Häschen Babbel

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Nicht vor alt zu langer Zeit lebte ein kleines Häschen bei seinen Eltern, verborgen in einem schattigen Bau unter einer alten Eibe. Sein Name war Babbel - nicht der schönste Name für ein Häschen, doch wohl für das jüngste Kind angemessen. Babbel hatte nämlich 6 größere Brüder, die alle mehr von sich hielten, als sie in Wirklichkeit unter Beweis stellen konnten. Doch in jedem Falle wären sie alle stärker als das Häschen, ginge es um ein Armdrücken - klar, sie waren auch älter und reifer. Jedoch ärgerte sich Babbel vorallem daran, dass es noch bei seinen Eltern im Zimmer schlafen musste!

Babbels Eltern, die immer höflich und nett auftraten, hatten sich damals erkundigt, um den größten Bau aufzutreiben, den es in der Gegend gab. Sie hatten nicht nur den Größten ausgemacht, sondern auch noch den Schönsten: direkt in der Nähe eines Weihers, verborgen zwischen hohem Schilf und abends schillernd im Rot der Sonne. Hier war der perfekte Ort, um nachts beim Einschlafen den Fröschen zu lauschen, wie sie quakend einen unter dem Sternenhimmel wach zu halten versuchten. Besser hätte das Hasenehepaar es nicht bekommen können, doch mit der Zeit und den ständig vermehrenden Kindern wurde auch dieser Bau immer voller, bis dann Babbel kein eigenes Zimmer mehr bekommen konnte.

Dieses hatte es gründlich satt, ständig unter den Augen seiner Eltern zu leben. So machte es sich also auf den Weg in der Nähe des Baus einen zweiten, ganz kleinen, Unterschlupf zu finden - nur für sich. Was würden seine Brüder staunen, wenn es ein komplettes Zimmer für sich besaß!?

Da seine Eltern ihn sicher fragen würden, wo ihn seine Wege hin verschlagen, sobald es aufbräche, beschloss es zu warten,  bis die letzten Grillen ihr Zirpwerk vollendet hatten. Auch weilte es noch bis das gemächliche Schnarchen von Babbels Vater durch die Gänge schnurrte.
Jetzt war seine Zeit gekommen: flink stahl es sich hinaus in die frische Luft. Noch nie hatte es so spät nachts hier draußen verbracht. Eine kurze Pause. Der Weiher lag pechschwarz in der Nacht - der Mond schien nicht; blieb hinter den Wolken verborgen. Auch der Wind hatte sich zur Ruhe gelegt und kein Grashalm rührte sich.

Die Nacht hatte die Macht,
die Gewalt über den Wald.

Babbels Vorhaben schrumpften augenblicklich - zwar konnte er sich nicht von diesem friedlichen Anblick lösen, doch schien auch Gefahr zwischen den Ästen zu lauern. Dunkelheit umspannte die Eibe und dort... ein Loch, noch nie hatte es Häschen Babbel gesehen. Wie ein Sauggulli sog es Schwärze in sich hinein. Am Tag verdeckten es Blätter und Äste und doch. Es lag frei.

Diese Chance ließ Babbel sich nicht entgehen; es sauste hinüber und fand eine gigantische Höhle vor. Tief grub sie sich unter die Wuzeln der höchsten Bäume und schlängelte sich hinüber zu einem Weizenfeld, unter dessen das Häschen in eine große Aushöhlung trat. Von wem war dieser Bau - offensichtlich nicht von dem eines Hasens (hier lebte ein mindestens 4mal so großes Tier) - und wo war der Bewohner gerade? Schon etwas mulmig zumute wollte sich Babbel schon abwenden und sehr schnell zurück nach Hause hoppeln, als plötzlich eine verzückte Stimme von hinten ertönte: "Wen haben wir denn da? Wer hat sich denn so spät abends in meinem Bau verirrt? Ach, Häschen Babbel aus dem Nachbarhause sozusagen!" Ein Fuchs schlich um das verängstigte Häschen. Seine Augen glühten in der Dunkelheit und musterten Babbel mit Vorfreude. "Hätte sich nicht ein größerer Happen des Nachts aus seinem Hause wagen können?"

Das Ende dieser Geschichte ist traurig. Der nächste Morgen weckte die Eltern des Babbels, doch dieses war fort - für immer! Für immer.

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