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Lavi

Es war ein komisches Gefühl, einen Jungen zu küssen. Ich hatte schon den ein oder anderen Kuss mit einem Mädchen gehabt, aber es war doch irgendwie was ganz anderes, wenn du es mit einem Jungen tust.
"H-hat es d-dir nicht ge-gefallen?"
Minos Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Seine Augen blickten direkt in meine und ich sah die Unsicherheit darin flackern.
"Was soll mir nicht gefallen haben?" Bei seiner Frage konnte ich nur die Stirn runzeln. Stattdessen zog ich ihn näher an mich heran und spürte seine nackte Haut auf meiner.
"Also? Was soll mir nicht gefallen haben?"
"D-der K-Kuss." nuschelte er und wendet den Blick von mir ab.
Verwirrt hob ich seinen Kopf wieder an und drückte einen weiteren Kuss auf seinen Mund. Sofort wurde er rot und ließ seine Stirn auf meine Schulter fallen.
"Beantwortet das deine Frage?"
Mino nickte nur und atmete einmal kräftig aus. Sein Atem berührte meinen Hals und jagte mir einen Schauer über den Rücken.
"Hey, Mino wir soll-"
"Ihr solltet euch mal was beeilen. Dein Vater steht schon im Wohnzimmer und-"
Jiro blieb verdattert in der Tür stehen und schaute uns an. Eine leichte röte zog sich über seine Wangen und dennoch blitze etwas neckisch in seinen Augen auf als sich ein Grinsen bildete.
"Ich will euch ja nur ungern stören, bei was auch immer ihr da versucht seit, zu tun. Aber könnt ihr das auf einen späteren Zeitpunkt verschieben?"
Ich spürte, wie Mino sich verkrampfte und warf einen Blick auf ihn. Er war noch viel röter geworden und vergrub sein Gesicht noch weiter in meiner Halsbeuge. Ich hingegen war so überwältigt über dieses süße Verhalten von ihm, dass ich nicht wollte, dass jemand anderes es auch sah. Und bevor ich mich noch daran hindern konnte, gab ich auch schon ein Knurren von mir und blickte meinem Beta in die Augen. Diese weiteten sich und er ging ein paar Schritte rückwärts.
"Ich warte dann unten." sagte er, bevor er die Türe schloss und ich seine sich entfernenden Schritte hörte.
Ein Hand legte sich auf meine Wange und eine andere in meinen Nacken. Dann spürte ich die sanften Bewegungen seiner Finger auf meiner Haut und entspannte mich wieder. Mino blickte mich besorgt und auch ein wenig tadelnd an.
"Warum hast du geknurrt?"
Ich zögerte mit der Antwort, aber seinem Blick konnte ich nicht anders, als zu antworten.
"Weil er dich.. SO gesehen hat." Ich deutete auf seinen Nackten Körper, dessen unterer Bereich nur von einer Boxershorts verdeckt wurde.
"Musst ihn doch trotzdem nicht anknurren." murmelte er.
"Doch! Nur ich darf dich so sehen. Niemand anderes." erwiderte ich forsch und sah erst jetzt das kleine Lächeln auf seinem Gesicht.
"Also gut, wir sollten und mal fertig machen, wollen meinen Vater und Jiro ja nicht länger warten lassen."
Ich drückte ihm noch einen Kuss auf und drehte mich zum Schrank um. Nur widerwillig löste ich meine Arme von ihm, was auch er anscheinend nicht wollte, denn aus dem Augenwinkel konnte ich einen Schmollmund sehen,  der aber schnell wieder verschwand.
Mit einem Grinsen drückte ich ihm einen Pullover von mir in die Hand, den er sich sofort überzog. Er war ihm natürlich zu groß, aber das schien ihn nicht zu interessieren. Nachdem er sich dann selber eine Jogginghose gegriffen hat und auch ich mittlerweile in bequemer Kleidung war, gingen wir ins Wohnzimmer.

"Ich hätte nie gedacht, dass sich mein Bruder mal so besitzergreifend benehmen würde." schmunzelte Jiro und strubbelte durch das bleiche Haar von Mino. Dieser saß neben mir auf dem Sofa, den Kopf gesenkt und knallrot im Gesicht.
"Das reicht jetzt. Du würdest dich zu hundert Prozent auch so benehmen, wenn du in seiner Situation gewesen wärst." verteidigte ich ihn und umklammerte sein Handgelenk, weil es mir ziemlich gegen den Strich ging, dass er meinen Gefährten anfasste.
"Du solltest das nicht so auf die leichte Schulter nehmen, Jiro. Es ist zwar schon abgeklungen, trotzdem wird sich Lavi bestimmt nicht zurückhalten, wenn du weiter so Mino anfasst. Auch wenn er dein Bruder ist." fügte mein Vater hinzu und mein Beta zog seine Hand wieder zurück, die ich nun freigab.
"Schon gut. Verstanden. Nur ist er normalerweise nicht so, und wollte ihn ein wenig aufziehen."
Ich unterdrückte ein Knurren bei diesen Worten und erfasste Minos Hand, die sich in sein Bein gekrallt hatte. Mit dem Daumen malte ich kleine Kreise auf seine Handoberfläche und seine Anspannung löste sich ein wenig.
"Kommen wir nun zum wesentlich wichtigerem Teil. Ich habe beschlossen härtere Maßnahmen zu ergreifen, die die Sicherheit dieses Rudels betreffen."
Mein Blick schweifte von Mino zu meinem Vater. Er sah micheindringlich an, bevor er fortfuhr.
"Ich habe, nachdem ich mit meinem Beta und anderen erfahrenen Mitgliedern gesprochen hatte, beschlossen, dass ich alle, die noch zur Schule gehen, hier in unserem kleinen Dorf unterrichten werden lasse."
Ich wollte meinen Mund schon aufmachen um etwas zu sagen, aber schloss ihn sogleich wieder, als ich seinen ernsten Gesichtsausdruck sah.
"Ich habe die Vermutung, dass aus diesem von mir erst gedacht kleinem Problem etwas größeres wird. Deshalb will ich sofort auf Höchststufe gehen. Ich will nicht riskieren müssen, dass noch die Schule überfallen wird und unsere gesamte Existenz infrage gestellt wird.
Auch werdet ihr nicht mehr das Haus verlassen, schon gar nicht in den Wald gehen. Das letzte Ereignis hat gezeigt, dass wir zu Unvorsichtig waren. Sie werden nur auf den richtigen Augenblick warten, bevor sie sich Mino holen."
"Ist es wirklich notwendig, so weit zu gehen? Ich mein-" ich versuchte zu widersprechen aber er unterbrach mich.
"Kein Aber. Und ich hoffe du markierst ihn endlich, bevor es jemand anderes tut." knurrte er und ich wusste, ich konnte nichts mehr dagegen tun. Was er einmal bestimmt hat, wird er nicht so schnell wieder ändern.
Auch wenn ich fand, dass er damit zu weit geht, uns regelrecht dazu zu drängen, uns gegenseitig zu markieren. Das spürte ich auch an dem unwohlen hin und her rutschen von Mino, der meine Hand deutlich fester als zuvor hielt. Mit einem unzufriedenem Gefühl zog ich Mino mit mir zurück in mein Zimmer.
"Was hast du vor?"
Jiros wütende Stimme hallte in meinem Kopf.
"Was meinst du?"
"Sag mir nicht, du willst meinen Bruder jetzt dazu zwingen, es mit dir zu tun?!"
"Wie kommst du denn darauf?"
"So wie du ihn in dein Zimmer gezerrt hast, kann man ja nichts anderes denken!!!"

Ich schaute zu Mino dessen Hand ich immer noch umklammert hielt. Sein Blick war gesenkt und er zitterte. Ich verstand was Jiro meinte und sofort durchzogen mich Schuldgefühle.
"Spinnst du, ich würde mich ihm doch nicht aufzwingen. Nur weil mein Vater will, dass ich ihn so schnell es geht markiere, heißt das nicht, dass ich es auch tun werde. Ich werde warten, bis wir soweit sind!"
Darauf antwortete er mir nicht mehr und schlussfolgerte, dass er mich nun in Ruhe lassen würde. Also wandte ich mich meinem Gefährten zu und zog ihn in meine Arme. Aber er schien das falsch zu deuten, denn sein Zittern wurde stärker und er wand sich in meinen Armen.
"Ich werde es nicht tun OK? Ich werde warten, bis du soweit bist. Wenn du nicht bereit dafür bist, werden wir nichts machen. Verstanden?"
Ich drückte ihn leicht von mir weg und sah ihm in die Augen. Er erwiderte den Blick unsicher und schaute schließlich auf den Boden. Ich lehnte meine Stirn gegen seine und hob leicht seinen Kopf. Dann drückte ich ihm einen kurzen sanften Kuss auf die Lippen und streichelte seine Wange mit einer Hand.
"Ich verspreche es dir. Ich werde dich erst markieren, sobald du bereit dazu bist. Und nicht vorher."
Er schaute mir wieder in die Augen bevor er seine Arme auf meinen Rücken legte und gegen meine Brust nickte. Ich küsste ihn auf den Kopf und setzte ihn dann aufs Bett.
"Wollen wir gegen all den Schock und Stress einen Film gucken?"
Mino nickte nur und machte es sich dann auf dem Bett gemütlich. Ich schob schnell irgendeinen Film rein und lehnte mich gegen die Wand, meinen Gefährten zog ich zwischen meine Beine und schlang die Arme um seinen Bauch. Er lehnte sich an mich und schon lag seine ganze Aufmerksamkeit auf dem Bildschirm.

Ich erwachte, als ich einen Schuss hörte. Sofort setzte ich mich richtig hin und schaute mich um. Dabei stellte ich fest, dass es nur der Fernseher war, der Film lief noch und ein Blick zum schlafendem Mino sagte mir, dass wir beide wohl eingeschlafen sind. Ich strich ihm ein paar Haare aus der Stirn und löste vorsichtig seine Arme und Beine von mir, die er irgendwie um mich gewickelt hatte. Ich war froh, dass er sich nicht mehr zu stark zurückhielt und auch ein wenig offener wurde.
Nachdem ich dann eine Decke über ihn gelegt und den Fernseher ausgeschaltet hatte, sah ich noch, wie Mino, schlafend und mit einem Gesichtsausdruck, der Missfallen zeigte, nach mir tastete, das Kissen zwischen die Finger bekam und es dann mit einem zufriedenem Seufzer an sich drückte. Lächelnd verließ ich das Zimmer und lief hinunter in die Küche. Unglücklicherweise saß mein Vater am Küchentisch und schlürfte an einem Kaffee. Er blickte auf und seine Gesichtszüge wahren nun sanfter als zuvor im Wohnzimmer.
"Ich hoffe ich habe Mino nicht allzu sehr erschreckt." versuchte er sich zu entschuldigen doch ich kam ihm dazwischen.
"Er hatte Angst, dass ich ihn nach unserem Gespräch sofort markieren würde! Warum sollte ich das tun, wenn er noch nicht mal genug Vertrauen gefasst hat. Ich bin ja schon froh, dass er mich überhaupt in seine Nähe lässt." wütete ich.
Mein Vater seufzte bevor er mich entschuldigend anblickte.
"Es tut mir wirklich leid. Aber momentan geht der ganze Stress mit mir durch. Außerdem habe ich auch etwas vor euch geheim gehalten."
"Was?"
"Ich hatte euch zwar gesagt, dass grade nicht so viele fremde und wilde Wölfe im Umlauf sind. Aber das stimmt nicht. Um euch nicht zu viele Sorgen zu machen habe ich euch extra nichts gesagt. Aber es ist genau das Gegenteil. Ständig sind neue da, betreten unser Gebiet und lassen sich nur schwer wieder vertreiben. Wir sind schon froh, wenn wir auch mal nur ein wenig Zeit zum verschnaufen haben können."
Ich sagte nichts mehr. Ich musterte meinen alten Herrn, der wirklich starke Augenringe hatte, blass war und ziemlich erschöpft aussah. Und da war er nicht der einzige. Wenn ich mir jetzt die anderen so ins Gedächtnis rufe, dann sahen sie genauso aus.
"Du hättest es uns ruhig sagen können. Dann hätten wir es besser verstanden und würden uns nicht so in die Haare kriegen." murrte ich dennoch und schnappte mir eine Flasche Cola und zwei Gläser.
"Vielleicht hast du recht, aber ich wollte euch noch nicht so mit hineinziehen. Ich dachte ich könnte es vielleicht regeln, ohne euch irgendwas davon zu erzählen."
"Du weist schon, dass ich bald mein eigenes Rudel führen werde. Da könntest du mir ruhig mehr darüber zeigen. Schließlich muss ich vielleicht später auch solche Ereignisse durchstehen." erklärte ich und war ein wenig enttäuscht, dass mein Vater anscheinend nichts davon hält, mich mehr einzuweihen.
"Vielleicht sollte ich das wirklich." murmelte er.
"Siehst du. Dann machen wir das so. Ab sofort hältst du mir keine Informationen mehr vor, die von den Aufgaben eines Alphas und vom Rudel handeln. Abgemacht? Und du wirst mich in Entscheidungen mit einweihen."
Er blickte mich nachdenklich an und schien mit sich zu ringen. Dann gab er auf und nickte.
"Na gut. Dann nimm deinen Beta auch gleich mit. Der soll schließlich auch was lernen."
"Und was machen wir mit Mino?"
"Zuerst werde ich mich bei ihm entschuldigen. Danach muss ich selber überlegen. Mir wäre es lieber ihn aus all dem rauszuhalten, vorerst. Aber dann denke ich wieder, dass er ja irgendwann die Luna deines Rudels sein wird. Da wird es ihn auch etwas angehen, was alles in seinem Rudel passiert."
"Wir können uns bis dahin ja was überlegen. Und jetzt grade kannst du nicht zu ihm. Er schläft."
"Schon verstanden."
Ein neckendes Lächeln bildete sich bei meinem Vater und ich warf ihm einen warnenden Blick zu bevor ich mit den Gläsern und Cola wieder in mein Zimmer verschwand. Dort schlief Mino immer noch und ich beschloss ihn weiter schlafen zu lassen.
Während ich meine Cola trank und auf dem Bett saß, fiel mir schließlich noch etwas ein. Sofort linkte ich meinen Vater.
"Was ist eigentlich mit den Wölfen passiert, die uns angegriffen haben?"
"Die haben wir weggesperrt. Ich hatte vor, mich Morgen um sie zu kümmern. Wenn du willst, können du und Jiro mitkommen. Nur sollten wir dann Mino daraus lassen."

Ich stimmte ihm zu und wir unterbrachen den Link bevor ich mich dem Beobachten des schlafenden Minos widmete.

Omega Of The Moon(Boy x Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt