Neue Adoptivfamilie ✓

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Genervt öffnete ich die Tür und lief auf den gut besuchten Hof. Wie konnte Mrs. Wilder mir einfach schon wieder eine F in der Deutscharbeit geben? So schlecht war ich doch eigentlich nicht. Okey, ich gebs ja zu. Ich hatte so meine eigene Meinung bezüglich des Schulsystems und hatte diese auch mehr als klar ausgedrückt. Den mal ehrlich, wenn interessierte es schon, was der Unterschied zwischen einem College und einer Universität war oder welche Gesetzte uns vorschrieben zur Schule zu gehen und welche nicht? Denn meiner Meinung nach, konnten Sie sich den ganzen Circus darum sparen. Es war nun mal Fakt, dass es Menschen gab, die oft mehr über das Leben und die Welt wussten, als so manch anderer mit einer höheren Schulbildung. Doch leider interessierte das ja niemanden, weder die Lehrer noch das Gesetz. Für Sie waren wir nur Nichtsnutze die kein Recht hatten, ein politisches Statement abzugeben oder überhaupt unsere Meinung offenzulegen. Und das alles nur, weil wir dem Anschein nach nicht genug Bildung oder Reichtum vorweisen konnten. Aber mal ehrlich, was war schon der Unterschied zwischen denen und uns? In jeder Hinsicht sollten wir gleichberechtigt sein und doch wurden wir trotzdem jeweils anders behandelt, nur weil uns Einfluss, Bildung oder Geld fehlte. Da fragte man sich dreifach, was aus dieser unmissverständlichen Welt nur geworden war.

Gedankenverloren schüttelte ich meinen Kopf und lief quer über den Hof zu unserer Sporthalle. Sporthalle traf es dabei jedoch eher weniger, denn der kleiner Betonblock den wir als solche hier bezeichneten, hatte seine besten Jahre definitiv bereits hinter sich. Das einzige Gute an dieser kleinen Halle war, das sie von den anderen Gebäuden ein wenig entfernt stand, weshalb ich hier gerne meine Pausen verbrachte. Hier war es schön ruhig und ich konnte hier wirklich gut nachdenken, weswegen ich auch gerne hier herkam. Zusätzlich war es aber auch der Stammplatz von meinen Freunden und mir, weil uns hier niemand störte und wir in Ruhe uns über neue Aufträge oder Ereignisse bei den Shadows unterhalten konnten. Daher wunderte es mich auch nicht, das ich schon von weiten Flair sah, die sich sitzend an einen Baum gelehnt hatte und rauchte. Ich setzte mich zu Ihr und kramte in meiner Hosentasche nach meiner Zigarettenschachtel, um mir auch eine Zigarette anzuzünden.

"Bist du aus einem bestimmten Grund hier oder einfach nur so?" Flair drehte ihren Kopf in meine Richtung und grinste mich schelmisch an.

"Muss es immer einen Grund geben um hier seine Ruhe haben zu wollen?" meine Antwort klang etwas zickiger als geplant, aber Flair war das zum Glück schon gewohnt. Sie wusste genau, wenn man mich in so einer Situation wie gerade nervte, würde man auch keine freundliche Antwort bekommen.

"Nein, natürlich nicht aber du kommst immer nur hier her wenn es tatsächlich einen gibt" besorgt musterte Flair mich und ich konnte nicht anders als meine Augen zu verdrehen. Wieso kannte Sie mich nur so gut? Eigentlich kannte ich Sie erst seit zwei Jahren und natürlich liebte ich Sie über Alles, aber manchmal war es doch echt erschreckend, wie gut Sie mich doch kannte.

"Ja oke du hast ja recht. Mrs. Wilder hat mir wieder eine schlechte Note gegeben und dann als ich mich rechtfertigen wollte, hat sie mich einfach aus dem Unterricht geworfen und mich zu Mrs. Hasenfuß geschickt. Aber zu der bin ich erst gar nicht gegangen, weil ich mir den Tag nicht verderben wollte. Und gibt's bei dir?" Bei meinem Argument gegenüber Mrs. Hasenfuß, versuchte Flair sich das Lachen zu verkneifen, was aber nicht wirklich funktionierte.

"Nichts besonderes. Eigentlich wie bei dir. Ich hab dir doch erzählt ich soll als Strafarbeit den Küchendienst eine Woche lang übernehmen. Und heute hat mich dann, nachdem ich den Auflauf zu lange im Ofen gelassen hab und er mir total angebrannt ist, der Koch beiseite gezogen und mich angeplaumt von wegen, ich solle mich in seiner Küche nicht mehr blicken lassen und so weiter." Bei ihrer Erzählung fing ich an zu Lachen und selbst bei Flair schlich sich ein kleines Lächeln auf die Lippen, als sie über ihren "Unfall" berichtete. Ihr müsst wissen, Flair war die schlechteste Köchin die ich jemals gesehen hatte. Ich war zwar auch nicht die Beste darin, aber sie schaffte es ja schon allein eine Tiefkühlpizza anzukokeln und das musste schon was heißen. Sie war in dieser Hinsicht wirklich ein hoffnungsloser Fall.

Lächelnd stand Sie auf und klopfte den Dreck von ihrer Hose, bevor sie mir die Hand hinhielt damit ich ebenfalls Aufstehen konnte. Ich ergriff ihre Hand und Sie zog mich nach oben. Gemeinsam liefen wir zurück auf den Hof und stellten uns zu Mike und Luis, die anscheinend jetzt auch Pause hatten.

Maik umarmte ich als erstes, bevor ich mich zu meinem besten Freund Luis umdrehte und ihn glücklich ansprang. Er stolperte kurz zurück, wohl etwas erschrocken über meine plötzliche Aktion, hielt mich jedoch dann an meinen Beinen fest damit ich nicht wieder runterrutschen konnte.

"Nicht so stürmisch, Kleine." er strahlte mich an und drückte mir einen kleinen Kuss auf die rechte Wange bevor er mich wieder runter ließ. Als ich ihm brüderlich auf die Schulter schlug zog er mich mit einem Lächeln wieder an sich. Ich lehnte mich an ihn ran und beobachtete lächelt Mike und Flair, die sich hier auf dem voll gefülltem Hof regelrecht auffraßen. Als hätten Sie es erst jetzt bemerkt, lösten sich die beiden voneinander und Mike zog Flair an der Taille zu sich und drückte ihr noch einen kurzen Kuss auf ihre Stirn. Die zwei waren schon echt süß zusammen und es freute mich Flair so glücklich zu sehen.

Ich drehte mich wieder zu Luis um und sah ihm zu, wie er sich eine Zigarette anzündete und daran zog.

"Was machen wir heute?" fragte ich Ihn, weil ich auch ohne zu Fragen wusste, das die zwei hinter mir mal wieder etwas Zeit für sich alleine brauchten.

"Weiß nicht schlag was vor" nuschelte er mit der Zigarette im Mund, dabei beobachte er mich schelmisch wie ich angestrengt überlegte. Hier im Heim gab es nun wirklich nicht viel Spannendes zu erleben, weswegen wir sehr oft eher etwas außerhalb machten. Dafür das das Heim jedoch nicht direkt in der Stadt lag, war es doch recht nah an einer Bushaltestelle gelegen, weshalb wir hier auch problemlos verschwinden konnten, ohne das es jemand bemerkte.

"Wir können wenn du willst bisschen bei den Shadows trainieren, dann kann ich dich Verlierer wieder mal beim Boxen schlagen " lächelte ich und nahm ihm die Zigarette aus der Hand um selbst einen letzten Zug zu nehmen, ehe ich sie fallen ließ und austrat.

"Na warte" sagte Luis streckte seine Hände aus um mich zu Kitzeln, doch ich zog mich im letzten Moment zurück und begann zu rennen. Er rannte mir hinterher und es dauerte nicht lange, bis er mich eingeholt und fest im Griff gepackt hatte. Luis fing an mich zu kitzeln und ich versuchte vor lauter Lachen wieder Luft zu bekommen. Erst als ein lautes Räuspern, ich glaube mal rechts von mir aus, kam, ließ er mich in Ruhe und ich atmete tief ein und aus, um meine Bauchkrämpfe wieder unter Kontrolle zu bringen. Luis hatte mich immer noch an der Hüfte gepackt, ließ mich jedoch sofort wieder los, als er unsere Heimleiterin Mrs. Hasenfuß entdeckte die neben uns stand und mich abschätzig musterte.

"Miss Black, ich will Sie ja nun wirklich nicht stören, bei dem was Sie da gerade machen, aber ich habe wichtige Neuigkeiten für Sie. Ach und Mister Clark wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass das Rauchen hier verboten ist? Das wird Konsequenzen haben, das verspreche ich Ihnen. Und sie beide, haben sie nicht Unterricht? So weit ich weiß, hat er vor 10 Minuten begonnen, also hop hop. Miss Black, kommen Sie" Mrs. Hasenfuß zeigte auf jeden einzelnen von uns mit ihrem gekrümmten Finger und versuchte wie so oft gegenüber uns ein wenig Autorität zu vermitteln. Dabei war dieser Zug nun wirklich schon längst abgelaufen und ich denke das wusste Sie besser als wir alle hier. Ich hatte diese Frau von Anfang an nicht leiden können, weshalb ich mit Ihr schon sehr oft hitzige Diskussionen führen musste. Sie behandelte uns immer wie der aller letzte Dreck, wobei sie gerade mich immer wieder gerne bestrafte. Und das nur weil ich ihr des Öfteren mal die Meinung gegeigt hatte, was Sie offenbar nicht gerade so toll empfunden hatte, so böse wie Sie mich gerade wieder musterte.

Ich sah meine Freunde entschuldigend an, bevor ich mich umdrehte und Ihr bockig hinterher lief. Wenn das jetzt nicht wirklich wichtig war, dann war es aber entgültig mit meiner Selbstbeherrschung für heute gelaufen. Ich folgte Ihr in das Büro im Westflügel des Jugendheims und trat in ihr Büro, wo eine Frau, vielleicht Mitte dreißig bereits auf einer dieser Stühle saß und mich breit anlächelte. Das konnte nichts gutes bedeuten und als hätte Mrs. Hasenfuß meine Gedanken gelesen, setzte sie noch einen drauf.

"Das, Miss Black, ist ihre neue Adoptivmutter Mrs. Smith." dabei grinste sie auch noch so widerwärtig als hätte man ihr gerade das schönste Weihnachtsgeschenk überreicht.

ShadowgirlWhere stories live. Discover now