Kapitel 12.

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"Ach...", grinste ich verschmitzt. "Nichts, was dich unbedingt interessieren sollte" Damit drehte ich mich um und stolzierte davon.

Als ich die Tür aufstieß, und hereinhuschte, lehnte ich mich von drinnen erstmal gegen die nächste Wand und atmete aus. Woher war gerade dieses verdammte Selbstbewusstsein gekommen?! Ich hatte ihn einfach ironisch angegrinst und war davon gelaufen. Ich kam mir bescheuert vor, auf so eine Kleinigkeit stolz zu sein, aber es war für mich einfach nicht typisch.

Ich legte mein Ohr an die Tür und bemühte mich, zu verstehen, was draußen gesprochen wurde.

"Lass die Finger von ihr", hörte ich gedämpft. Es war Graysons Stimme. "Was denkst du denn, habe ich vor?", fragte Ryan.
"Ich weiß, dass du mit ihr das abziehen wirst, was du mit allen abziehst...", knurrte Grayson.
"Bruder", Ryan klang entspannt. "Seit wann hattest du nicht mehr deinen Spaß? Seitdem du augestiegen bist? Das ist echt traurig. Die Weiber stehen Schlange bei dir, und was tust du? Du lernst für Latein?!" Er lachte. Grayson hingegen schnaubte verächtlich.

Jemand tippte mir von hinten auf die Schulter und ich fuhr erschrocken herum. Ein Mann, mit Kisten beladen, wies zur Tür. Ich trat einen Schritt beiseite, damit er sie öffnen konnte. Etwas böse schaute ich ihm hinterher, da er daran schuld war, dass ich jetzt wahrscheinlich einen Teil des Gespräches verpasst hatte.

Als ich wieder lauschen wollte, waren ihre Stimmen weit entfernt zu hören und ich vermutete, dass sie weggegangen waren.

***

Woraus war Grayson augestiegen? Und was wollte Ryan mit mir abziehen?

Ich wurde einfach nicht schlau aus den Gespräch der beiden. Schon seit zwei Stunden versuchte ich einzuschlafen, aber ich konnte einfach nicht.

In diesem Moment bekam ich eine Anfrage auf Skype. Ich entsperrt mein iPad und sah überrascht von wem. Ryan hatte mich angefragt. Ich zögerte kurz, nahm seine Anfrage dann aber an. Ich wunderte mich nur sehr, woher er meinen Namen hatte.

Ryan: Hey Kleine:P Morgen schon was vor?

Ich lächelte, ehe ich die Antwort eintippte.

Ne:)

Ryan: Dann komm morgen zu mir. Weißt wo?

Klar, bis dann*

Ryan: Ich freue mich **

Wenn ich ehrlich war, freute ich mich auch. Aber ich wusste auch nicht, was mich erwarteten würde. Das war gerade so schnell gegangen, dass ich gar nicht darüber hatte nachdenken können, ob ich überhaupt zu ihm wollte.

***

Am nächsten Morgen verbrachte ich über eine Stunde vor meinem Spiegel. Erst musterte ich mich. Ich war 164 Zentimeter groß und wog 42. War das zu viel? Oder war es das, was Ryan wollte? Hatte ich auch genügend weibliche Rundungen? Ich hatte mir noch nie in meinem Leben sorgen um meinen Körper gemacht. Eigentlich war ich immer sehr zufrieden gewesen. Jasper hatte nie ein Problem damit gehabt.

Ich schminkte mich heute mehr als sonst. Sogar ein bisschen Rouge trug ich auf. Und als Jasper, vermutlich um mit mir über gestern zu reden, anrief, ging ich nicht dran.

Ich zog mir ein neon-gelbes, lockeres, bauchfreies Shirt an und eine schwarze Hot-Pans.

"Wohin gehst du?", fragte Grayson und schaute mich durchdringlich an, als ich das Haus verlassen wollte.
"Kann dir egal sein", erwiderte ich.
"Ich soll mich um dich kümmern", meinte Grayson genervt.
"Tu' dir keinen Zwang an", fauchte ich. "Verbiete mir, wegzugehen. Ich tue es trotzdem..." Mit diesen Worten stolzierte ich aus der Haustür heraus.

"Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt", rief Grayson mir hinterher.
"Hast du auch nicht", brüllte ich.
"Jetzt schon."

Wütend schob ich das große, schwere Eisentor zur Seite und holte mein iPad heraus. Ich tippte Ryans Wohnort bei Google Maps ein und suchte die beste Route.

***

Bevor ich an seiner Tür klingelte, fuhr ich mir nochmal mit der Bürste durch die Haare und schaute an mir herunter. Meine (über zwei Jahre alten) grünen Chucks waren abgetragen. Die Sohle war schon sehr dünn und das grün schimmerte nicht mehr so. Vielleicht sollte ich mir neue Schuhe kaufen. Turnschuhe.

Dann klingelte ich.

Ryan öffnete die Tür und lächelte mir entgegen. Mir wurde warm ums Herz und ich erwiderte sein lächeln.
"Ich wusste das du kommst", meinte er grinsend.
"Klar, hab ich doch gestern gesagt?", sagte ich verwundert.
"Ach, weißt du...", er fuhr sich durch die Haare. "Grayson hat irgendwie ein Problem damit... Vielleicht ist er eifersüchtig?"
Ich lachte. Grayson war nicht eifersüchtig. Nicht wegen mir. Er hasste mich doch.

Ryan führte mich nach oben in seine Wohnung. Er war erst 18 Jahre alt, lebte aber trotzdem schon alleine.

Er wies auf einen bequem aussehenden Sessel direkt an einem großen Glasfenster. Von hier hatte man eine schöne Aussicht auf London.

"Willst du Tee?", fragte er mich und ich nickte, obwohl mir gar nicht so nach Tee war.
Während sich der Wasserkocher in Gang setzte, ließ Ryan sich auf den Sessel gegenüber mir fallen.

"Weißt du noch, was ich gestern zu dir gesagt habe?", fragte er mich. Ich nickte.
"Das mit meinem Körper und so?", fragte ich.
"Genau das. Weißt du, du bist mehr als du denkst...", meinte er nachdenklich.
"Wie meinst du das?"
"Es ist eigentlich ganz einfach. Du siehst doch den Laufsteg dort hinten?", er wies hinter mich. Ich drehte mich um. Vorher war er mir nicht aufgefallen, wie er das im dunklen lag.
"Ich dachte... vielleicht könnenten wir ein paar Photos machen", meinte Ryan mit einem zwinkern.
"Ich soll modeln?!", fragte ich entsetzt.
"Pff", machte er. "Modeln klingt immer so übertrieben. Einfach ein paar Fotos machen. Und alles, was du dafür tun müsstest, wäre ein bisschen auf deine Figur zu achten."
Ich schluckte. So etwas hatte man noch nie zu mir gesagt.

Ryan stand auf, um uns den Tee einzugießen. Er reichte mir die Tasse so, dass ich mich nicht daran verbrannte.

"Und was machst du dann mit den Bildern?", fragte ich neugierig während ich an meinem Tee nippte.
"Ich hab da so ne Website", erzählte er. "Dabei kommt schon 'n schönes Sümmchen raus..."
Ich nickte verständnisvoll und schaute gedankenverloren aus dem Fenster.
"Also?", fragte Ryan. "Machst du's? Hillary macht das auch." Deshalb war sie so dünn. Ich nickte.
"Ich versuchs", ich lächelte und er erwiderte mein lächeln.

***
Wir gingen in einen anderen Raum, um meine Daten aufzuschreiben.
"Stell dich mal unter diese Messleiste", forderte Ryan. Ich tat, was er sagte.
"1,65m groß", murmelte während er etwas aufschrieb.

"Und jetzt noch auf die Waage, dann sind wir fertig", meinte er nach einer Weile.
Ich wollte mich gerade auf die Waage stellen, da wurde ich von ihm zurück gehalten.
"So geht das nicht. Du musst dich aufziehen", sagte er und grinste dreckig.
Ich schluckte, tat aber, was er wollte. Schließlich stand ich (lediglich in Unterwäsche bekleidet) auf der Waage und spürte seine Blicke auf mir.

"42 Kilogramm...", murmelte er. "Beachtlich"

***
Ryan begleitete mich noch bis zur Haustür bevor er sich von mir verabschieden wollte. Ich sah ihn an und wartete darauf, dass er etwas sagen würde, aber er schaute mich nur an. Gerade als ich stattdessen etwas sagen wollte, beugte er sich vor und drückte seine Lippen und meine. Erst war ich erschrocken, dann erwiderte ich den Kuss. Er wurde fordernder und leidenschaftlich, was mich unsicher werden ließ.

Sanft fuhr er mit seinem Daumen über meinen Nacken und hinterließ Gänsehaut. Diesen Moment der Nervosität nutzte er um seine Zunge in meinen Mund gleiten zu lassen.

Es war ein erster Kuss. Und ich dachte an Jasper. An Grayson. Ich wurde immer unsicherer.

Wir lösten uns voneinander und ich rang nach Atem.

"Tja", grinste er dreckig. "Dann bis morgen..."

Verrückt nach dirWhere stories live. Discover now