Kapitel 25 - Gwens Sicht

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Stundenlang vom Freund schwärmen, bereits die nächsten 50 Jahre planen oder dauerhaft Kichern, weil man fröhlich war? Nein, da sprach man wirklich nicht von mir, mir wurde von sowas eher übel. Ich war einfach glücklich und genoss dieses Gefühl, mehr brauchte ich auch gar nicht, auch wenn es irgendwie ein schönes Gefühl war, es Mary zu erzählen und sein Glück zu teilen.

Sophie meine seit Jahren aller beste Freundin, die jedoch nicht dieses Internat besuchte, würde ich auch noch auf den neusten Stand bringen müssen, sonst würde sie persönlich hierher kommen und mir den Kopf abreißen, weil ich es gewagt hatte, ihr so eine wichtige Info vorzuenthalten. Was Temperament anging, waren wir uns nämlich sehr ähnlich, wobei sie in manchen Dingen sogar fast schlimmer war als ich.
Deshalb stand ich, nachdem ich meine Arm wieder von Marys Schulter genommen hatte, auf, um mich an den Laptop, der auf dem Schreibtisch stand, zu setzen.

"Skypst du jetzt mit Sophie?"
"Ja, denn wenn du dich schon aufgeregt hast, dass ich mir so viel Zeit gelassen habe, dann sollte ich bei Sophie keine Sekunde länger warten." Mary, die Sophie durch Erzählungen von mir und durch ein paar Mal gemeinsames Skypen bereits einigermaßen kannte, stimmte mir mir einem leisen Lachen zu.
Der Laptop war schnell hochgefahren und es ertönte nach einigen wenigen Klicks das nur all zu bekannte Geräusch eines Skype Anrufs, das nach wenigen Augenblicken von Sophies Stimme abgelöst wurde.
"Hey, was geht. Ich dachte du wärst auf dieser Feier heute?"
"Hey Soph, ja war ich, aber ist ein wenig was dazwischen kommen."
Da die Kamera Funktion an war, konnte Sophie deutlich mein Lächeln und das Funklen in meinen Augen erkennen, sie kannte mich bereits so lange, dass sie wahrscheinlich selbst aus meiner Stimme hätte einen Unterschied heraushören können.

"Ahaaa, ein dümmliches Lächeln, Funklen in den Augen... was lief mit Juan?"
Hinter mir auf ihrem Bett hörte ich Mary hinter vorgehaltener Hand leise kichern. "Ach, Hi Mary." Begrüßte Sophie diese sogleich, widmete sich dann jedoch wieder mir indem sie mich durch ihre Laptop Kamera intensiv und abwartend ansah.
"Haben uns unterhalten, getanzt, geküsst, sind jetzt zusammen."
Sophie sah mich mit einem 'Dein Ernst-Blick' an.
"Wow, ich hab das Gefühl, ich wäre dabei gewesen..." Sophie verdrehte bei ihrer sarkastischen Aussage die Augen. "Ich hoffe Autorin ist kein Wunschberuf von dir", zog sie mich anschließend auf.
"Nop, Polizistin ist immer noch mein Traumberuf."
"Na da passt deine Art Sachen zusammenzufassen immerhin gut hin." Sie grinste kurz
"Aber jetzt zu den wichtigen Dingen. Ihr habt euch geküsst? Wie war es? Wenn du jetzt mit 'schön' oder 'gut' antwortest, frag ich Mary nach seiner Nummer und schreib ihm die Frage", ihre Drohung war durchaus ernst gemeint, auch wenn sie dabei grinste, weshalb ich lachend die Hände hob um zu zeigen, dass ich mich ergab.
"Is ja gut du Zicke. Es war toll. Ich hatte das Gefühl, als wäre es genau das, worauf ich seit Wochen gewartet hatte, ohne es zu wissen. Ich hab aber trotzdem Angst, ich vertraue ihm, aber das muss nichts heißen. Die Männerkenntnis von uns Marchands ist nämlich nicht wirklich die Beste."
Sophie sah mich verständnisvoll an.
"Dann hoffen wir mal, dass er keine Scheiße baut, sonst hat er ein ziemliches Problem mit zwei Frauen, die beide schonmal Landesmeister im Kickboxen waren." Sie sah mich schmunzelnd an und zeigte mir damit, dass sie in jeder Situation für mich da wäre, auf ihre ganz eigene Weise. Ich grinste sie als Antwort einfach nur an.
"Naja. Du wirst wohl nicht noch mehr preisgeben, deshalb werde ich jetzt schlafen gehen. Hab morgen ein Turnier, schlaf schön und viel Glück mit deinem Portugiesen."
"Schlaf gut und viel Erfolg." Erwiderte ich und sah wie sie grinste.
"Den brauch' ich zwar wie immer nicht, aber danke." Das letzte was ich sah, bevor sie das Gespräch beendet, war wie sie mir frech zuzwinkerte.

Ich drehte eine Runde auf dem Drehstuhl, ehe ich aufstand um mich bettfertig zu machen. Langsam hörte ich auch, wie die erste große Welle an Feiernden zurück auf die Zimmer ging. Die zweite Welle würde erst weit nach 12 Uhr nachts eintrudeln und die dritte, die, die es immer übertrieben, erst, wenn es wieder hell wurde.

Ich gehörte meistens zur 1. Oder 2. Welle, doch heute war eben nicht wie sonst, was ich jedoch alles andere als schlimm fand. Während ich mir die Zähne im Bad putzte, überlegte ich, wie lange es wohl dauern würde, bis eine Neuigkeit wie diese die Runde machte. Ich hatte nicht vor Juan öffentlich die Zunge in den Hals zu stecken und der Typ für permanentes Händchenhalten war ich schon lange nicht. Mary würde sicherlich nichts weitererzählen und Ezra war zwar ein aufgedrehter Flummi aber Juan treu, der eindeutig kein Fan von der Aufmerksamkeit war, die man dadurch bekam. Denn die würden wir zwangsläufig bekommen.

Der stille Portugiese, der praktisch niemandem vertraute und die taffe Franzosin, die normalerweise jedem Kerl die kalte Schulter zeigte und Gerüchten nach ihrem Ex die Nase gebrochen hat - was auch der Wahrheit entsprach - sollten ein Paar sein? Das kurze Getuschel nach dem Fake-Kuss war ja schon grausig gewesen, jedoch dadurch, dass wir beide nach diesem auf ein wenig Abstand gegangen waren und mein geliebter Ex damit prahlte, ich hätte ihn nur eifersüchtig machen wollen, wieder abgeklungen.

Ich stellte es mir nicht wie in diesen bescheuerten Amerikanischen Teeniefilmen vor, in denen alle so leise und unauffällig flüsterten und tratschten, dass man auch ja alles verstand und sah. Das würde nicht passieren. Es würde Blicke geben, die einem unauffällig aber doch spürbar folgten, vor allem wenn ich mit Juan oder er mit mir unterwegs sein würde. Ein paar hätten sogar den Mut zu fragen ob da wirklich was lief. Wieder andere würden mich nach Sachen fragen, die sich durch die Gerüchteküche einer Schule zwangsläufig entwickelten und die totaler Quatsch waren, was den fragenden, hohlen Tratschtanten jedoch nicht so ganz bewusst sein würde. Die, die nicht zu dieser Gruppe von Menschen gehörten oder die nicht wir waren oder unser Freundeskreis, würden die Veränderung nicht mal mitbekommen. Leider wusste ich nach 11 Jahren Schule gut, dass eindeutig zu viele Schüler dem Lästerverein angehörten.

Letztendlich hoffte ich einfach, es würde schnell irgendetwas anderes passieren, was sie interessanter fanden. Vielleicht eine Prügelei zwischen unseren zwei größten Schulschlägern oder ein Schlampendrama um Ashley. Was wusste ich. Irgendetwas was verhinderte, dass ich den Drang bekommen würde, jemandem an die Gurgel zu springen.

Mittlerweile war ich schon längst fertig mit Zähneputzen. Ich hatte, während ich meine Gedankengänge so fortgeführt hatte, geduscht und meine Schlafshorts sowie das Schlaftop angezogen, sodass ich nun im Bett lag. Mary hatte sich bereits vorhin nach meinem Skypegespräch mit Sophie hingelegt und schlief mittlerweile tief und fest. Außerdem befand sich nun auch Linnéa wieder im Zimmer und lächelte mich zur Begrüßung nur stumm an, wahrscheinlich um Mary nicht zu wecken. Sie zeigte anschließend mir fragenden Blick auf das Bad. Ich nickte nur, woraufhin sie ein Okay Zeichen machte und nun wie ich vorhin da Bad besetzte. Hannah würde sicherlich nicht vor 2 Uhr hier eintrudeln. Ich hoffte für sie jedoch, diesmal mit weniger Getöse, als an dem Tag, an dem ich erst eine Woche hier gewesen war.

Da hatten mehrere aus der Stufe in einer Disko in der Stadt gefeiert zu denen Hannah, Linnéa und ich ebenfalls gehört hatten. Während Lin mit mir zusammen genau wie die meisten anderen um halb 3, also auch nicht besonders früh, doch recht angetrunken mit dem Taxi zurück zum Internat fuhren und fast sofort einschliefen, blieb Hannah bis um 6 Uhr morgens weg. Kein Problem, wäre sie nicht völlig besoffen laut lachend mit irgendeinem Kerl ins Zimmer getrampelt und hätte auch noch die Tür laut ins Schloss geknallt. An einem Sonntag. Mary wäre beim Anblick des Kerls direkt nachdem sie so unsanft und früh geweckt wurde fast in Ohnmacht gefallen, Linnéa hatte aus Schock ein Deo, das auf ihrem Nachtisch stand nach Hannah geworfen und ich war aus Reflex aus dem Hochbett gesprungen, obwohl ich noch teils alkoholisiert und schon teils verkatert war, was dazu führte, dass mir schwindelig und kotzübel wurde, ich umknickte und zusaammen mit Hannah, auf die ich drauffiel, zu Boden ging.

Das, was mich jedoch letztendlich richtig wütend gemacht hatte war, dass sie selbst nüchtern das Problem an dem Ganzen nicht gesehen hatte und meinte, wir sollten uns nicht so anstellen. Von da an war die mir auch so schon nicht gerade sympathische Hannah bei mir komplett unten durch gewesen.

Da ich jedoch eindeutig nicht mit diesen Gedankengängen einschlafen wollte, wechselte ich, nachdem ich mich ein wenig hin und her gedreht hatte, um die perfekte Liegepose zu finden, die Richtung meiner Gedanken.

Ich dachte wieder an den heutigen Abend und ließ ihn mit geschlossenen Augen einfach nochmal Revue passieren. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem warmen Gefühl im Bauch schlief ich letztendlich ein.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now