mich davon überzeugt heute mit auf Blake Harringtons Strandhausparty zu kommen. Es war Silvester und sie wollten auf keinen Fall zulassen, dass ich an diesem Abend alleine zuhause rumhockte. Die beiden waren es auch gewesen, die mir geraten hatten, mir jemanden aufzureißen. Wobei keine der beiden wohl damit gerechnet hatte, dass ich mir gleich den heißen Gastgeber selbst suchen würde. Aber das war auch nur aufgrund des dritten Gefühls.

Mitleid.

Es war kurz vor zwölf gewesen und alle hatten sich hinterm Haus versammelt, um mit zu erleben, wie der Himmel von Feuerwerkskörpern erhellt wurde. Lauren lag bereits in den Armen von Phillip, ihrem Langzeitfreund, und Zoe hatte sich einen attraktiven Südländer angelacht. Ich hingegen stand alleine da und hörte zu, wie der Countdown herunter gezählt wurde. Der Plan, mir jemanden aufzureißen, hatte nicht geklappt. Einerseits, war ich selber zu schüchtern gewesen, einfach jemanden anzusprechen, andererseits waren die beiden Typen, die es bei mir probiert hatten so betrunken gewesen, dass es mir zu blöd war. Meine Laune war also im Keller.

Doch dann sah ich ihn.

Blake Harrington.

Er lehnte an der Steinmauer, die die Terrasse seines Strandhauses umzäunte und anstatt einem Mädchen im Arm, hielt er eine Flasche Wodka zwischen den Händen. Gedankenverloren glotzte er auf die Öffnung und hob die Flasche langsam an.

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