Das Dorf

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Der Nebel legte sich schwer in den Wäldern nieder. Die Kälte kroch umher und es war ein düsterer Morgen. Die Kleinstadt Sankt Mary lag am Fuße des Berges Mount Pray und schlummerte noch ruhig vor sich hin. Langsam schlich der Nebel zu dem Dorf, die Hauptstraße entlang und verkündete Stille. Totenstille. Kein Verkehr auf der Straße, selten verirrte sich jemand in die Idylle des kleinen Dorfes und so sollte es auch bleiben. Groß war die Gemeinde nicht, gerade mal Achthundertfünfzehn Einwohner zählte sie und ein paar Haustiere. Welche jedoch nicht erwähnenswert sind.

Neugierig schlich ein Mader durch den Nebel, auf der Suche nach etwas essbaren. Instinktiv hielt er sich neben der Hauptstraße. Das Geschöpf war schon öfters hier um die Mülltonnen der Bewohner zu durchwühlen, die oft etwas wegwarfen, was noch gut war. Der Boden wurde leicht erschüttert und der Mader richtete sich auf und blickte gegen den Nebel. Nichts zu sehen. Langsam lief er weiter, quer über die Straße um die Mülltonne am Stadtrand zu durchstöbern. Sie gehörte der Familie Smith und der Mader wusste, dass es dort etwas gab, was sich lohnte. Falls Mader so etwas wie ein eigenes Bewusstsein haben, versteht sich. Vom Hunger getrieben lief es über die Straße und erreichte die Mülltonnen.

Der schwere Humvee donnerte die Hauptstraße entlang, Richtung Sankt Mary. Zwei Soldaten saßen in dem schweren Fahrzeug und versuchten auf der Straße zu bleiben, die vom Nebel verdeckt war. „Gib mal ein wenig Gas. Wir haben an Zeit verloren, weil du den Weg nicht gefunden hast." Beschwerte sich der Soldat auf dem Beifahrer sitz. „Sei ruhig, ich fahr schon so schnell ich kann. Wenn du die Karte richtig gelesen hättest, wären wir schon fünfzig Kilometer weiter." Konterte der Fahrer und trat nochmal das Gaspedal durch. Der Wagen fuhr wie ein Eisbrecher durch den Nebel und bahnte sich seinen Weg. Eine kaum merkliche Erschütterung lies den Humvee leicht schwanken und der ungeübte Fahrer verlor die Kontrolle und fuhr gegen einen Felsen, ein wenig abseits der Straße. „Was zur?" rief der Beifahrer verwundert und stieg motzend aus. „Bist du total bescheuert? Wie willst du das denn nun den General erklären?" Der Fahrer sah den Rauch aufsteigen aus der Motorhaube und stieg aus. „Irgendwas hat mir das Lenkrad rumgerissen." Versuchte er sich zu verteidigen. Beide Soldaten gingen die Straße entlang und sahen noch, wie der Mader zuckend und schreiend dort lag. Vom Bauch ab war er zerquetscht worden und der Rest windete sich noch vor Schmerzen. Die Schreie des Tieres kamen nicht weit und wurden vom umliegenden Nebel verschluckt.

Beide Soldaten, der Fahrer war Anfang Zwanzig und hieß Henry, liefen die Straße entlang. „Willkommen in Sankt Mary", prangerte ein Schild neben der Straße und zeigte eine glücklich aussehende Familie. Steve der andere Soldat seufzte. „Na immerhin ist hier eine Stadt. Hoffentlich können die uns einen Wagen leihen, damit wir dem General Bericht erstatten können." Trostlos und wie ausgestorben sah die Stadt im Morgengrauen aus und der Nebel trug den Rest dazu. Henry und Steve gingen die Straße entlang und schauten sich um. Eine typische Kleinstadt eben. Eine Werkstatt, ein kleiner Supermarkt und ein Baumarkt reihten sich aneinander. Auf der gegenüberliegenden Seite war eine Tankstelle, ein Spirituosen und Tabakgeschäft, sowie das Postamt.

Alles war dunkel und beide wollten schon aufgeben, als sie Licht am Fuß des Berges sahen. Dort im Wald ragte eine Kapelle, wo Licht durch die Fenster schien. „Hey Steve, da scheint jemand zu sein." Sagte Henry und lief die Seitenstraße lang in Richtung Kapelle. „Na hoffentlich hat der Priester dort Werkzeug oder ein Ersatzauto." Spottete Steve und folgte Henry zur Kapelle. Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis sie bei der Kapelle ankamen. Gesang drang durch die Fenster und den Soldaten wurde es ein bisschen mulmig. Steve ging zur Kirchentür und öffnete sie. Mit einem lauten ächzen öffnete sich die Holztür und der Nebel schlich durch den Spalt mit den Soldaten in die Kirche. Den beiden Soldaten bot sich ein skurriler Anblick. Alle Menschen in der Kirche richteten ihre Augen auf sie und der Pfarrer vorne am Altar schaute mit kalten Blicken zu Steve und Henry rüber. Alles war mit Kerzen beleuchtet und die Anwesenden hatten braune Leinenroben an. Nur der Pfarrer wurde von einer, anscheinend, roten Seidenrobe geziert. Die schwere Holztür schloss sich mit einem knarren und stille umschloss die beiden Soldaten. Der Gesang wich lauten, schmerzerfüllten Schreien und wenige Minuten später war es wieder still. Der Gesang stimmte wieder ein und der Nebel legte sich ruhig über die Stadt. Die ersten Sonnenstrahlen krochen über den Berg Mount Pray und verhießen einen schönen Tag.

Die Mordokai Trilogie: Das DorfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt