Kapitel 26 - Juans Sicht

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Der Größere der Beiden hatte hellbraune Haare und hatte einen tätowierten Körper, wobei sein Blick starr nach vorne gerichtet war. Der andere hatte blonde Haare und schien allgemein etwas verunsichert zu sein, als er sich auf dem einzigen freien Platz in der letzten Reihe neben die zwei amerikanischen Chaoten unserer Klasse niederließ, die ihn sogleich fragten woher er stammte, während er etwas verloren durch die Gegend blickte. Der Arme.

"Dass er sich gefälligst um seinen eigenen Mist kümmern soll."

Ein leichtes Lächeln zierte meine Lippen, als ich das hörte. Egal wie bescheuert sich Ezra manchmal verhielt - man konnte sich auf ihn verlassen. "Danke." murmelte ich leise, wobei mein Blick auf unseren Lehrer gerichtet war, welcher die Klasse über das Abiturjahr informierte. Ich musste mich wohl oder übel später darum kümmern, dass ich die Informationen ebenfalls bekam - zuhören taten wir schließlich nicht.

"So ganz zufrieden war er aber nicht mit meiner Antwort" fügte Ezra hinzu und stützte seinen Kopf auf seiner linken Hand ab, während er in der rechten Hand einen Kugelschreiber hielt und mit diesem auf seinen frischen Collegeblock herumstocherte. So verarbeitete er jedes Mal seinen Frust darüber, dass das Schuljahr neu begann. Dass er mit Ezra's Konter nicht zufrieden war, konnte ich mir gut vorstellen. "Soll er doch versuchen eure Beziehung zu zerstören. Wenn er es einmal versucht, ist er tot." fügte der Spanier hinzu und ließ seinen Kiefer und seine Knöchel knacksen, was aufgrund des ungewohnten Geräusches eine Gänsehaut auf meiner Haut verursachte. Ich grinste. "Was willst du denn tun? Ich darf dich doch daran erinnern, dass du in keiner Sportart aktiv mitgewirkt hast. Und allgemein stelle ich - so leid es mir auch tut - deine Sportlichkeit infrage. Aber der Wille zählt und dafür bin ich dir dankbar." Eine Drohung von Ezra konnte man einfach nicht ernst nehmen, wenn man ihn gut genug kannte. Er konnte noch nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun.

"Juan, Ezra jetzt reichts. Ich hab versucht euer Geschwätz gekonnt auszublenden in der Hoffnung dass ihr eure Gespräche im Abijahr einstellen werdet. Aber da es scheinbar nicht so ist, tauscht Ezra jetzt mal mit Alisha die Plätze." Wie auf Kommando hielten wir beide die Klappe und sahen uns gegenseitig an. Was sagte man denn in so einer Situation wenn man genau wusste, dass in wenigen Minuten die größte Tratschtante neben einem saß, die es im ganzen Internat gab? "Leb wohl, Bruder. Ich schreibe schon mal deine Grabrede", flüsterte mir Ezra zu, ehe dieser sich auf Alishas alten Platz neben Isaac setzte, der ihn breit angrinste. Ezra hatte Glück. Dieser saß neben jemandem, mit dem er sich prima verstand, während ich eine Dauerschwätzerin an der Backe kleben hatte.

"Hey Juan, stimmen die Gerüchte?" Ich seufzte. Das würde wohl oder übel ein langer Schultag werden.

Entnervt ließ ich mich neben Ezra, der bereits mit Gwen und einer verängstigten Mary in der Mensa an einem Tisch wartete, auf einem freien Stuhl nieder. Die Französin, die von Ezra scheinbar bereits über meine neue Sitznachbarin informiert wurde, grinste mich provokant an. "Und? Hattest du einen angenehmen ersten Schultag?" Anstatt zu antworten, fuhr ich mir erstmal ein paar Mal durch die Haare und griff nach der Karte, die auf dem Tisch lag. Es gab Fisch zum Mittagessen. "Alisha ist der Inbegriff für Anstrengend" murmelte ich und stützte meinen Kopf auf meiner Hand ab. "Und besser informiert als das FBI."

Ezra, der sich ja nicht beschweren konnte über seinen Sitznachbarn, fand das im Gegensatz zu mir eher belustigend als nervig und versuchte sich mühsam ein Grinsen zu verkneifen, was ihm natürlich nicht gelang. "Was wollte sie denn genau wissen?" fragte er, da er früher aus dem Klassenraum gekommen war als ich und sich somit noch nicht mit mir unterhalten hatte. "Ob die Gerüchte über Gwen und mich stimmen. Außerdem wollte sie mir einige pikante Details erzählen über verschiedene Beziehungen an diesem Internat, die mich absolut nicht interessieren."

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Ich lehnte in der Eingangstür des Internates - neben mir ein aufgeregter Ezra und eine Gwen, welche vermutlich etwas genervt war von den nervösen Gesten des Spaniers. Wir hatten eigentlich vorgehabt mit Frechdachs, ihrem Hund, eine Runde um den See zu gehen. Doch auf den Weg nach draußen hatten wir Ezra getroffen, der auf die Ankunft seiner Freundin wartete, welche mit dem Taxi in den nächsten Minuten kommen sollte. Also hatten wir uns dazu entschlossen ihm wenigstens in den Minuten etwas Gesellschaft zu leisten.

"Sie kommt" Wie auf Kommando drehten Gwen und ich unsere Köpfe in Richtung des Tores, durch das langsam ein Taxi gefahren kam, als Ezra von der untersten Treppenstufe aufsprang und ein paar Schritte vorlief. Ich folgte ihm einwenig langsamer, wobei auch Frechdachs, den Gwen an einer Leine festhielt, bellend die Treppen hinunterwollte. "Ezra!" Die Kellnerin aus Barcelona kam freuestrahlend aus dem Taxi gesprungen und wurde sogleich von ihrem Freund in die Arme geschlossen. Ein kurzer Blick zu Gwen reichte aus, um zu merken, dass auch sie diese überschwängliche Begrüßung einwenig übertrieben fand - sie hatten sich immerhin erst vor einer Woche das letzte Mal gesehen.

"Hey Lilli," begrüßte ich sie freundlich, hielt es aber nicht für nötig sie zu umarmen. Dafür kannte ich sie eindeutig zu wenig und schon gar nicht hatte sie mein Vertrauen. Außerdem hatte Ezra einen Arm um ihre Schulter gelegt - so als wolle er möglichst viel Zeit mit ihr verbringen. Da stahl ich den beiden ungern eine wichtige Minute. "Ich denke, wir lassen die beiden Turteltäubchen mal in Ruhe." vernahm ich Gwendolyns Stimme hinter mir, bevor ich zustimmend nickte und mich ebenfalls in Bewegung setzte.

Ich war unglaublich froh darüber, dass Gwen ebenfalls kein Fan von öffentlichen Liebesbekundungen war.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now