Kapitel 12: Geständnisse

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Ein Teil von mir wollte mir am liebsten in den Arsch treten. Hatte ich eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Hatte ich Nikky wirklich Zeit gegeben, ein paar Anrufe zu tätigen, um mir einen liebevollen Empfang im Poets Corner zu bereiten? Nun ja, ein anderer Teil von mir behauptete, das wäre genau die richtige Entscheidung gewesen. Vertrauen beweisen, ihr ein paar Minuten Zeit zum Nachdenken geben, selbst Zeit zum Verdauen haben.

Mein Handy begann zu vibrieren. Ein Blick aufs Display ließ mich stutzen. Wenn Jim Stentson bei mir anrief, hieß das bestimmt nichts Gutes.

"Hallo, Jim. Was gibts?"

"Ray, hast du grad nen Fernseher in der Nähe? Dann schalt ihn an."

Zufällig kam ich gerade an einem Elektronik-Markt vorbei. Im Schaufenster liefen auf einem gigantischen Flatscreen, der für einen fast schon unanständigen Preis feilgeboten wurde, die Nachrichten.

"...wie es scheint zu einer spektakulären Entwicklung bei der Aufklärung des Anschlags an den Docks, bei dem einige Unterweltgrößen aus Nowhere City ums Leben kamen. Wie wir aus Polizeikreisen erfahren haben, wurden am Tatort Blutspuren gefunden, die Jimmy "the Saint" zugeordnet werden konnten. Das mysteriöse daran: Jimmy "the Saint" wurde vor etwa 5 Jahren für tot erklärt nach einem Anschlag, bei dem auch seine Lebensgefährtin ums Leben gekommen war. Die Leichen sind mittlerweile fast alle identifiziert. Bislang jedoch Fehlanzeige. Da jedoch jede weitere Spur von ihm fehlt, ist zum derzeitigen Ermittlungsstand noch nicht klar, ob es sich hier nur um einen makaberen Scherz, oder einen Fehler bei der Gerichtsmedizin handelt, oder ob er sich doch noch unter den Opfern befindet. Sollten sich die Spuren erhärten, wäre das eine kleine Sensation, die zahlreiche Fragen aufwirft..."

Der Boden begann sich zu drehen. Verdammt. Woher...?

"Ray, bist du noch dran?"

"...äh, ja."

"Wir sollten uns treffen."

"Denke ich auch. Jetzt gleich?"

Im Geiste sah ich ihn in seinem Büro sitzen. Chaotisches herumgewusle um ihn herum. Neue Spuren mussten verfolgt werden, Fragen geklärt. Wie konnte es sein, dass ein Schwergewicht wie Jimmy einfach so draußen rumlaufen konnte, ohne dass jemand davon wusste? Wo hatte er sich versteckt? Was war an den Docks wirklich passiert? War es überhaupt möglich, dass Jimmy noch lebte? Und wenn nicht - woher stammte das Blut?

Ich wusste, Jim wäre froh, dem Trubel kurz entkommen zu können, um "einen Informanten" zu befragen.

"Nichts lieber als das. Bei uns ist die Hölle los. Am Denkmal?"

Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte noch gut eine Stunde bis zu meinem Treffen mit Nikky.

"Bin gleich bei dir."

Wir verabschiedeten uns, legten auf. Ich hatte bestimmt genau so viele Fragen an Jim, wie er an mich.

***

Der Himmel war grau, es würde bald regnen. Aber noch war alles trocken. Jim saß bereits auf der Bank, als ich das Denkmal erreichte. Beim letzten Mal hatte die Sonne geschienen, aber nun hingen die Wolken schwer wie ein großes Fragezeichen über uns.

"Danke, dass du so schnell gekommen bist."

"Na bei solchen Meldungen..."

"Du kannst dir sicher denken, dass ich ein paar Fragen an dich habe."

"Sicher. Frag einfach. Mir ist auch das eine oder andere unklar. Ich denke, wir können uns beide weiterhelfen."

Er seufzte, sah mir in die Augen und nickte leicht.

Jimmy is Dead - ein Noire-KrimiWhere stories live. Discover now