23. Kapitel

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Wir sahen uns an. Cassy keuchte noch. Sie hatte wohl gerade das Nachbeben.

"Ernsthaft jetzt", sagte sie. "Was war das eben?"

Ich streichelte ihre Schultern und grinste. "Etwas wirklich Tolles."

Sie kicherte. "Ja... das stimmt schon. Du liebe Güte, es war mega toll!" Ihre Augen weiteten sich. "Aber was genau sagt das jetzt über uns aus?"

"Dass wir den Körper der anderen sehr gern haben?", entgegnete ich mit einer Gegenfrage.

Cassy setzte sich auf. "Nein, Leila, ganz im Ernst. Wir wollten uns treffen, um zu reden. Das, was wir gerade getan haben, ist krass weit von Reden entfernt." Sie sah verwirrt aus. Genauso verwirrt, wie ich es war.

"Ich bin genauso klug wie vorher, Cassy", gab ich mit Schamesröte im Gesicht zu.

"Aber", begann sie. "D... Du hast doch geschrieben, dass du jetzt weißt, was du willst."

Ich seufzte. "Das war ich nicht. Stella hat das geschrieben."

Cassy sah mich schockiert an. "Du hast jemanden unsere Nachrichten lesen gelassen?"

"Nein, so war das nicht. Stella ist meine beste Freundin. Sie war ein halbes Jahr lang weg und ist jetzt bei mir eingezogen. Sie war vor ein paar Tagen da, als du..."

"Als ich mich selbst nach allen Regeln der Kunst bloßgestellt habe?", fiel sie mir ins Wort.

"So würde ich das nicht sagen", murmelte ich peinlich berührt.

"Es war aber so", keifte Cassy. "Ich hab mich vor euch dermaßen blamiert, ich hab gedacht, ich kann mich nie wieder vor dir zeigen."

"Schwachsinn!", entgegnete ich. "Deshalb hab ich dir ja geschrieben. Ich hab mir gedacht, dass es dir sehr peinlich war, und wollte deshalb mit dir reden, um dir zu sagen, dass alles okay ist. Ich hab mich nicht getraut, dich anzurufen, weil..."

"Weil?", hakte Cassy nach.

Ich seufzte erneut. "Weil ich Angst hatte, dass du nicht abheben würdest, weil du nichts von mir hören willst. Deswegen hab ich dir ganz feige eine SMS geschrieben. Ich konnte nicht die richtigen Worte finden, deshalb hat mir Stella geholfen. Aber sie hat keine einzige unserer Nachrichten gelesen, das schwöre ich."

Für einen Augenblick war es ganz still. Dann sagte Cassy: "Diese Stella ist also deine beste Freundin?" Ich nickte. "Und sie wohnt seit neuestem bei dir?" Ich nickte erneut.

"Okay. Dann... Dann hast du ihr wohl von uns erzählt, hm?"

"Jedes Detail", gab ich zu.

"Natürlich. Ich meine, nach meiner Aktion hättest du ihr das sowieso irgendwie erklären müssen..." Cassy kicherte leise. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

"Und was hast du zu ihr gesagt? Ich meine, wie's gerade so um uns steht?", fragte sie.

"Ich habe ihr gesagt, dass wir eigentlich zusammen Spaß haben wollten und dann im Endeffekt doch alles nur im Streit geendet hat", erzählte ich.

"Hm." Cassy betrachtete ihre Fingernägel. "Und sie?" Sie blickte zu mir auf. "Was hat sie gemeint?"

Ich atmete einmal tief ein. "Sie hat gemeint, dass wir unterschiedlich empfinden. Denn wenn wir die selben Gefühle hätten, wäre es viel einfacher, uns zu einigen."

Cassy sah mich an. "Da könnte sie recht haben." Ich nickte nur stumm und starrte auf den Boden.

"Welche Gefühle hast du gerade?", fragte Cassy mich. Die Frage überrumpelte mich ein bisschen und ich wusste nicht, was ich Konkretes antworten sollte.

"Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher", sagte ich stockend.

Cassy platzierte sich so, dass sie genau auf Augenhöhe mit mir war. "Liebst du mich?", fragte sie.

Das Blut in meinen Adern gefror. Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass sie mich das so direkt fragen würde. Was bitteschön soll man auf so eine Frage entgegnen, wenn man keine Ahnung hat?

"Ich.. ähm..." Ich sah sie - tapfer, wie ich nun mal war, oder es zumindest zu sein versuchte - unverwandt an. "Nein."

Cassy hielt für einen Augenblick die Luft an. "Ich glaube, ich liebe dich auch nicht", presste sie hervor. Ich war etwas erleichtert. Eine Stimme in mir hatte gesagt, dass ich sie mit einer ehrlichen Antwort verletzen würde.

"Leila?"

Mein Blick wanderte zu ihrer Nasenspitze. "Kannst du dir vorstellen... nicht jetzt, sondern irgendwann später... Kannst du dir vorstellen, dass du dich irgendwann mal in mich verliebst?" Ihre grünen Augen erstrahlten in Unschuld. Sie sagte das so, als wäre sie eine Fünfjährige, die in ihren Cousin im Teenageralter verknallt ist und ihn bittet, noch zwölf Jahre auf sie zu warten und sie dann zu heiraten.

Ich hatte mich das noch nie gefragt. "Hmm... Ich glaube, ja", sagte ich und es war die Wahrheit, denn es fühlte sich in diesem Moment richtig an.

Cassy strahlte über beide Ohren. Sie kuschelte sich an mich. Ich legte den Arm um sie. Während ich ihren warmen Atem an meiner Schulter und in meinem Haar fühlte, wisperte sie: "Das reicht mir für's Erste."

CassyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt