Borderlands I - Seite 7

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A'kebur ging es schlecht. Sein Kopf war gefüllt mit fremden Gedanken. Er sah sich mit den Träumen der Männer konfrontiert, mit denen er sein Quartier teilte. Aber auch mit jedem Gedanken der Wesen, die auf dieser Station waren. Sein Kopf schmerzte.
Unter großer Anstrengung versuchte er sich aufzurichten. Er überlegte, ob er die Krankenstation aufsuchen sollte, verwarf aber die Idee.
Er ging auf keine Krankenstation.
Trotzdem konnte er ein verräterisches Stöhnen nicht unterdrücken. Plötzlich war der Raum von gedämpftem Licht erfüllt und A'kebur sah eine verschlafen aussehende Gestalt in seiner Tür. Es war Fähnrich Montague, erst seit ein paar Wochen auf der Station, übereifrig und noch sehr jung. "Alles in Ordnung?", fragte der Junge leise, "Es klang, als ginge es Ihnen nicht gut, Sir." Obwohl sie beide den gleichen Rang hatten, sprach Montague ausnahmslos jeden mit Sir an.
A'kebur wich vor ihm zurück. Er empfing zwar von ihm nichts, aber er wollte nicht von diesem halben Betazoiden berührt werden. "Lassen Sie mich in Ruhe", rief er angestrengt.
"T-tut mir leid, Sir", stammelte Montague und wich etwas zurück, "aber es ist meine P-pflicht zu melden, wenn es meinen Kollegen nicht gut geht!"
"Mir geht es gut. Mir geht es gut!"
Der junge Halb-Betazoide-Halb-Mensch sah nicht überzeugt aus, im Gegenteil. "Sie sind sicher, dass ich nicht doch Doktor Del'xwon Bescheid geben soll?"
"Ich bin nicht krank", wehrte A'kebur ab und schrie dabei laut genug, um die zwei Fähnriche, mit denen er das Quartier teilte, aufzuwecken. Diese sahen sie böse an.
"Was soll der Lärm?", knurrte Fähnrich Trush.
"Ich g-glaube, es geht im nicht gut, Sir", erwiderte Montague kläglich und wich vorsichtshalber noch einen Schritt zurück, "Aber er will sich nicht helfen lassen."
Fähnrich Trush rollte mit seinen blauen Fühlern, murmelte etwas auf Andorianisch, das A'kebur, wenn er die Sprache verstanden hätte, ganz sicher nicht gefallen hätte, und betätigte die Sprechanlage zur Krankenstation.
"Krankenstation?"
Fähnrich Trush meldete, dass es A'kebur nicht gut ging. Dieser wehrte sich, aber sein Blick wurde glasig, je mehr Gedanken sich auf ihn konzentrierte. Er stöhnte auf und wehrte sich. "Ich bin nicht krank", knurrte er mit rauer Stimme.
"Das lassen Sie mal den Doktor entscheiden", brummte der Andorianer und griff Montague am Ärmel. "Komm Kleiner, geh wieder schlafen."
Es dauerte nicht lange und die Tür zu A'keburs Quartier ging erneut auf. Herein kam die resolute Ärztin der Station, Doktor Del'xwon. Trotz ihres exotisch klingenden Namens war sie ein Mensch, aber zu Spaßen war mit ihr ganz sicher nicht. Sie musterte den Klingonen stirnrunzelnd. "Nun?"
A'kebur sah sie an, als würde er sie nicht erkennen. "Qu'vatlh ", knurrte er sie an. " Haw' pagh Hegh "
Die Ärztin zog seelenruhig ein Hypospray aus ihrer Tasche, aber ihr Blick glitt kurz warnend zu A'keburs Zimmergenossen, damit diese auf Abstand gingen.
"Sie sind Offizier der Sternenflotte!", erinnerte sie A'kebur, "Es ist Ihre Pflicht, Vorgesetzten zu gehorchen."
"Gehen Sie aus meinem Kopf raus", heulte A'kebur auf, "aus meinem Kopf."
Fähnrich Montague schlug sich an die Stirn. "Er ist Telepath. Seine Barrieren sind nicht mehr vorhanden und ich dachte, er wäre keiner, weil ich von ihm nichts gespürt habe."
Nun zog Doktor Del'xwon wirklich die Augenbrauen hoch. "Davon steht nichts in Ihrer medizinischen Akte", erklärte sie, "aber es erklärt einiges." Sie griff erneut in ihre Tasche und holte ein weiteres Hypospray heraus. "Das hier ist ein leichtes Sedativum. Es sollte helfen, Ihre gedanklichen Barrieren wieder zu errichten. Und morgen früh nach ein paar Stunden Schlaf kommen Sie in die Krankenstation zum Durchchecken."
A'kebur spürte die kühle Flüssigkeit, wie sie in seine Venen gejagt wurde. Dann schien alles um ihn herum wie in Watte gepackt zu sein. "Ich", hauchte er und fiel buchstäblich in sein Bett. Die Ärztin zog ihm mütterlich die Decke bis zur Nasenspitze. "Bitte erinnern Sie ihn an seinen Termin bei mir", bat sie Montague und Trush. "Wenn noch etwas sein sollte, geben Sie Bescheid."
"Ich dachte, Klingonen sind keine Telepathen", murrte Trush und blickte auf seinen Kollegen, der verschlafen aus seinem Bett blickte, ohne sich an dem nächtlichen Aufstand beteiligt zu haben.
Montague kratzte sich an der Stirn. "Er ist der einzige Nichttelepath gewesen, von dem ich keine Gefühle empfangen habe. Das hätte mich stutzig machen müssen", erklärte er. "Außerdem ist A'kebur kein reiner Klingone, Sir, er ist auch zur Hälfte Vulkanier. Das steht in seiner Akte."
"Nun, das wusste ich. Aber selbst unter Vulkaniern ist Telepathie keine Alltäglichkeit." Die Ärztin wandte sich zur Tür. "Danke, dass Sie mir Bescheid gegeben haben. Gute Nacht", verabschiedete sie sich.
Trush zuckte mit seinen Fühlern und kehrte zu seinem Bett zurück. "Habe morgen Frühdienst", murmelte er, "und weck mich das nächste Mal erst wieder, wenn die Station zusammenkracht, ja, Kleiner?"
Montague zuckte nur hilflos mit den Schultern und ging dann in sein eigenes Quartier zurück.

A'kebur erwachte mit höllischen Kopfschmerzen. Wäre er zimperlicher gewesen, dann hätte er geweint. So jedoch verdrängte er die Schmerzen und die Gedanken, die auf ihn eindroschen. Wankend suchte er das Bad auf und machte sich unter der Hypodusche zu schaffen. Laut krachte er gegen die Wände und rutschte daran herunter. Mit aufgerissenen Augen schaute er ins Leere, als er Dinge sah, die nur er sehen konnte.
Ein seltsames Geräusch durchbrach die Stille, laut und durchdringend. A'kebur kannte es und war sich sicher, dass es wichtig war. Er brauchte eine volle Minute, um zu begreifen, dass es das Com-Gerät war.
"A'kebur", meldete er sich.
"Fähnrich, Sie sollten doch heute Morgen zu mir in die Krankenstation kommen ", Dr. Del'xwon klang nicht sehr begeistert, "Sehen Sie zu, dass Sie herkommen!"
"Ma'am?", fragte A'kebur verständnislos. "Was soll ich auf der Krankenstation?"
"Ich habe Ihnen gestern den Befehl dazu gegeben", knurrte die Ärztin, "Ich dachte, das wäre deutlich geworden."
"Was meinen Sie?" A'kebur versuchte sich aufzurichten und den Inhalt von den gesprochenen Wörtern von dem Dröhnen in seinem Schädel zu trennen, um zu verstehen, was das Gesagte für ihn bedeutete.
"Zum letzten Mal, Fähnrich: Kommen Sie sofort zur Krankenstation oder ich lasse Sie abholen! Haben Sie gehört?" Als keine Antwort kam, erklärte Doktor Del'xwon: "Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich komme vorbei."
A'kebur rieb sich die Schläfen. Als ihm das Geräusch der Hypodusche zuviel wurde, zog er sich an der Wand hoch und lief vorsichtig nach draußen. Der Boden schien ihm unsicher wie ein Moorgang.
Kurz darauf piepte es an der Quartierstür und die Ärztin kam herein, gefolgt von zwei ihrer Assistenten. "Guten Morgen", grüßte sie und runzelte angesichts A'keburs Zustand die Stirn, "wir bringen Sie jetzt besser zur Krankenstation."
Sie holte die Uniform des Fähnrichs und schob diesen auf sein Bett. "Anziehen!", befahl sie knapp. Um das Schamgefühl von A'kebur nicht zu verletzen, auch wenn es im Moment wohl eher zweitrangiger Natur war, drehten sich alle um. Nach ein paar Minuten hatten sie einen ziemlich durcheinander aussehenden, vollkommen verstruppelten Klingonen mit spitzen Ohren vor sich, der sich monoton seine Schläfen rieb.
Vorsorglich nahmen sie ihn mit ihren Assistenten zusammen in die Mitte und brachten ihn zur Krankenstation, gefolgt von nicht wenigen neugierigen Blicken der Stationscrew und den Besuchern. Dort angekommen befahl die Ärztin A'kebur auf die nächste Liege und begann mit den Untersuchungen.
"Die typischen Überlastungserscheinungen eines Telepathen, der von den Gedanken anderer überflutet worden ist", murmelte sie, "ich kann nur eine künstliche Barriere aufbauen. Aber sie dämpft auch alle anderen Funktionen. Fähnrich, Sie werden sich in die Hände eines Telepathen begeben müssen, um Ihre Barriere wieder aufbauen zu können."
A'kebur hatte seine Augen geschlossen und atmete flach. Ihn interessierte reichlich wenig, was die Menschenfrau sagte. Er hörte dem Summen zu und ergab sich der lähmenden Wirkung.
"Der einzige Telepath mit entsprechender Ausbildung und Kontrolle hier auf der Station ist Commander Norak von der wissenschaftlichen Abteilung. Ich werde ihn deswegen ansprechen", murmelte Doktor Del'xwon. "Und Sie sollten sich besser noch etwas ausruhen." Sie schüttelte den Kopf, als keine Reaktion folgte. "Mit Ihnen ist wohl im Moment kein Anfang zu machen." Sie wandte sich zum Intercomgerät.
"Mr. Norak, bitte kommen Sie in die Krankenstation. Ich habe hier einen Notfall, den Sie sich einmal ansehen sollten."
"Ich bin unterwegs, Doktor", meldete sich eine sonore Stimme, ohne weitere Fragen zu stellen. Die Ärztin begann mit weiteren Tests, während sie auf den vulkanischen Commander wartete, der kurz darauf ihre Einschätzung bestätigte.
Etwa eine Stunde später konnte sie A'kebur in eine Erholungsschicht schicken. Sie ordnete insgesamt vier Tage davon an und die Verpflichtung, sich von dem Commander in die Kunst der Telepathie einweisen zu lassen.
A'kebur war das alles andere als recht. Er wollte sich nicht von einem Vulkanier sagen lassen, wie er etwas zu tun hatte.
Commander Norak verlor jedoch weder über das, was er in der Gedankenverschmelzung erfahren hatte, noch über den Widerstand seines unvermuteten Schülers auch nur ein Wort. Er wusste, dass es sich bei dem Fähnrich um einen halben Vulkanier handelte. Dass dieser jedoch mehr Eigenschaften vulkanischer Art zeigte, als diesem selbst wohl bewusst war, nötigte ihm zumindest eine hochgezogene Augenbraue ab. Die zweifellos dominanten Merkmale der klingonischen Rasse hatten vom Inneren A'keburs abgelenkt, was zweifellos auch dem Wunsch des Fähnrichs entsprach.
Doktor Del'xwon und Norak unterhielten sich noch eine Weile, nachdem A'kebur aus der Krankenstation fürs Erste entlassen war - mit der Auflage, sich nicht zu überanstrengen.
"Denken Sie, Sie können Ihm helfen?", wollte die Ärztin wissen, "Oder wird das auf lange Sicht Probleme geben? Fähnrich A'kebur hat eine nicht gerade makellose Akte, aber ich würde nur ungern so etwas wie geistige Instabilität dort eintragen müssen."
"Sein Temperament steht Mr. A'kebur im Weg", begann Norak vorsichtig, "seine geistige Klarheit ist gewährleistet, wenn er akzeptiert, auch ein Telepath zu sein. Leider ist das auch mit einer gewissen Akzeptanz seiner vulkanischen Seite verbunden."
"Und da liegt das Problem, denken Sie." Doktor Del'xwon sah auf die Akte. "Wenn ich das richtig verstanden habe, hat er Zeit seines Lebens versucht, ein vollwertiger Klingone zu werden, aber ihm wurden nicht alle Initiationsriten gewährt. Das ist der Grund, warum ich nichts davon halte, wenn sich zwei so unterschiedliche Rassen mischen. Ihre Kinder haben nichts als Probleme und sind nirgendwo ganz zugehörig."
Commander Norak senkte leicht seinen Kopf. "Dr. Del'xwon, die Vereinigung, um ein Kind wie A'kebur zu zeugen, war nicht freiwilliger Natur. Es lag im Streben des klingonischen Volkes, alle Völker untertan zu machen - auf jedem Gebiet."
Die Ärztin riss die Augen auf, hatte sich dann aber schnell wieder gefangen. "Das erklärt einiges", murmelte sie, "aber da hätte man denken sollen, seit dem Friedensvertrag von Khitomer vor über hundert Jahren wäre Ruhe eingekehrt."
"Es kehren mitunter noch immer vulkanische Gefangene aus dem klingonischen Reich zurück. A'keburs Familie - vulkanische Familie - ist leider nicht geklärt worden. Darüber liegt, wie die Menschen es so bildhaft ausdrücken, der Mantel des Schweigens. Der Friedensvertrag von Khitomer hat es jedoch möglich gemacht, die meisten Kinder dieser ungewollten Verbindungen den Familien zu zuordnen." Commander Norak schien das Gespräch auf Äußerste unangenehm.
Aber er faltete seine Hände und deutete durch seine Haltung an, dass er auch weitere Fragen beantworten würde. Dennoch es schien auch, als verschwieg er trotz seiner Offenheit einige Dinge, die er nicht ungefragt sagen würde.
Die Ärztin nickte. "Nun, damit ist die Sternenflotte noch der beste Platz für den Jungen gewesen." Es war für sie überhaupt nicht seltsam, von einem 2-Meter-Mann als "Jungen" zu sprechen. "Aber ich denke, er hat viele verborgene Wunden, für die ich als Ärztin nichts werde tun können. Keine Familie, zu der er gehen kann, und auch keine Freunde laut Auskunft seiner Kameraden. Ich denke, er braucht dringend Hilfe."
Commander Norak wirkte vage pikiert. "An was für eine Art von Hilfe haben Sie gedacht?", fragte er vorsichtig.
"Nun, wenn er Zeit mit jemandem außerhalb seines normalen Dienstes verbringt, ist schon mal der Anfang gemacht. Aber ich kann ihm ja schlecht befehlen, loszugehen und ein Sozialleben aufzubauen, oder?"
"Nun, ich denke, das wird Fähnrich A'kebur allein schaffen. Bitte entschuldigen Sie mich. Ich muss zurück. Ich werde heute Abend die Lektionen mit Fähnrich A'kebur durchgehen, so dass er sich selbst schützen kann."
"Danke für Ihre Hilfe", die Ärztin lächelte den Vulkanier an, "und bitte erstatten Sie mir regelmäßig Bericht, wie es vorangeht!"
"Das werde ich, Doktor!", verabschiedete sich der Vulkanier und verschwand geschmeidig aus der Krankenstation. Auf unbestimmte Weise wirkte er dabei erleichtert.
Doktor Del'xwon sah ihm noch einen Augenblick nach, dann ging sie wieder an ihre Arbeit. Schließlich warteten noch mehr Patienten auf sie.

A'kebur ging wie auf Eiern. Er fühlte sich so. Aber rein äußerlich war ihm nichts anzumerken. Er bekam nur vom Chefingenieur die Ansage, dass er keine Arbeit bekam. A'kebur war es nur in seinem Urlaub gewohnt, nichts zu tun zu haben. Krank war er nie gewesen. Etwas unschlüssig machte er sich auf den Weg zu Etienne, auch wenn der indirekt dafür verantwortlich war, dass die Barriere gebrochen war.
Diesen fand er mit einem Schweißbrenner an einem offensichtlich von Waffen verkohlten Schott der Drake hantieren. Beim Näherkommen hörte er eine ganze Reihe hingebungsvollster Flüche in einem Dutzend Sprachen, darunter auch Klingonisch.
Diese kamen ihm sogar bekannt vor. Mit den Fingerspitzen berührte A'kebur die Phaserspuren. Es waren einige und sie hatten viel zerstört. "Was ist hier passiert?", fragte er.
Etienne schreckte hoch, dann erkannte er den Fähnrich und entspannte sich wieder. "So ein verrückter Ferengi hat mich angegriffen", brummte er, "keine Ahnung, was das sollte. Er sitzt jetzt in einer Isozelle bei der Sicherheit."
"Ferengi greifen nicht zu Waffen, außer sie wollen etwas erpressen. Was war es gewesen, was er bei dir vermutet?"
"Offensichtlich wollte er etwas haben, dass ein Kunde von mir kurz zuvor abgeholt hat", wurde Etienne etwas deutlicher, "aber Geschäft ist Geschäft, und noch entscheide ich, wem ich etwas verkaufe." Etienne ließ den Schweißbrenner sinken, als ihm etwas klar wurde. "Hast du keinen Dienst?"
"Nein", antwortete A'kebur widerstrebend. "Ich habe keinen Dienst."
"Wird wohl noch was dauern, bis ich deinen Dienstplan auswendig weiß", scherzte Etienne und schob sich die Schutzbrille auf die Stirn. "Bleibt es bei heute Abend?"
"Ich habe eine Verabredung. Vielleicht zwei Stunden später. Ich weiß nicht genau, wie lange es dauert."
Bei dem Wort "Verabredung" hob Etienne eine Augenbraue. Eigentlich hatte es ihn nicht zu kümmern, was A'kebur in seiner Freizeit machte, aber das schien nicht zu dem sonst so kontaktscheuen Klingonen zu passen. "In Ordnung", erwiderte er, "und, wer ist der oder die Glückliche?"
Wenn er jemals einen betreten aussehenden Klingonen gesehen hatte, so konnte sich Etienne nicht daran erinnern. Aber A'kebur war ein guter Ausgleich dafür. "Commander Norak. Und er ist nicht glücklich darüber. Genausowenig wie ich", antwortete A'kebur steif.
"Aha. Und wieso habt ihr dann ein Date?", fragte Etienne unerbittlich weiter. Jetzt war er wirklich neugierig geworden.
"Es ist kein Date!", wehrte sein Liebhaber ab.
Etienne zog nur wieder die Augenbraue hoch. Wenn es etwas mit seiner Arbeit zu tun hatte, hätte A'kebur es bereits gesagt und sich nicht so umständlich ausgedrückt. Worum ging es also dann?
"Na ja, was auch immer. Ich bin vermutlich sowieso den ganzen Abend bei Suahi. Lange kann ich mir dieses Elend mit meinem Schiff nicht mehr ansehen. Kaum haben wir es zusammengeflickt, kommt so ein Idiot daher und schießt ein Loch rein."
"Was wohl an dem Ding liegt, dass du in deinem Schiff versteckt hast", murmelte A'kebur und wandte sich ab. "Ich komme dann heute Abend. Ich soll mich jetzt ausruhen, auch wenn ich noch nicht weiß, wie ich das machen soll."
"Moment mal. Wovon redest du da eigentlich?" Etienne war alarmiert. Woher wusste A'kebur von dem Artefakt? Er KONNTE es überhaupt nicht gesehen haben, ein spezieller Code war für das Öffnen der geheimen Frachtcontainer nötig und von außen waren sie nicht zu erkennen.
"Von was ich rede? Keine Ahnung. Ich soll mich ausruhen. Das hat die Ärztin gesagt. Frag sie, was das bedeuten soll. Ich bin nicht krank."
"Na ja, wenn ich ehrlich sein soll, etwas blass bist du. Und du warst bei der Ärztin?" Etienne war selten in seinem Leben so verwirrt gewesen.
Wenn der Klingone selber nicht wusste, was er sagte, und es klang wirklich so, dann musste wirklich etwas nicht stimmen. Aber woher wusste er von dem Artefakt?
"Sie hat mich abgeholt, weil ich nicht wusste, dass ich einen Termin hatte. Aber mir geht es gut. Kein Problem." A'kebur berührte das Schiff erneut. "Ich werde dann mal in den Erholungsbereich gehen."
"Ja, mach das!" Etienne zögerte kurz, dann legte er seine Werkzeuge beiseite. Dieses Rätsel wollte er aufgeklärt haben. "Hast du was dagegen, wenn ich mitkomme? Oder wolltest du allein sein?"
A'kebur schüttelte stumm den Kopf. "Aber kein Sex. Commander Norak weiß schon jetzt mehr, als er sollte."
"Keine Sorge, ich habe auch noch was anderes im Kopf." Etienne grinste, verschloss das Schiff und folgte dem Klingonen. War dieser Commander Norak am Ende A'keburs Psychiater? Der Gedanke war grotesk.
A'kebur ging zielstrebig auf eine Holosuite zu. Er wählte ein Programm und trat ein. Es war die Hauptwelt der Klingonen. Sie standen auf den Felsen, die am Rande einer Stadt auf einer Ebene herausragten. A'kebur stand nahe der Abrisskante und sah hinunter.
Etienne fand das Szenario ein bisschen gruselig, obwohl er klingonische Architektur und Lebensgewohnheiten kannte. Es wirkte alles irgendwie abweisend, so von grundauf verschieden von dem lebendigen, wilden Feuer, das er jedes Mal in A'keburs Augen sah und das für ihn zum Inbegriff des Klingonischen geworden war.
"Ich bin hier geboren", erklärte A'kebur. "Hier habe ich das erste Ritual der Kriegerweihe erhalten." Er verschwieg, dass er das zweite Ritual nie hatte machen dürfen, wie auch einige andere nicht. Er war kein vollwertiger Krieger. Er war nach den Traditionen noch ein Kind und er würde es immer bleiben. Und alles, weil er Telepath war. Diese Fähigkeit machte ihn schwach und wieder war sie Grund dafür, dass er sich nicht unter Kontrolle hatte.
"Warum bist du zur Sternenflotte gegangen?", fragte Etienne leise. Er konnte sich den Grund zwar denken, aber es hätte hundert andere Möglichkeiten gegeben.
"Warum geht ein Klingone zur Sternenflotte?", stellte A'kebur ihm die Gegenfrage.
"Bessere Beziehungen zwischen den Kulturen, Abscheu vor der Klingonischen Gesellschaft, Ausschluss aus dieser. Es gibt viele Möglichkeiten, genauso viele wie für jeden anderen auch, der sich entschließt, in der Sternenflotte dienen zu wollen", erwiderte Etienne, "es gab mal eine Zeit, da wollte ich es tatsächlich auch."
"Der Sternenflotte dienen? Heroische Absichten? Dann hätte ich auch im Klingonischen Reich bleiben können, wenn ich diese Wahl gehabt hätte. Nein, ich bin zu schwach. Ich bin nur ein Mischling. Kein vollwertiger Klingone, der es wert wäre, dem Reich zu dienen", spuckte A'kebur von sich selbst angewidert aus.
"Die Sternenflotte nimmt niemanden auf, der schwach ist. Etwas dämlich vielleicht, aber wer unfähig ist, wird schon im ersten Akademiejahr aussortiert", gab Etienne ungerührt zurück, obwohl ihm einiges klarer wurde, "der klingonische Maßstab ist nur einer unter Tausenden."
"Ich bin kein Klingone. Ich bin ein Niemand."
"Und das sagt jemand, der kein Mitleid will. Hör mir mal zu", Etienne drehte A'kebur zu sich um und sah ihm direkt in die blauen Augen, "du bist immer soviel oder so wenig, wie du selber aus dir machst. Wer immer auf die Meinung anderer hört, wird nie auf eigenen Füßen stehen. Es mag vielleicht einfacher sein, mit dem Strom zu schwimmen, aber nur wer sich traut dagegen zu kämpfen, hat die Chance, dort anzukommen, wo noch niemand vor ihm gewesen ist."
"Wunderschöne Worte! Menschen reden immer gern!", knurrte A'kebur. "Aber es ist meine vulkanische Mutter, die meine Schwäche verursacht."
"Hältst du Vulkanier für schwach? Ich würde keinen von ihnen verärgern wollen. Und jemanden, der es fertigbringt, kein Klingone zu sein und unter Klingonen zu leben, den kann man nur bewundern."
A'kebur kniff die Augen zusammen, als ob er über diese Dinge nachdachte, dann schüttelte er jedoch den Kopf. "Ich bin Telepath. Commander Norak wird mir beibringen, damit umzugehen".
"Heißt das, du hast ..." Jetzt wurde Etienne einiges klar. Offensichtlich hatte A'kebur die Sache mit dem Artefakt direkt aus Etiennes Gedanken entnommen, wobei dieser dabei nichts mitbekommen hatte. "Ging es dir deswegen gestern nicht gut?"
Der Klingone berührte sich an der Schläfe. "Du hast mich da berührt. Und du warst erregt und ich auch. Da ist es passiert."
"Oh." Etienne war eigentlich nie um Worte verlegen, aber bekanntlich gab es ja für alles ein erstes Mal. "Tut mir leid", war alles, was ihm nach ein paar Momenten einfiel.
"Es ist meine Schwäche. Eine Entschuldigung ist überflüssig." A'kebur wandte sich ab und ging den schmalen Weg hinunter.
Etienne folgte ihm. Er hätte ein solches Talent ganz sicher nicht als Schwäche bezeichnet. Aber offensichtlich war er dem Klingonen nähergekommen als beabsichtigt. Schade fast, dass diese Telepathie nicht in zwei Richtungen ging.
Sie erreichten die Stadtgrenze. Niemand beachtete sie weiter. Es war, als würden sie nicht existieren. A'kebur ging durch die Straßen, die er offensichtlich gut kannte. Ab und an blieb er stehen, als würde er etwas Besonderes sehen, dann ging er jedoch weiter, als wenn doch nichts gewesen war.
Irgendwann jedoch blieb er vor einem niedrigen Haus stehen, das von einer Mauer umgeben war und deren Tor offenstand, so dass man in einen schlichten Innenhof blicken konnte. "Hier bin ich geboren", erklärte er. "Hier erhielt ich die erste Weihe. Dann wurde ich bei einem Krieger ausgebildet."

                          


Borderlands * Buch 1  ~ Begegnungen (Pilot) #PlatinAward2017 ~ 3. PlatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt