8th Flight

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"Hier!", rief Hanbyeol energisch, nachdem Stille eingedrungen war.

Verwundert drehte ich mich zu ihm, da ich davor aus dem Fenster geschaut hatte. Breit grinsend hielt er mir mit beiden Händen etwas vor die Nase, das wie ein Geschenk aussah. Auf dem himmelblauen Geschenkpapier waren bunte Luftballons abgebildet. Sprachlos schaute ich zwischen ihm und dem Geschenk hin und her. Langam verzog ich mein Gesicht. Weil ich ihm das Geschenk nicht abnahm, schüttelte er es einmal.

"Hier, für dich Haneul. Alles Gute zum 15ten Geburtstag!", kam von ihm mit derselben Energie.

Ein stechender Schmerz fing an, meine Brust zu quälen. Gewaltig schluckend, fiel mein Blick nun endgültig auf das Geschenk. Mit aller Mühe versuchte ich mir die kommenden Tränen zu verkneifen. Meine Lippen fest aufeinander pressend, nahm ich vorsichtig das für mich bestimmte Geschenk. Ich konnte einfach nicht glauben, dass ausgerechnet er mir etwas schenkte.

"Wie?", war das einzige, was ich aus meiner Kehle stoßen konnte.

Ich war zu gerührt, um etwas Gescheites aus mir herauszubringen.

"Ich habe mit Mama und Papa geredet, dass ich mein Sparkonto auflösen möchte, weil ich es eh nicht mehr brauche. Allerdings habe ich Somi Noona gebeten, dein Geschenk zu besorgen."

Mich stets wunderschön anlächelnd, ging er mit seinen Händen an mein Geschenk und begann, das Geschenkpapier abzureißen. Wie konnte er mit so einer Leichtigkeit sagen, dass er sein Konto aufgelöst hat, weil er es nicht mehr braucht? Wie konnte er so leicht damit umgehen, dass er in Kürze sterben würde? Ich verstand es nicht. Es machte mich allein schon traurig zu hören, "dass er es eh nicht mehr braucht". Den Kummer so gut es geht verdrängend, machte ich mit zittrigen Händen das Geschenk auf. Auf den ersten Blick war es eine kleine Box, die ich erstmals öffnen musste. Den Deckel entfernte ich vorsichtig von dem Rest und schon erblickte ich neue, teure Kopfhörer. Bei diesem Anblick bröselte mein Herz immer mehr.

"Gefallen sie dir nicht?"

Schlagartig schaute ich wieder zu ihm und setzte ein gezwungenes Lächeln drauf. In derselben Geschwindigkeit wandte ich wieder meine Augen von ihm ab.

"Nein, nein, sie sind toll, ... aber auch richtig teuer."

Ihm entfuhr ein Seufzer.

"... Ich weiß, dass du mit dem Jobben angefangen hast, um deinen Teil zu den Krankenhauskosten beitragen zu können. Ich wollte dir einmal im Leben etwas schenken."

Oh nein, wenn das weiter so ging, könnte ich es nicht mehr halten.

"D-Danke, Hanbyeol. W-Wirklich danke.", bedankte ich mich bei ihm, mied aber bewusst weiterhin den Augenkontakt.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Dieser Person wartete es jedoch nicht ab, dass man sie hereinbat. Vielleicht war das ja meine Rettung. Hörbar ging die Tür auf und laute Fußschritte wurden hörbar.

"Guten Morgen, Hanbyeol. Oh, Haneul ist ja auch da! Dir auch einen guten Morgen!", begrüßte uns Somi, die ich an ihrer Stimme sofort erkennen konnte.

Mich zu ihr umdrehend, deutete ich eine leichte Verbeugung als Begrüßung an, während Hanbyeol sie richtig begrüßte.

"Du, Haneul, ich will ja nicht so sein, aber könntest du Hanbyeol und mich mal bitte allein lassen. Ich müsste mal für eine Sekunde mit ihm reden."

Ihr stumm zunickend, wandte ich mich wieder Hanbyeol zu, versuchte allerdings nicht so ganz auf das Geschenk und seine Worte einzugehen.

"Ich hole dir etwas aus der Cafeteria, okay?", gab ich trocken von mir.

"Oh ja, einen Kakao bitte!"

Glücklich grinste er weiterhin und schlug sogar die Fäuste in die Luft. Ein schmales Lächeln tauchte auf meinen Lippen auf. Mit diesen Worten stand ich anschließend von seinem Bett auf, nickte einmal Somi zu und verschwand schnellstmöglich aus seinem Zimmer. Kaum hatte ich die Tür äußerst vorsichtig geschlossen, konnte ich die Tränen nicht mehr halten. Wie auf Kommando schossen sie aus meinen Augen, doch ich zwang mich weiter zu laufen. Nicht, dass die gleich dabei waren, das Essen zu verteilen und ich stand hier heulend auf dem Gang. Schluchzend wischte ich mir ununterbrochen die Tränen aus dem Gesicht. Mit dem Laufen war es etwas härter, da meine Sicht leicht verschwommen war. Ich musste schauen, dass ich nirgends gegen lief.

Mir kam es allmählich so vor, dass Hanbyeol keine Angst vor dem Tod hatte und dass er sich irgendwie schonmal darauf gefasst machte. Wie konnte das denn bitte sein? Er war doch erst 11 geworden. Wenn er sich darauf vorbereitete, dann hieß es doch, dass er zu 100% wusste, dass er bald sterben würde. Ich... Wollte er mich wirklich ganz allein lassen? Wollte er hoch in den Himmel fliegen, während ich hier weiter auf der Erde rumschmorren musste? Diese Einstellung, ich hatte keine Worte dafür. Hanbyeol war derjenige, der praktisch im Sterben lag, doch trotzdem war er viel stärker und vernünftiger als ich. Innerlich fühlte ich mich betrogen, weil er es akzeptierte, ohne mich zu gehen. Ich hatte hier doch niemanden. Wieso war ich denn diejenige, die mit nichts zurückbleiben musste?

BalloonWhere stories live. Discover now